LeitartikelIndustrie-Ikone

General Electric ist die bessere Siemens

Der Konzernumbau bei General Electric ist bisher ein voller Erfolg. Die Vorgabe „Beat GE“ dürfte für Konkurrenten um Siemens bald ebenso schwierig zu erreichen sein wie in den Glanztagen der US-Industrie-Ikone.

General Electric ist die bessere Siemens

General Electric

Die bessere Siemens

Die Vorgabe „Beat GE“ dürfte für Rivalen bald ebenso unerreichbar sein wie in Glanztagen der Industrie-Ikone.

Von Alex Wehnert

Nach jahrelangem Niedergang meldet sich General Electric als Analystenliebling zurück – und wird damit wie in früheren Tagen zum Vorbild, an dem sich Konkurrenten wie Siemens messen lassen müssen. Denn die US-Industrie-Ikone hat Anfang April ihre Aufspaltung abgeschlossen: Seither sind die Triebwerkseinheit GE Aerospace und der Energieableger GE Vernova an der Börse durchgestartet, GE Healthcare hat ihren Wert seit ihrem Spin-off Anfang 2023 um mehr als die Hälfte gesteigert.

Die Strategie des als „Larry“ bekannten CEO Henry Lawrence Culp, mit spezialisierten, flexibleren Einzelgesellschaften höhere Bewertungen zu erzielen als mit einem vom eigenen Gewicht niedergedrückten Konglomerat, folgt damit einer ähnlichen Logik wie der unter Ex-Chef Joe Kaeser angestoßene Konzernumbau bei Siemens. Allerdings kaufen die Anleger General Electric bisher wohl zu Recht stärker ab, dass die Aufteilung auch wirklich eine klare Trennung bedeutet – mit allen Vorteilen, darunter schnelleren Entscheidungsprozessen und verbesserter Antizipation von und Reaktion auf Veränderungen im Markt.

Starke Starthilfe

Dass GE Aerospace und GE Vernova in ihrem letzten Quartal im Verbund die Erwartungen der Wall Street gesprengt und der Triebwerkshersteller die Gewinnprognose angehoben hat, war eine wichtige Starthilfe. Das Luftfahrtunternehmen profitiert dabei auch von der Krise bei Boeing: Weil der Luftfahrtkonzern infolge starker Qualitätsprobleme weniger Modelle seiner Cashcow 737 Max ausliefern kann, steigt der Bedarf der Airlines an Ersatzteilen für alte Flugzeuge. Doch auch über die Boeing-Turbulenzen hinaus ist GE Aerospace im Wettbewerb mit von Materialproblemen geplagten Rivalen wie Pratt & Whitney und deren Partnerin MTU Aero Engines stark aufgestellt. So setzen die meisten Abnehmer beim Airbus-Verkaufsschlager A320neo auf das CFM-Triebwerk von GE Aerospace und der französischen Safran.

Im starken Kontrast zu Siemens, die sich durch die Abspaltung von Tochtergesellschaften wie Siemens Energy in einen lupenreinen Digitalkonzern wandeln wollte, dürfte die profitstarke GE Aerospace weniger unter Belastungen durch ihre Schwestern leiden. Denn GE Vernova ist nach Jahren schwindender Gewinne, die 2018 sogar im Absturz in die Verlustzone gipfelten, unter dem vorherigen Spartenchef und jetzigen CEO Scott Strazik der Umschwung gelungen.

Lastete zuvor ein Rüstungswettlauf, in dessen Zuge Windkraftanbieter ihre Produkte so günstig wie möglich auf den Markt warfen, auf der Profitabilität, hat Strazik das Unternehmen nun stärker fokussiert. Der Schwerpunkt liegt jetzt auf Märkten, in denen GE Vernova von hohen Skaleneffekten profitiert. Die Produktpalette ist geschrumpft, was die Fertigungskosten und die Gefahr von Qualitätsproblemen reduziert. Dies schlägt sich in einer verbesserten Ebitda-Marge und einem stärkeren freien Cashflow nieder.

Nachhaltigkeitsanleger als Treiber

Der Aufschwung geht zulasten von Siemens Energy, die sich im Geschäftsjahr 2023/24 wohl nur durch Verkäufe von Firmenanteilen in die Gewinnzone wird retten können. Denn das Unternehmen, von der Krise bei der von der Börse genommenen spanischen Windkrafttochter Siemens Gamesa gebeutelt, ist der Hauptkonkurrent von GE Vernova. Da diese nun eigenständig ist, wird sie verstärkt die Aufmerksamkeit von Nachhaltigkeitsanlegern anziehen, die zuvor die Finger von der breiteren General Electric ließen.

Während die nach wie vor hohen Beteiligungen an Siemens Energy und auch der Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers bei der Wandlung in einen reinen Digitalchampion anhaltend im Weg stehen, hat die US-Ikone GE nach jahrelangen Fehlentscheidungen einen gewaltigen Sprung nach vorn gemacht. Bis die Konkurrenz ihre Altlasten beseitigt hat, dürften die Nachfolgerinnen von General Electric ihre Positionen bei den Anlegern und ihre Margen indes längst gefestigt haben. Die bis zur Finanzkrise 2008 für Siemens hoch gehaltene Vorgabe „Beat GE“ gilt damit wieder – und ist wohl ebenso schwierig zu erreichen wie in den Glanztagen der Industrie-Ikone.