Xavier Niel, der Aufmischer
Von Gesche Wüpper, Paris
Er galt lange Zeit als Enfant terrible, als Unruhestifter. Noch immer mischt Xavier Niel gerne die französische Unternehmenslandschaft auf. Doch aus dem einstigen Rebell, der das Establishment gerne mal provozierte, sei inzwischen ein braver Bürger geworden, monieren einige Medien. Immerhin ist der 53-jährige Großaktionär des Telekomanbieters Free (Iliad) der Schwiegersohn von LVMH-Chef Bernard Arnault, mit dessen Tochter Delphine er im edlen, aber etwas spießigen 16. Arrondissement in einem Nachbau des zum Schloss von Versailles gehörenden Petit Trianons lebt.
Geschäftlich ist Niel jedoch so umtriebig wie eh und je. Gerade ist der Geschäftsmann, der laut dem Wirtschaftsmagazin „Challenges“ mit einem auf 9 Mrd. Euro geschätzten Vermögen der neuntreichste Franzose ist, zum Hauptaktionär des Einkaufszentren-Betreibers Unibail-Rodamco-Westfield (URW) aufgestiegen. Er hält nach Angaben der französischen Börsenaufsicht Autorités des Marchés Financiers (AMF) 11,4% des Kapitals. Ihr gegenüber hat er angegeben, zwar je nach Marktbedingungen weiter URW-Aktien erwerben, aber nicht die Kontrolle über den Konzern übernehmen zu wollen.
Niel, der in normalen Zeiten in Paris weilende Investoren gerne mal persönlich zu ungewöhnlichen Orten in der Hauptstadt führt, soll nun auch ein Auge auf M6 geworfen haben, die französische TV-Tochter von Bertelsmann. Der Iliad-Gründer könnte sich dafür laut Informationen des Magazins „Marianne“ mit seinem Schwager Antoine Arnault verbünden. Der Telekomanbieter Altice, der Fernsehsender TF1, die Gruppe CMI France von Daniel Kretinsky und Vivendi sollen sich ebenfalls für die M6-Gruppe interessieren. Niels Schwiegerfamilie kennt sie gut, denn Bernard Arnault gehörte dem Aufsichtsrat von 2004 bis 2008 an. Danach saß Niels Frau Delphine bis 2018 im Kontrollgremium der Gruppe.
Erfinder schon in der Jugend
Im Gegensatz zu seinem Schwiegervater und anderen französischen Wirtschaftsgrößen hat der im südöstlich von Paris gelegenen Créteil geborene Niel nicht an einer Kaderschmiede studiert. Dafür hat er sich bereits als Gymnasiast als Erfinder hervorgetan. So experimentierte er zu Beginn der achtziger Jahre mit dem Minitel, einem französischen Online-Dienst, der mit dem deutschen Bildschirmtext vergleichbar war. Mit nur 16 Jahren entwickelte er das sogenannte Minitel Rose, wie Sex-Dienste bei dem Internetvorgänger in Frankreich hießen, und legte damit den Grundstein für sein Vermögen. Zu Beginn der 90er dann übernahm Niel erst die Firma Fermic Multimedia und benannte sie in Iliad um und gründete dann Worldnet, den ersten französischen Internetanbieter. Mit seiner Freebox und schließlich als vierter Mobilfunkanbieter wirbelte er ab 2002 die Telekombranche in Frankreich mit günstigen Angeboten durcheinander. Der Autodidakt versucht auch, junge Menschen zu fördern. Deshalb lancierte er erst mit Jacques-Antoine Granjon von Vente-Privée.com und Meetic-Gründer Marc Simoncinie eine Schule für Tätigkeiten rund ums Internet, dann die Ecole 42. Station F, der nach eigenen Angaben weltgrößte Start-up-Campus in Paris, geht ebenfalls auf seine Initiative zurück.
Niel, der auch die Rechte des 1978 verstorbenen Sängers Claude François besitzt, investierte zudem 2010 zusammen mit Pierre Bergé und Mathieu Pigasse in die Tageszeitung „Le Monde“ und später in das Nachrichtenmagazin “Le Nouvel Observateur“. Neben anderen Medien kaufte er dann letztes Jahr mit seiner eigenen Holding die Zeitungsgruppen Nice Matin und France-Antilles. Nur einmal bewies Niel kein glückliches Händchen. So investierte er in Peep-Shows, weshalb er 2004 der Zuhälterei verdächtigt wurde und einen Monat in Untersuchungshaft verbringen musste. Niel wurde im Zusammenhang damit 2006 zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt.