Aussicht auf neue Modelle

Aktionäre halten Tesla trotz Gewinneinbruch die Treue

Tesla muss im ersten Quartal den ersten Erlöseinbruch seit vier Jahren verkraften, Gewinn und Margen stehen schwer unter Druck. Doch die Aussicht auf neue Massenmarktmodelle verleiht den Aktionären Hoffnung.

Aktionäre halten Tesla trotz Gewinneinbruch die Treue

Aktionäre bleiben Tesla in der Krise treu

Kurs des E-Autobauers zieht trotz Ergebniseinbruch kräftig an – Hoffnung auf neue Modelle

xaw New York

Nach einem Gewinneinbruch im ersten Quartal versucht Tesla-CEO Elon Musk Investoren mit der Aussicht auf eine Auffrischung der Produktpalette bei der Stange zu halten. Der E-Autobauer vermeldete am Dienstag einen Rückgang des vierteljährlichen Überschusses um 55% auf 1,13 Mrd. Dollar. Der Umsatz gab zum ersten Mal seit vier Jahren nach, gegenüber dem Auftaktquartal 2023 setzten die Erlöse um 9% auf 21,03 Mrd. Dollar zurück. Damit enttäuschte Tesla die bereits niedrigen Markterwartungen – und doch legte die Aktie im frühen New Yorker Handel am Mittwoch zeitweise um mehr als 12% zu.

Tesla-Chef Elon Musk steht unter Druck, den Aktionären wieder eine glaubhafte Zukunftsvision zu vermitteln. Foto: picture alliance / Photoshot | Xavier Collin/Avalon.

Hintergrund waren Kommentare aus der Quartalsveröffentlichung, gemäß denen Tesla „das zukünftige Fahrzeug-Lineup aktualisiert“ habe, um „den Launch neuer Modelle noch vor unserem eigentlich kommunizierten Produktionsstart in der zweiten Hälfte 2025“ beschleunigen zu können. Dabei werde es sich um günstigere Fahrzeuge handeln, die teils auf bestehenden und teils auf effizienteren neuen Fertigungsplattformen produziert werden könnten. Vor der Ankündigung hatte die Tesla-Aktie im Jahresverlauf mehr als 40% an Wert eingebüßt.

Margen in Abwärtsspirale

Ein Update zur Absatzentwicklung im ersten Quartal hatte den Kursrutsch Anfang April noch verschärft. Die Auslieferungen sackten gegenüber dem Vorjahrszeitraum um 8,5% auf 386.810 Fahrzeuge ab, dies bedeutete den ersten Rückgang seit den Corona-Verwerfungen 2020. Tesla kündigte darauf eine Kürzung der globalen Belegschaft um 10% an. Zugleich fiel die Fertigung in wesentlich geringerem Ausmaß als der Absatz um 1,7% auf 433.371 Modelle. Anleger befürchten deshalb, dass Tesla zu neuerlichen großvolumigen Rabatten greifen muss, um die Lücke zwischen Neuangebot und Nachfrage einzuengen – und die Abwärtsspirale bei den Margen sich damit fortsetzt.

In den vergangenen Jahresvierteln war die Profitabilität, von anderen Fahrzeugherstellern einst neidvoll beäugt, infolge massiver Discounts in den USA und Europa eingebrochen. Die Bruttomarge ging nun im sechsten aufeinanderfolgenden Quartal zurück und belief sich noch auf 17,4%. Die operative Marge ist auf 5,5% abgestürzt, nachdem sie einst im Bereich zwischen 14 und 20% rangiert hatte. Zuletzt hat Tesla sich auch in China in einen zunehmend intensiveren Preiskampf mit der Rivalin Li Auto begeben.

Modelle der Tesla-Rivalin Li Auto in einer chinesischen Mall. Foto: picture alliance / CFOTO | CFOTO.

In den USA steht Tesla allerdings vor dem Problem, dass die E-Auto-Preise noch immer zu hoch ausfallen, um Verbrenner-Fahrer zu locken. Das zeigt sich auch bei General Motors: Der Traditionskonzern, angetrieben durch starke Verkäufe von Verbrenner-Pickups in Nordamerika, vermeldete für das erste Quartal ein Gewinnwachstum um 24,4% auf 2,98 Mrd. Dollar und hob den Ausblick für 2024 an. Die Stärke im Heimatmarkt fing dabei die Schwäche in Übersee auf: In China, wo zuletzt erstmals mehr Elektro- und Hybridautos verkauft wurden als reine Benziner und Dieselfahrzeuge, musste GM einen seltenen Verlust hinnehmen.

GM hatte bei der eigenen Elektro-Strategie zuletzt zurückgerudert und angekündigt, Plug-in-Hybride ins Produktportfolio aufzunehmen. Konzernchefin Mary Barra wollte eine Phase mit verstärktem Fokus auf Fahrzeuge mit zwei Antriebsquellen eigentlich überspringen, doch sind diese bei Kunden deutlich beliebter als Stromer. Laut dem Branchenportal Edmunds werden Händler Hybride 2024 in der Regel fast dreimal so schnell los wie Elektroautos.

Neues Reichweitenmodell benötigt

Bei Tesla herrschen nun noch größere Sorgen als bei traditionellen Autobauern. „Das meteoritenhafte Wachstum der vergangenen Jahre hat das Unternehmen in eine Situation gebracht, in der es nicht mehr viel aus seiner sehr kleinen Produktpalette herausholen kann“, betont Pedro Pacheco, Automotive-Analyst bei Gartner. In Wahrheit komme der Großteil des Absatzes über das Model 3 und Model Y zustande. Um die Auslieferungen wieder anzukurbeln, brauche das Musk-Unternehmen ein weiteres Reichweitenmodell.

Das jüngste Fahrzeug in der Produktpalette, der erstmals Ende November 2023 ausgelieferte Cybertruck, ist aufgrund seines ungewöhnlich scharfkantigen Designs schwierig zu fertigen und hat einen langsamen Marktstart hingelegt. „Der Cybertruck sollte nie das gleiche Absatzniveau wie das Model Y erreichen“, wendet Pacheco ein, fügt aber hinzu: „Die Verkäufe von Tesla hätten sich im ersten Quartal bei einem schnelleren Hochfahren der Cybertruck-Produktion aber positiv entwickeln können.“

Cybertruck in New York City: Der Marktstart des Elektro-SUV ist äußerst schleppend verlaufen. Foto: picture alliance / NDZ/STAR MAX/IPx | NDZ/STAR MAX/IPx.

Bei den Tesla-Aktionären herrschte zuletzt Verwirrung darüber, welche Projekte der E-Autobauer nun priorisiert: einen beschleunigten Produktionsstart von Massenmarktmodellen wie während der Zahlenvorlage angekündigt oder die Entwicklung eines neuen Robotaxis. Laut Musk will das Unternehmen ein solches Modell ohne Pedale und Lenkrad am 8. August vorstellen. Robotaxi-Dienste galten für Autobauer lange als Chance, um Daten zu sammeln und Kunden an ihre Fahrassistenzsysteme heranzuführen. Allerdings hat die Krise um schwere Unfälle mit Fahrzeugen der GM-Tochter Cruise den Enthusiasmus bedeutend gebremst.

Behörden untersuchen Assistenzsysteme

Zu Jahresbeginn eröffneten US-Bundesbehörden Ermittlungen gegen Cruise – Tesla muss sich ebenfalls mit mehreren Untersuchungen zu ihrem Autopiloten auseinandersetzen. Die Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA hat in den vergangenen Jahren über 40 solcher Prüfungen zu Unfällen von Modellen des E-Autobauers angestoßen und warnt vor einem Missbrauch der Technologie durch Fahrer. Tesla war infolge der Sicherheitsbedenken Ende 2023 bereits gezwungen, mehr als 2 Millionen Fahrzeuge zurückzurufen.

Unterdessen prüfen das Justizministerium und die SEC, ob Tesla Verbraucher und Investoren mit ihrer Darstellung zum Fortschritt des Autopiloten getäuscht hat. Im vergangenen Mai wurden zudem Inhalte aus mutmaßlich internen Tesla-Dokumenten öffentlich, die Tausende Kundenbeschwerden zu den Assistenzsystemen beinhalten sollen.

Zweifel an Robotaxi-Plänen

Die wachsende Skepsis hinsichtlich des Autopiloten und der auf noch höhere Autonomie angelegten Technologie „Full Self-Driving Beta“ droht Tesla hart auszubremsen. Denn Musk hat die Fahrassistenz-Abonnements zum Gewinntreiber der Zukunft auserkoren, zuletzt aber auch deren Preise gekürzt. Zugleich sieht Gartner-Analyst Pacheco „den regulatorischen Prozess als das größte Fragezeichen“ hinter den Robotaxi-Plänen von Tesla. Noch sei unklar, wie der Autobauer Behörden davon überzeugen wolle, eine große Zahl autonomer Autos in verschiedenen Regionen zuzulassen. „Die Skalierung ist aber wichtig, um einen positiven Return zu erwirtschaften“, betont Pacheco.

Musk-Vergütung auf dem Spiel

Auch für Musk persönlich ist es entscheidend, den Aktionären wieder eine glaubhafte Vision vermitteln zu können. Denn im Januar hatte ein Gericht in Delaware ein bis zu 56 Mrd. Dollar schweres Vergütungspaket für den CEO für ungültig erklärt, da der Prozess bis zur Freigabe des Kompensationsplans durch die Aktionäre im Jahr 2018 „mit tiefen Mängeln behaftet“ gewesen sei. Auf der Hauptversammlung im Mai will der Verwaltungsrat das Paket nun erneut absegnen lassen. Musk habe „für Tesla schon viel erreicht“ und werde weiter „die Unterstützung der Anteilseigner hinter sich versammeln", betont Pacheco. Allerdings fügt der Analyst auch hinzu: „Natürlich sehen Aktionäre den jüngsten Absatzeinbruch nicht gerne.“

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