GastbeitragJunge Unternehmen

Erschwernisse für die Finanzierung von Start-ups durch Wandeldarlehen

Start-ups beschaffen sich in Frühphasen oder zwischen Eigenkapitalfinanzierungsrunden kurzfristig Liquidität über Wandeldarlehen. Dies wird durch gerichtliche Entscheidungen künftig erschwert.

Erschwernisse für die Finanzierung von Start-ups durch Wandeldarlehen

Erschwernisse für die Finanzierung von Start-ups durch Wandeldarlehen

Gerichtsentscheidungen mit erheblichen Konsequenzen für junge Unternehmen

Von Natalie Hsiao und Thomas Raabe*)

Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hatte sich in einer für den deutschen Venture-Capital(VC)- Markt aufsehenerregenden Entscheidung im Jahr 2022 über zwei ungeklärte Rechtsfragen in Bezug auf die Form von Wandeldarlehen geäußert und eine Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) nicht zugelassen. Die Entscheidung wurde viel kritisiert und die Parteien legten beim BGH Beschwerde ein, der diese ablehnte. Auch wenn der BGH-Beschluss vom 25.4.2023-II ZR 96/22 auf den ersten Blick unspektakulär klingt, so hat er doch erhebliche Konsequenzen.

Wandeldarlehen sind im VC-Bereich beliebte Finanzierungsinstrumente und zeichnen sich dadurch aus, dass der Darlehensgeber – je nach Ausgestaltung – das Recht oder auch die Pflicht hat, seinen Rückzahlungsanspruch in eine Beteiligung am Darlehensnehmer umzuwandeln. Start-ups beschaffen sich hierdurch in Frühphasen oder zwischen Eigenkapitalfinanzierungsrunden kurzfristig Liquidität. Dies wird durch die Entscheidungen künftig erschwert.

Fragliche Aussagen des OLG

Die erste These des OLG ist, dass ein Darlehensvertrag, der eine Wandlungspflicht des (gesellschaftsfremden) Darlehensgebers enthält, notariell zu beurkunden sei. Beglaubigt werden muss nach § 55 Absatz 1 GmbH-Gesetz (GmbHG) die Erklärung, nach einer Kapitalerhöhung die neuen Geschäftsanteile zu übernehmen. Das OLG verwechselt offenbar die Beurkundung, also die Verlesung des gesamten Vertrages durch den Notar, mit der im Gesetz geforderten Beglaubigung, also der Bestätigung der Echtheit einer Unterschrift durch Identitätsprüfung. Zudem meint das OLG, dass schon die reine Pflicht, Anteile zu übernehmen, beurkundet werden müsse und nicht erst die Umsetzung dieser Pflicht durch die Übernahmeerklärung.

Diese vorverlagernde Gesetzesauslegung ist bereits fragwürdig. Denn die Beglaubigung der Übernahmeerklärung dient der Aufklärung des Rechtsverkehrs über die Kapitalausstattung der GmbH. Doch diese wird durch die bloße Pflicht zur künftigen Übernahme von Anteilen nicht berührt.

Keine Warnfunktion

Würde die Formvorschrift der Warnung und Aufklärung des Anteilsübernehmers dienen, könnte sie unter Umständen auf die Pflicht zur Anteilsübernahme erstreckt werden. Eine Warnfunktion hat die Beglaubigungspflicht nach der Rechtsprechung aber nicht.

Zweifelhaft ist auch die zweite Aussage des Oberlandesgerichts, nach der „vieles dafür“ spricht, dass ein Darlehensvertrag mit Wandlungspflicht nach § 53 Absatz 2 GmbHG zu beurkunden sei. Nach dieser Norm müssen satzungsändernde Gesellschafterbeschlüsse, wie etwa für eine Kapitalerhöhung, notariell beurkundet werden. Wenn sich also die Gesellschafter dazu verpflichten, künftig das Stammkapital zu erhöhen, damit das Darlehen in Geschäftsanteile gewandelt werden kann, soll der Darlehensvertrag selbst beurkundungspflichtig sein.

Folgen für die Praxis

Das wäre folgerichtig, beträfe die Pflicht zur Kapitalerhöhung die Gesellschafter. Sofern aber nicht sämtliche Gesellschafter Partei des Darlehensvertrags werden, etwa weil nur ein Gesellschafter oder gar ein gesellschaftsfremder Dritter das Darlehen ausgibt, regelt der Vertrag auch keine Gesellschafterpflicht zur Kapitalerhöhung. Die Pflicht trifft dann je nach Fallgestaltung höchstens den darlehensgebenden Gesellschafter, ansonsten nur die GmbH als Darlehensnehmerin, die für die Umsetzung der Wandlung verantwortlich ist. Die GmbH selbst wird jedoch durch die Geschäftsführung vertreten, ein Organ, das für Kapitalerhöhungen nicht zuständig ist.

Folgt man den Ausführungen des OLG, muss beim Abschluss von GmbH-Wandeldarlehensverträgen nunmehr regelmäßig ein Notar einbezogen werden. Dabei machte aber gerade der Umstand, dass Wandeldarlehen nach bislang überwiegender Auffassung formfrei waren, diese so attraktiv. Unternehmen, die typischerweise nicht die Kriterien für Bankfinanzierungen erfüllen, konnten sich dadurch bei geringem Dokumentations- und Kostenaufwand finanzieren. Steigt infolge des Urteils nun der notarbedingte Aufwand für Transaktionskosten und -dauer, schwinden die Vorteile im Verhältnis zu einer echten, stets beurkundungspflichtigen Eigenkapitalfinanzierung.

Kritik vom Bundesgerichtshof

Der BGH wies die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das OLG mangels Vorliegens der Revisionsvoraussetzungen zurück. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich der BGH dennoch ohne Not herausnimmt, das OLG zu kritisieren. Er stellt der Auffassung des OLG nicht nur die in der juristischen Literatur überwiegend vertretene Gegenauffassung gegenüber und belegt diese mit elf Fundstellen. Sondern er merkt auch an, dass das OLG zur Unterstützung seiner Rechtsauffassung fälschlicherweise ein Urteil des OLG München zitiere, das eine solche Rechtsauffassung überhaupt nicht hergebe – eine deutliche Abfuhr. Dennoch ist das OLG-Urteil nun rechtskräftig und Start-ups ist dringend zu empfehlen, die für anwendbar erklärten Formerfordernisse zu beachten.

Natalie Hsiao

ist Partnerin der Wirtschaftskanzlei Greenberg Traurig.

Thomas Raabe

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Greenberg Traurig.

*) Natalie Hsiao ist Partnerin und Thomas Raabe wissenschaftlicher Mitarbeiter der Wirtschaftskanzlei Greenberg Traurig.

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