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Was "Car Guy" Michael Macht an Gabelstaplern findet

Von Daniel Schauber, Frankfurt Börsen-Zeitung, 9.5.2019 Der einstige Porsche-Chef Michael Macht (58) wird heute, wenn alles nach Plan läuft, den Aufsichtsratsvorsitz bei Kion übernehmen. Er will dabei ein durchaus aktiver Aufsichtsratschef sein und...

Was "Car Guy" Michael Macht an Gabelstaplern findet

Von Daniel Schauber, FrankfurtDer einstige Porsche-Chef Michael Macht (58) wird heute, wenn alles nach Plan läuft, den Aufsichtsratsvorsitz bei Kion übernehmen. Er will dabei ein durchaus aktiver Aufsichtsratschef sein und setzt zugleich auf Kontinuität bei dem Gabelstaplerhersteller, wie Macht im Gespräch mit der Börsen-Zeitung unmittelbar vor seiner geplanten Ernennung durchblicken lässt. “Ich will den Weg, den Kion eingeschlagen hat, weiter fortführen und die Strategie ,Kion 2027′, die jetzt schon greift, weiter absichern”, sagt er. Zeichen setzen wolle er unter anderem bei den Themen Effizienz und Zukunftsmärkte. Design von PorscheWas ihn an dem neuen Posten reizt? “Produktion und Logistik sind das Hauptelement meiner beruflichen Karriere”, sagt Macht. “Der gesamte logistische Prozess, Supply-Chain-Management und Intralogistik haben mich mein ganzes Leben lang begeistert.” Die Systeme, die er früher genutzt habe, um Autofabriken effizienter zu machen, lerne er jetzt von der anderen Seite kennen. Porsche habe viele Linde-Produkte gehabt, sagt Macht. Der legendäre Sportwagenhersteller entwickle seit den 80er Jahren sogar das Design von Linde-Gabelstaplern. “Daher gab es schon immer eine Beziehung von Linde zu Porsche.” In seiner Zeit bei Porsche Consulting hat der Topmanager auch direkt mit Linde in der frühen Phase der 90er Jahre zusammengearbeitet.Macht ist ein “Car Guy” und mag alles, was vier Räder hat. Diese Liebe erstreckt sich nun auch auf Gabelstapler aus dem Hause Kion, das unter anderem mit den Marken Linde, Still oder Baoli unterwegs ist. Mit der Übernahme der Ex-Mannesmann-Tochter Dematic 2016 für 3,2 Mrd. Dollar hat Kion, die inzwischen mehrere Hundert Softwareingenieure beschäftigt, eine neue Stoßrichtung und will die voll automatisierte Lagerhaltung weiter vorantreiben.Der Kauf von Dematic habe Kion in die Position versetzt, ein Vollsortimenter zu sein, “also ein Anbieter, der Logistik vom einfachen Gabelstapler bis zu komplexen Systemlösungen mit Software für E-Commerce darstellen kann”, wie Macht sagt. Vollautomatisierte Lager, wie sie etwa Amazon, Alibaba oder Wal-Mart betreiben, werden so möglich. Mit Dematic sieht Macht Kion als Weltmarktführer für automatisierte Lagersysteme. Der neue oberste Kontrolleur des mit 7,2 Mrd. Euro bewerteten MDax-Konzerns wird in dem Rat Seite an Seite sitzen mit Tan Xuguang (58 ), Chairman des chinesischen Großaktionärs Weichai Power, der 45 % des Kapitals hält. Gemeinsam werden sie dem Management um CEO Gordon Riske auf die Finger schauen. Tan Xuguang, Riske und Macht kennen sich gut. Der künftige Kion-Aufsichtsratschef, der seit Oktober 2018 im Kion-Aufsichtsrat ist, sitzt seit 2018 auch als nichtexekutiver Direktor im Board von Weichai. Kion-CEO Riske gehört dem Weichai-Board bereits seit Juni 2013 an.Entsteht dadurch nicht zu viel Nähe, die einer effizienten Kontrolle abträglich ist? “Nein”, sagt Macht. “Nähe bedeutet ja nicht, dass sie zwangsläufig dazu führt, dass man sich gegenseitig einen Gefallen tut. Als Aufsichtsräte haben wir die Funktion, dass wir das Management beraten und kontrollieren, und das werden wir mit der nötigen Professionalität und der nötigen Distanz auch tun.” Auch wenn der Aufsichtsrat nur bedingt für die Strategie des Unternehmens zuständig sei, “wir haben natürlich ein Auge darauf”, sagt Macht. Kritische Fragen stellen, eigene Erfahrungen einbringen, Impulse geben – so sieht er seine Rolle bei Kion. Dass es ein Vertrauensverhältnis gebe zwischen Gordon Riske, Tan Xuguang und ihm, sieht er als eine “gute Voraussetzung für die Zusammenarbeit”. Keineswegs bedeute es, dass kritische Angelegenheiten nicht mehr hart hinterfragt würden.Macht kennt zugleich die Besonderheiten und Unterschiede der deutschen und der chinesischen Governance, und mit Geschick in alle Richtungen zu vermitteln gehört schließlich zu den Kernaufgaben eines Aufsichtsratschefs. Bis 2014 saß Macht in den Aufsichtsräten der beiden chinesischen VW-Joint-Ventures mit den Autobauern FAW und SAIC und weiß aus erster Hand, dass Chinesen Entscheidungen in anderen Prozessen treffen als Deutsche. “Chinesen diskutieren eine Sache gern auch viermal”, sagt er. “Die schnelle Entscheidungsfindung ist in Asien nicht so verbreitet wie bei uns. In Deutschland entscheidet man schnell, wenn es eine klare Konklusion gibt. In China fliegt man gern ein oder zwei Runden mehr.”In Japan hat er ähnliche Erfahrungen gemacht. “Wenn man mit Asiaten bestimmte Dinge entscheidet, dann dauert das lange, aber das Ergebnis ist in der Regel sehr verlässlich. Dagegen wird in der westlichen Welt schneller geschossen und dann schnell auch wieder in eine andere Richtung, wenn man zu anderer Erkenntnis kommt.” Dass Kion mit Weichai im Rücken einen verlässlichen, langfristig denkenden Ankeraktionär hat, der Schutz vor kurzfristig orientierten aktivistischen Anlegern bietet, sieht er als durchweg positiv an. Rechte Hand von WiedekingGleichzeitig kennt der gebürtige Stuttgarter die Herausforderungen, vor denen börsennotierte Konzerne mit dominantem Großaktionär stehen. Der gelernte Maschinenbauingenieur war von 1990 bis 2014 für Porsche bzw. VW tätig und galt einst als die “rechte Hand” von Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Im Jahr 2009 wurde er dessen Nachfolger an der Porsche-Spitze, ging aber bereits gut ein Jahr später als Konzernproduktionsvorstand zu Volkswagen und übergab bei Porsche an Matthias Müller. Als er 2014 bei VW als Produktionsvorstand in “gegenseitigem Einvernehmen” ausschied, war es ein eher kühler Abschied. Das war lange bevor der Dieselskandal bekannt wurde. Näher kommentieren möchte Macht das Thema nicht. Er habe keinerlei Kenntnis davon gehabt, sagt er, aber im Gespräch mit ihm ist zu spüren, dass ihn der große Skandal seines früheren Arbeitgebers alles andere als kaltlässt.Bei Kion, da ist er zuversichtlich, funktionieren die internen Kontrollsysteme, die unter den ehemaligen Private-Equity-Investoren und beim Börsengang weiter verfeinert wurden. “Was Kion heute in der Compliance vorzuweisen hat, ist Best Practice”, sagt Macht.Den Kion-Chefkontrolleursposten übernimmt Macht von Dr. John Feldmann (70), der von 2000 bis 2011 dem Vorstand von BASF angehörte und seit 2011 Aufsichtsratschef von Kion war. Damals war Kion noch in den Händen von Goldman Sachs und KKR. Diese hatten den Maschinenbauer 2006 dem Linde-Konzern abgekauft. In Feldmanns Zeit fiel der Börsengang 2013. Alexander Dibelius, der bis 2015 bei Goldman Sachs war, sitzt heute noch im hochkarätig besetzten Kion-Aufsichtsrat, dem auf der Kapitalseite auch Ex-EADS-Finanzchef Hans Peter Ring sowie drei Frauen angehören: Ex-Ford-Topmanagerin Birgit Behrendt, Airbus-Managerin Dr. Christina Reuter (Jahrgang 1985) sowie Xu Ping, Seniorpartnerin bei King & Wood Mallesons in Peking. Zusammen mit Tan Xuguang und Jiang Kui, President von Shandong Heavy Industry, sitzen drei Chinesen im 16-köpfigen Kion-Aufsichtsrat.Ein Szenario, nach dem Großaktionär Weichai, der selbst börsennotiert ist, Kion voll übernehmen könnte, hält Macht für unrealistisch. Weichai könne Kion bereits mit ihrem 45-Prozent-Anteil voll konsolidieren. “Zudem profitiert der Großaktionär davon, wenn Kion als starkes deutsches börsennotiertes MDax-Unternehmen erhalten bleibt”, sagt Macht.