Recht und KapitalmarktEU-Richtlinienentwurf

EU-Kommission verstärkt Kampf gegen Greenwashing

Die EU-Kommission hat ihre Green-Claims-Richtlinie auf den Weg gebracht. Verbraucher sollen mehr Klarheit und Sicherheit erhalten, dass etwas, das als umweltfreundlich verkauft wird, tatsächlich umweltfreundlich ist.

EU-Kommission verstärkt Kampf gegen Greenwashing

EU-Kommission verstärkt Kampf gegen Greenwashing

Neue Richtlinie soll Umweltversprechen auf Produkten regulieren – Zertifizierung und Überwachung auf Ebene der Mitgliedstaaten

Von Felix Dobiosch und Julius Fabian Stehl *)

Am 23. März 2023 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Richtlinie über umweltbezogene Aussagen („Green Claims“) vorgelegt. Der Entwurf enthält umfassende Pflichten für Unternehmen, die ihre Produkte mit umweltbezogenen Angaben bewerben. Hierdurch sollen Verbraucher größere Klarheit erhalten, dass etwas, das als umweltfreundlich verkauft wird, auch tatsächlich umweltfreundlich ist. Erklärtes Ziel der Kommission ist es, Verbraucher vor „Greenwashing“ zu schützen und für Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

CO2-neutral, nachhaltig, umweltfreundlich: In Anbetracht des wachsenden Umweltbewusstseins der Verbraucher (94% der Europäer geben in Befragungen an, dass ihnen Umweltschutz persönlich wichtig ist) werben immer mehr Unternehmen freiwillig mit solchen umweltbezogenen Aussagen für ihre Produkte und Dienstleistungen.

Einheitliche Standards

Einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 zufolge wurden jedoch mehr als die Hälfte der untersuchten Behauptungen als vage, irreführend oder unfundiert beurteilt. 40% der geprüften „Green Claims“ seien gar nicht belegt gewesen. Dies begünstigt nach Auffassung der Kommission sogenanntes Greenwashing, benachteilige tatsächlich nachhaltige Unternehmen und führe zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen. Diesen Missständen soll nun mit verbindlichen Regeln für umweltbezogene Angaben entgegengetreten werden.

Der Vorstoß der Kommission ist Bestandteil des europäischen Green Deals, mit dem sich die EU zum Ziel gesetzt hat, der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Er soll die im vergangenen Jahr vorgeschlagene „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ ergänzen, mit welcher unter anderem die Verwendung bestimmter Umweltaussagen und Nachhaltigkeitssiegel verboten werden soll.

Mit dem jüngsten Richtlinienvorschlag sollen nun europaweit einheitliche Standards sowohl für die Informationspflichten im Zusammenhang mit Umweltangaben als auch für deren Nachweisbarkeit geschaffen werden. Schon jetzt lässt sich sagen, dass diese Standards teils deutlich über bisher in der deutschen Rechtsprechung etablierte Anforderungen hinausgehen.

Mindestkriterien

So sollen umweltbezogene Aussagen künftig auf einer Bewertung basieren müssen, die eine Reihe von Mindestkriterien erfüllt. Hierzu zählt etwa die Vorgabe, dass Umweltangaben durch anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse nachzuweisen sind und einen sogenannten Lebenszyklusansatz verfolgen, d. h. den gesamten Zeitraum von der Beschaffung des Rohstoffs bis zum Ende der Lebensdauer des Produkts berücksichtigen.

Wird mit Treibhausgasneutralität geworben, sind zusätzliche Angaben dazu erforderlich, ob und inwieweit diese durch eine Vermeidung bzw. Reduzierung von Emissionen oder lediglich durch Kompensation (z. B. Wiederaufforstungsprojekte) erreicht wurde. Enthält eine Umweltaussage einen Vergleich mit anderen Produkten, soll dies nur zulässig sein, wenn die entsprechende Beurteilung auf der Grundlage gleichwertiger Informationen und Daten beruht.

Regulierung von Umweltzeichen

Ferner sieht der Vorschlag vor, dass Verbrauchern weiterführende Informationen zu umweltbezogenen Angaben zusammen mit dem vertriebenen Produkt zur Verfügung zu stellen sind. Dies kann physisch oder im Wege eines Internetverweises (z. B. mittels QR-Code) erfolgen. Unternehmen werden also ihre Produktverpackungen entsprechend anzupassen haben. Abhängig vom jeweiligen Produkt können auch Mitteilungen erforderlich sein, wie das Produkt zu verwenden ist, um die beworbene Umweltwirkung zu erzielen.

Beabsichtigt ist zudem die Regulierung von Umweltzeichen. Derzeit gibt es mehr als 230 aktive Umweltzeichen, von denen nach Angaben der Kommission fast die Hälfte nicht oder unzureichend überprüft sind. Auch sei Verbrauchern häufig nicht bewusst, dass es einen Unterschied gebe zwischen Labels externer Zertifizierungsstellen und aus reiner „Selbstzertifizierung“.

