Vittorio Colao übergibt den Stab bei Vodafone
Von Andreas Hippin, London Die Ankündigung von Vodafone-Chef Vittorio Colao (56), sein Amt nach einem Jahrzehnt niederzulegen, hat das Geschäftsergebnis des Telekom-Rivalen überschattet. Finanzchef Nick Read (53) wird am 27. Juli als “designierter CEO” antreten – eine im Vergleich zu anderen Unternehmen höchst berechenbare Nachfolgeregelung. Read arbeitete sich über die Jahre hoch, nachdem er 2001 die Kontrolle über die Finanzen des britischen Geschäfts von Vodafone übernommen hatte. Colao wird zum 1. Oktober abtreten. Reads Stellvertreterin Margherita Della Valle übernimmt künftig das Finanzressort. Chairman Gerard Kleisterlee pries den Sohn eines Carabinieri aus dem lombardischen Brescia als “beispielhaften Führer und strategischen Visionär” und dankte ihm für eine “herausragende Amtszeit”. In diese Zeit fiel sowohl der Verkauf der Beteiligung am US-Mobilfunkbetreiber Verizon Wireless für 130 Mrd. Dollar als auch die Fusion des Geschäfts in Indien mit Idea Cellular. Er verabschiedet sich mit einem weiteren Paukenschlag: Vergangene Woche kündigte Vodafone an, für gut 18 Mrd. Euro die Geschäfte des Kabelnetzbetreibers Liberty Global in Deutschland, Rumänien, Ungarn und Tschechien zu übernehmen. Das Unternehmen, das Read führen wird, hat sich von seinen exotischeren Engagements in den Emerging Markets verabschiedet und den Schwerpunkt auf Kontinentaleuropa verlegt. Der jüngste Zukauf verspricht Synergien – kein schlechter Start.Bei seinem ersten Auftritt als designierter Vodafone-Chef hatte sich Colao, der über die italienische Mannesmann-Tochter Omnitel ins Unternehmen gekommen war, noch eher wortkarg präsentiert (vgl. BZ vom 28.5.2008). Bella FiguraDer ehemalige McKinsey-Berater, der an der renommierten Bocconi-Universität von Mailand und der Harvard Business School studiert hat, zeigte sich allerdings schnell wesentlich eloquenter. Vor allem gegen den meist teutonisch-hölzern wirkenden Telekom-Chef Timotheus Höttges machte er dabei immer wieder eine gute Figur. Als eine seiner “italienischen” Eigenschaften nannte er einmal die Fähigkeit, selbst in den dunkelsten Momenten noch über alles Witze machen zu können. Zuletzt konnte Colao punkten, als sich der Rivale lautstark über die Zusammenführung des zerschlagenen Kabelnetzes der Deutschen Post in den Händen von Vodafone beklagte – eine Folge des Milliardendeals mit Liberty Global.Zu Omnitel Pronto Italia war Colao nach rund zehn Jahren bei McKinsey gekommen. Zum Chef von Vodafone Italien wurde er 1999 berufen, zwei Jahre später übernahm er im Konzern die regionale Verantwortung für Südeuropa. Mitglied des Board wurde Colao 2002. Er wurde damals als möglicher Nachfolger von CEO Christopher Gent gehandelt. Stattdessen wurde 2003 Arun Sarin zum Konzernchef befördert, mit dem Colao angeblich befreundet war. Er verließ das Unternehmen und ging als Chief Executive zum führenden italienischen Verlagskonzern RCS (Rizzoli Corriere della Sera Mediagroup), in dem unter anderem die “Gazzetta dello Sport” erscheint. IntermezzoNach Auseinandersetzungen mit den Anteilseignern über die Unternehmensstrategie kehrte Colao im Oktober 2006 zu Vodafone zurück, um Europachef und stellvertretender Chief Executive zu werden. Es war Medienberichten zufolge nicht die einzige Option, die ihm offengestanden hätte: Italienische Medien berichteten im Jahr darauf, Colao habe den Job als Chef von Telecom Italia abgelehnt. Schon bei seiner Rückkehr wurde spekuliert, dass die Tage von Sarin an der Konzernspitze gezählt seien. Es sollte aber noch zwei Jahre dauern, bis Colao als sein Nachfolger nominiert wurde.Colao sitzt im International Advisory Board der Bocconi-Universität und gehört dem Lenkungsgremium des European Round Table of Industrialists an. Im Juli 2015 wurde er Mitglied des Board von Unilever. Vielleicht radelt er künftig häufiger durch den Richmond Park, in dem er früher gerne unterwegs war. Auch Della Valle kam von der Bocconi-Universität zu Omnitel Pronto Italia. Sie sitzt zudem im Board des britischen Energieversorgers Centrica, der Muttergesellschaft von British Gas.