Schatzkanzlerin in Not

Über Rachel Reeves kreisen die Geier

Keir Starmer stärkte Rachel Reeves den Rücken, nachdem die britischen Anleiherenditen nach oben schossen. Aber die potenziellen Nachfolger der Schatzkanzlerin laufen sich schon warm.

Über Rachel Reeves kreisen die Geier

Über Rachel Reeves kreisen die Geier

von Andreas Hippin, London

Die britische Schatzkanzlerin Rachel Reeves ist angezählt. Sie verteidigte die Reform des Sozialstaats bis zuletzt, für die sich diese Woche unter den Abgeordneten der Regierungspartei keine Mehrheit fand. Sie wird am Ende dafür verantwortlich gemacht, wenn am Ende ein Milliardenloch im Haushalt klafft, die Wirtschaft stagniert und die Hypothekenzinsen hoch bleiben.

Premierminister Keir Starmer wollte sich im Unterhaus nicht uneingeschränkt hinter sie stellen. Ihre Tränen im Parlament wurden nicht nur von konservativen Kommentatoren mit Häme aufgenommen. Auch vom linken Flügel von Labour kann sie kein Mitgefühl erwarten.

Veränderte Machtverhältnisse

In Westminster haben sich die Machtverhältnisse verschoben. Das zeigt sich unter anderem daran, dass den 49 Abgeordneten, die gegen das Gesetz zur Reform des Sozialstaats (Welfare Reform Bill) stimmten, keinerlei Konsequenzen drohen. Abweichler wurden oft mit heftigen Sanktionen belegt, etwa als es 2024 ums Kindergeld ging und sieben Labour-Abgeordnete mit den schottischen Nationalisten stimmten. Ihnen wurde für sechs Monate die Fraktionsmitgliedschaft entzogen. Doch Starmer fürchtet offenkundig um seine eigene Position.

Seine Stellvertreterin Angela Rayner konnte sich im Hintergrund als Powerbroker etablieren. Sie hatte mit den rebellischen Hinterbänklern eine bis zur Unkenntlichkeit verwässerte Version des Gesetzes ausgehandelt, um der Regierung eine peinliche Schlappe im Unterhaus zu ersparen.

Freie Bahn für die Parteilinke

Die Parteilinke hat nun freie Bahn, um Steuererhöhungen statt Ausgabenkürzungen zu fordern. Nach der Sommerpause steht Reeves die nächste Kampfabstimmung ins Haus. Dabei geht es um die Eindämmung der gesetzlich vorgeschriebenen Ausgaben für Schüler mit besonderem Förderbedarf (Special Educational Needs and Disabilities), die zahlreiche Lokalverwaltungen zu ruinieren drohen.

Dass sich Starmer nach dem Showdown im House of Commons bemühte, den Eindruck zu erwecken, Reeves Verbleib im Amt sei unzweifelhaft, konnte niemanden ernsthaft beruhigen. Am Markt für britische Staatsanleihen sanken die Renditen zwar wieder, als klar war, dass die Schatzkanzlerin vorerst bleibt. Doch die Geier kreisen schon. An den Wettmärkten kann man auf mögliche Nachfolger setzen.

Pat McFadden in der Pole Position

Unter den Labour-Politikern, die als Kandidaten genannt werden, befinden sich Innenministerin Yvette Cooper, Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds und Gesundheitsminister Wes Streeting. Cooper war unter Gordon Brown Staatssekretärin im Schatzamt und wäre als Nachfolgerin fast gesetzt, hätte sie sich nicht durch eine stringente Linie in der Zuwanderungspolitik bei linken Hinterbänklern unbeliebt gemacht, die nach wie vor für offene Grenzen eintreten.

Reynolds konnte sich bei der Rettung von British Steel profilieren. Er steht für eine konservative Linie bei der Fiskalpolitik.

„Red Ed“ im Anflug?

Auch Reeves' Stellvertreter Darren Jones und Pat McFadden, der als Chancellor of the Duchy of Lancaster fungiert, werden Chancen eingeräumt. Für McFadden könnte sein Amt im Cabinet Office, das oft als Versorgungsposten für verdiente Politiker diente, zum Sprungbrett in Schatzamt werden. Buchmacher sprechen dem Schotten die besten Chancen zu. Als Wahlkampfkoordinator der Partei hatte er wesentlichen Anteil am Erdrutschsieg von Labour im Juli vergangenen Jahres.

Zu den Außenseitern gehört der für das Schatzamt bestens qualifizierte Energieminister Ed Miliband. Der prominente Linke hatte Brown beraten, als der spätere Labour-Premier noch Schatzkanzler von Tony Blair war.

Linker Volkswirt als mögliche Alternative

„Red Ed“ konnte sich bereits beim Thema Net Zero gegen Reeves durchsetzen, nachdem er in Sachen Flughafenausbau und Luftfahrt einige Kröten schlucken musste. Allerdings könnte es sein, dass er lieber weiter die vergleichsweise populäre Klimaneutralität vorantreiben will, als sich mit dem Versuch, den Staatshaushalt auszugleichen, bei seinen Anhängern unbeliebt zu machen.

Und dann ist da noch Torsten Bell, der ehemalige Chef der Denkfabrik Resolution Foundation. Der Volkswirt arbeitete für Miliband, bevor er die Führung des linkslastigen Thinktanks übernahm. Im vergangenen Jahr wurde ihm ein sicherer Labour-Wahlkreis in Wales zugeschanzt, obwohl er zu dieser Region keinerlei Verbindung hatte. Aus seiner Sicht müsste der Staat mehr investieren. Die Energiewende und die Erneuerung der bröckelnden Infrastruktur böten dafür eine Menge Möglichkeiten.

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