Umweltzeichen sollen daher künftig weitreichenden Transparenzanforderungen unterliegen, etwa im Hinblick auf ihre jeweiligen Kriterien und das Verfahren ihrer Überwachung. Neue öffentliche Kennzeichnungssysteme dürfen nur noch zugelassen werden, wenn sie auf EU-Ebene entwickelt wurden. Für neue, vorab von den Mitgliedstaaten zu genehmigende private Systeme wird nachzuweisen sein, dass sie im Verhältnis zu bestehenden Systemen zusätzlichen Nutzen bieten.

Für die Überprüfung und Zertifizierung von umweltbezogener Werbung und Umweltzeichen soll eine unabhängige, akkreditierte Prüfstelle zuständig sein, die auf Ebene der Mitgliedstaaten einzurichten ist. Weiter haben die Mitgliedstaaten eine für die Durchsetzung und Überwachung der Richtlinienvorgaben zuständige Behörde zu benennen, die mit weitreichenden Befugnissen auszustatten ist und deren Entscheidungen gerichtlich überprüfbar sein müssen.

Schließlich haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Verstöße gegen Vorgaben der Richtlinien angemessen und effektiv sanktioniert werden. Das Instrumentarium möglicher Sanktionen umfasst die Einziehung von Einnahmen sowie den zeitweisen Ausschluss von öffentlichen Fördergeldern und Vergabeverfahren. Ferner sind Bußgelder vorzusehen, deren Höhe abschreckend zu sein hat und die in bestimmten Konstellationen mindestens 4% des Jahresumsatzes betragen müssen.

Möglichkeit von Sammelklagen

Um Kollektivinteressen von Verbrauchern zu schützen, sieht der Kommissionsvorschlag zudem vor, die neuen Vorgaben für umweltbezogene Angaben und Umweltzeichen in den Anwendungsbereich der Verbandsklagerichtlinie aufzunehmen. Dies würde Verbraucherschutzorganisationen erlauben, Sammelklagen gegen Unternehmen zu erheben, die ihrer Ansicht nach die Anforderungen an die Substanziierung von Umweltaussagen nicht erfüllen.

Damit werden die Klagemöglichkeiten von Verbänden erweitert, denen als Vehikel bislang in erster Linie wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklagen zur Verfügung stehen, um z. B. die Beseitigung oder Unterlassung irreführender Werbung zu erreichen. Künftig bestünde dann etwa auch die Möglichkeit, auf Schadenersatz zu klagen. Unter Berücksichtigung der zahlreichen ESG-Initiativen auf europäischer Ebene (wie etwa der EU-Lieferkettenrichtlinie) steht daher insgesamt zu erwarten, dass die prozessuale Durchsetzung nachhaltigkeitsbezogener Rechte weiter deutlich zunehmen wird.

Der Vorschlag der Kommission steht in einer Reihe mit einer Vielzahl jüngster gesetzgeberischer und regulatorischer Bemühungen, Greenwashing entgegenzutreten. So hat etwa die Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde des Vereinigten Königreichs bereits Ende 2021 einen „Green Claims Code“ veröffentlicht, der Unternehmen Leitlinien für Anforderungen an umweltbezogene Aussagen über ihre Waren und Dienstleistungen vorgibt. Verglichen hiermit geht der Kommissionsvorschlag deutlich weiter, indem er genaue Vorgaben für den Nachweis und die Einhaltung von Green Claims festlegt.

Noch ein weiter Weg

Auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat kürzlich ein Konsultationspapier zu Leitlinien für Fondsnamen veröffentlicht, die ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe enthalten. Darüber hinaus hat sich die EU jüngst auf einen „European Green Bond Standard“ geeinigt, der mit der EU-Taxonomie verknüpft ist.

Der Richtlinienvorschlag muss nun vom EU-Parlament und -Rat gebilligt werden, bevor eine Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten anstünde. Wie die verspätete Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie in Deutschland zeigt, kann es hier zu erheblichen Verzögerungen kommen. Obgleich es also bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen noch ein weiter Weg ist, sollten Unternehmen die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen und frühzeitig notwendige Vorsorgemaßnahmen ergreifen.

Realitätscheck

Vor dem Hintergrund der aktuellen Klagewelle ist Unternehmen bereits jetzt zu raten, grüne Marketingaussagen einem Realitätscheck zu unterziehen, um nicht unbeabsichtigt ein möglicherweise zu ambitioniertes oder ungenaues Bild der eigenen Klimaschutzbemühungen zu zeichnen und damit das Ziel einer Unterlassungsklage zu werden.

*) Felix Dobiosch und Julius Fabian Stehl sind Senior Associates von Hogan Lovells in Düsseldorf.

Felix Dobiosch

ist Rechtsanwalt und Senior Associate von Hogan Lovells in Düsseldorf.

Julius Fabian Stehl

ist Rechtsanwalt und Senior Associate von Hogan Lovells in Düsseldorf.

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