Unilever verabschiedet Polman
Von Andreas Hippin, LondonPaul Polman (62) hat wohl kaum noch einer zugetraut, sich für eine weitere Amtszeit an der Spitze von Unilever halten zu können, nachdem die von ihm vorangetriebene Zusammenführung von NV und Plc am Unwillen der Aktionäre gescheitert ist. Wie der britisch-niederländische Konsumgüterhersteller mitteilt, hat sich sein Chief Executive entschieden, zum Jahresende in den Ruhestand zu gehen. Am 1. Januar soll der Schotte Alan Jope (54) übernehmen, der derzeit Beauty & Personal Care führt, die größte Sparte der FTSE-100-Gesellschaft. Sie steuert etwa die Hälfte zum operativen Ergebnis bei. Polman werde noch das erste Halbjahr 2019 den Übergang begleiten und das Unternehmen Anfang Juli verlassen, hieß es.Dem scheidenden Chef, der 27 Jahre beim Rivalen Procter & Gamble verbracht hat und danach für kurze Zeit CFO von Nestlé war, wurde vorgeworfen, zu viel Zeit auf Nebenschauplätzen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos zu verbringen und den Kontakt zu den Anteilseignern verloren zu haben. Polman sehe sich als Botschafter im Kampf gegen den Klimawandel, für nachhaltige Entwicklung und andere gute Dinge und spreche dabei viel über Werte und Ziele, aber wenig über Umsatz und Gewinn. Der Nachhaltigkeitsprediger sammelte Preise wie den Rainforest Alliance Lifetime Achievement Award, den Oslo Business for Peace Award oder den UN Environment Programme’s Champion of the Earth Award. Von seinen Kritikern wurde der weltgewandte Manager, der neben Holländisch fließend Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch spricht, als zunehmend entrückt wahrgenommen.Es war der sportbegeisterte Niederländer, der die Doppelstruktur des Konzerns auf den Prüfstand gestellt hatte, nachdem der Board 2017 ein 115 Mrd. Pfund schweres Übernahmeangebot des Rivalen Kraft Heinz abgewiesen hatte. Böse Zungen unterstellen, dass er sich vor weiteren feindlichen Offerten hinter die Deiche des niederländischen Rechts flüchten wollte. Zudem sei der Abzug der Zentrale aus Großbritannien seine Reaktion auf den britischen EU-Austritt gewesen. Der niederländische Premierminister Mark Rutte hätte den Umzug mit einer Abschaffung der 15-prozentigen Abgeltungsteuer auf Dividendenzahlungen versüßt. Allerdings sprachen sich eine Reihe britischer Institutionen wie Aviva Investors, Columbia Threadneedle und Schroders öffentlich gegen die Zusammenführung aus. Für sie zählte mehr, dass der Abschied des Unternehmens aus dem FTSE 100 bei einem Umzug in die Niederlande unvermeidlich gewesen wäre.Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung hätten 75 % der Plc-Aktionäre für die Vorschläge des Board stimmen müssen. Unilever sagte sie schließlich ab, um keine Abstimmungsniederlage einstecken zu müssen. Rückgriff auf EigengewächsPolman war der erste Konzernchef der Firmengeschichte, der nicht aus dem Unternehmen kam. Jope trat gleich nach seinem Hochschulabschluss 1985 bei Unilever als Marketing-Trainee ein. Der Absolvent der Edinburgh University hatte diverse Führungspositionen inne. Er leitete die Geschäfte des Konzerns in Russland, Afrika und Nahost, später in der Volksrepublik China und “Nordasien”. Der Vater dreier Kinder absolvierte 2001 das General Management Program der Harvard Business School. Während seiner Zeit als Chef der Sparte Beauty & Personal Care nahm er einige kleinere Zukäufe vor. Die Analysten der UBS erwarten, dass Anleger nun offener über Vor- und Nachteile seiner M&A-Strategie diskutieren werden.