Köpfe des JahresClaudia Buch

Vorsichtige Kontrolleurin an der Spitze der EZB-Bankenaufsicht

Die neue Chefin der EZB-Bankenaufsicht, Claudia Buch, fällt durch eine vorsichtige Wortwahl auf. Das passt zu ihrem Rollenverständnis.

Vorsichtige Kontrolleurin an der Spitze der EZB-Bankenaufsicht

Vorsichtige Bankkontrolleurin

Bisherige Bundesbank-Vizepräsidentin und künftige Vorsitzende der EZB-Bankenaufsicht

Claudia Buch

Droht Deutschlands Banken ein Einbruch des Zinsüberschusses? Die Bundesbank prognostiziert im Finanzstabilitätsbericht, dass auf die jüngste Bonanza der Bankerträge ein tiefer Fall folgt. Doch die bisherige Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch will sich diese Aussicht nicht ganz zu eigen machen. „Wir denken ja, wenn wir über Finanzstabilität nachdenken, immer in adversen und negativen Szenarien“, relativierte sie das Vorgehen Ende November.

Die neue Chefin der EZB-Bankenaufsicht weiß: Eine Modellrechnung, die für die Kreditwirtschaft einen dramatischen Rückgang der Erträge vorhersagt, kann ein Volkswirt der Bundesbank aufstellen. Doch aus dem Mund einer Finanzaufseherin hätte diese Prognose eine andere Fallhöhe. Wie andere Aufseher mit Rang und Namen mahnt und warnt sie, meidet aber jedes Wort, das Panik auslösen könnte.

Enria spricht mit loser Zunge

Ihr Vorgänger Andrea Enria, der die Führung des Single Supervisory Mechanism (SSM) abgibt, redet hingegen auffällig locker daher. „Wenn du die Einlagen von den Banken abfließen siehst, drehst du als Aufseher durch“, sagte er Anfang Dezember auf einer EZB-Konferenz. Ein Aufseher, der durchdreht? Das kann nur jemand sagen, der ohnehin bald geht. Buch muss als Neue im Amt mehr Ruhe verkörpern. Strenge im Umgang mit Banken, aber auch Zuversicht und Zurückhaltung zählen zum Knigge der Finanzaufsicht.

Vorsichtig agierte Buch, Jahrgang 1966, auch im September im EU-Parlament, nachdem der EZB-Rat die deutsche Volkswirtin wenige Tage zuvor nominiert hatte. Denn einige Parlamentarier im Wirtschafts- und Währungsausschuss (Econ) stießen sich an der Personalie. Die zuständigen Koordinatoren hatten sich zuvor in einem Brief für Margarita Delgado ausgesprochen, Vizegouverneurin der spanischen Notenbank. Nun aber folgt nach der Französin Danièle Nouy und dem Italiener Enria erstmals eine Deutsche auf die Chefposition der Bankenaufsicht.

Lieber über den Lebenslauf sprechen

Buch blieb in der Anhörung diplomatisch. Auf das Verfahren zur Nominierung habe sie keinen Einfluss. Die Wirtschaftsprofessorin zählte lieber ihre Erfahrung auf. Bereits seit 2014 ist sie Vizepräsidentin der Bundesbank, seit April 2023 sitzt sie im EZB-Aufsichtsgremium, das sie fortan leiten wird. Hinzu kommt das übliche Potpourri an Gremien, in denen sich hochrangige Experten und Aufseher tummeln: Mitgliedschaft im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Vorsitz eines Statistikkomitees in der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Vizevorsitz in einem technischen Beratungskomitee im Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB), Mitglied in einem Gremium der OECD und so weiter, und so fort.

Ihre Rolle als Begleitperson von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel im EZB-Rat hat sie bereits im September abgegeben. Geldpolitik und Bankaufsicht wollen schließlich getrennt sein. Auch darüber hinaus gilt: Wer in Negativszenarien denkt, ist ein umsichtiger Mensch. Europas neue Chefaufseherin wird jedes Wort mit Bedacht wählen.

Wir denken ja, wenn wir über Finanzstabilität nachdenken, immer in adversen und negativen Szenarien.

Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch
Jan Schrader, Frankfurt
jsc Frankfurt