Übernahmefieber erfasst Pharma-Manager
Von Stefan Paravicini, New YorkDie Inkubationszeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch des Übernahmefiebers hat dieses Mal etwas länger gedauert als erwartet. Marktbeobachter hatten nach der Ende 2017 verabschiedeten US-Steuerreform eigentlich schon vor einem Jahr mit einem M&A-Boom in der US-Pharmaindustrie gerechnet. Weil die Bewertungen von Biotechfirmen aber über weite Strecken des zurückliegenden Turnus auf Höchstständen notierten, haben sich Konzerne wie Eli Lilly oder Bristol-Myers Squibb in der Suche nach Übernahmezielen zurückgehalten.Nach der breiten Korrektur in den vergangenen Wochen hat sich das offenbar geändert. Am Montag vermeldete mit Eli Lilly bereits der zweite US-Pharmakonzern einen milliardenschweren Zukauf im neuen Jahr. Für knapp 8 Mrd. Dollar übernimmt der Konzern aus Indianapolis, Indiana, das Start-up Loxo Oncology. Für CEO Dave Ricks, der seit Anfang 2017 an der Spitze des Unternehmens steht, ist es der bisher größte Deal. Die 2013 gegründete Loxo, die ihren Sitz in Stamford, Connecticut hat, ist gleichzeitig die größte Übernahme in der Firmengeschichte. Geht es nach Ricks, der vor zwei Jahren den langjährigen Konzernchef John Lechleiter abgelöst hat, dürfte es in diesem Jahr nicht der letzte Zukauf gewesen sein. “Das Wiederbefüllen der Pipeline von Lilly wird in den nächsten Jahren im Fokus stehen”, gab der 50-Jährige zu Protokoll. Die Aktien von Biotechfirmen wie Blueprint Medicines oder Clovis Oncology, die wie Loxo Oncology Behandlungsmethoden von Krebserkrankungen erforschen, legten nach der Offerte von Eli Lilly mit einer Prämie von knapp 70 % an der Börse prozentual zweistellig zu.Bereits im Juni hatte Eli Lilly für 1,6 Mrd. Dollar Armo Biosciences erworben, die Immuntherapien gegen Krebserkrankungen entwickelt. Zu den Marktführern auf diesem Gebiet zählt Bristol-Myers Squibb, die ihren Markteintritt 2011 mit der Übernahme von Medarex für 2,4 Mrd. Dollar vorantrieb. In der vergangenen Woche kündigte der US-Konzern unter Führung von Giovanni Caforio einen 74 Mrd. Dollar schweren Deal mit Celgene an. Der 53-jährige Italiener löste 2015 Lamberto Andreotti an der Spitze ab und hat jetzt den bisher größten M&A-Deal der Branche vereinbart.Dass vor allem auf dem Gebiet der Onkologie bald das Übernahmefieber grassieren könnte, hatte die britische GlaxoSmithKline bereits kurz vor dem Jahreswechsel mit der Übernahme von Tesaro für mehr als 5 Mrd. Dollar angezeigt. Der Markt für Krebsmedikamente wird von Analysten auf mehr als 120 Mrd. Dollar veranschlagt und gehört damit zu den größten Pharma-Segmenten. Gründer, Investor, OnkologeWie groß das Potenzial eingeschätzt wird, zeigt Loxo, die 2013 gegründet wurde und in zwei Finanzierungsrunden rund 50 Mill. Dollar einsammelte, bevor es im August 2014 zu einer Bewertung von knapp 200 Mill. Dollar an die Börse ging. Gründer ist der 46-jährige Onkologe Joshua Bilenker, der zwei Jahre lang als Gutachter von Krebsmedikamenten für die Aufsichtsbehörde FDA tätig war, bevor er sich 2006 Aisling Capital in New York anschloss. Die Beteiligungsgesellschaft führt ihn als Operating Partner. Der Absolvent der Johns Hopkins School of Medicine, der in Princeton “summa cum laude” Englisch studiert hat, saß unter anderem bei Lensar, Rok Bioscience, T2 Biosystems und Viewray im Board.