Anlegerschutz

Haftungs­risiko in der Schwarm­finanzierung

Strengere Haftungsregelungen im Crowdfunding schaffen Rechtsunsicherheiten und können den deutschen Finanzplatz schwächen.

Haftungs­risiko in der Schwarm­finanzierung

Von Simon Grieser und

Anselm Reinertshofer *)

Die Schwarmfinanzierung bildet eine essenzielle Ergänzung zu traditionellen Unternehmensfinanzierungen, insbesondere für neu gegründete Unternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen. Im November 2020 wurden unterschiedliche nationale Handhabungen der Schwarmfinanzierung durch die EU-Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister (ECSP-VO) harmonisiert. Ziel ist es, grenzüberschreitende Schwarmfinanzierungsdienstleistungen zu fördern. Gleichzeitig wird aber auch den Emittenten die Pflicht auferlegt, ein prospektähnliches Anlagebasisinformationsblatt zu erstellen. Dabei werden die Mitgliedstaaten dazu angehalten, geeignete Haftungsregeln zu schaffen.

In Deutschland wurden diese EU-Vorgaben durch das Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz („SF-BG“) umgesetzt und weitergehend ausgeführt. Schon frühzeitig verwies der Bundesrat darauf, dass die Haftungsregelungen im Einklang mit den Regelungen des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) und dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) erfolgen sollen, dem bei der Umsetzung des SF-BG im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) jedoch nur begrenzt Beachtung geschenkt wurde, da der Gesetzgeber hinsichtlich der Haftungsverpflichteten von Parallelregelungen im WpPG und VermAnlG abweicht und strenge Besonderheiten schafft.

Letztlich wurde im deutschen Recht eine Situation geschaffen, die gegenüber den Vorgaben des EU-Rechts ausgeweitete Haftungsmaßstäbe begründen kann. Nun steht eine Angleichung zu diesen weitergehenden Haftungsmaßstäben im Raum, die im Folgenden näher erörtert werden. Ein verantwortlicher Projektträger haftet gegenüber Anlegern auf Schadenersatz für die Angabe von fehlenden, unkorrekten oder irreführenden Informationen im Anlagebasisinformationsblatt. Dies gilt gleichermaßen für den Schwarmfinanzierungsdienstleiter; insofern stehen die Regelungen im Einklang mit bisherigen prospekthaftungsrechtlichen Rahmenwerken.

Neues ergibt sich aus der persönlichen Haftung der Mitglieder des Leitungsorgans sowie der Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans, die in den durch das SF-BG neu geschaffenen Regelungen im WpHG Niederschlag gefunden haben.

Kritik besteht diesbezüglich insofern, dass in nach der ECSP-VO lediglich eine Sicherung einer Haftung des Projektträgers oder des jeweiligen Organs verlangt wurde. Die Umsetzung im WpHG erfolgte demgegenüber überschießend und strenger. Es wird befürchtet, dass sich in der Praxis große Skepsis über ein uferloses Haftungsrisiko ausbreiten wird und damit Standortnachteile für die Schwarmfinanzierung in Deutschland einhergehen. Zudem verfügen Organmitglieder meist nur über eine geringe Haftungsmasse, was durch erhöhte Versicherungsprämien ausgeglichen werden müsste. Dies führt letztlich zu einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung für Projektträger und Schwarmfinanzierungsdienstleister, was wohl dem eigentlichen durch Schwarmfinanzierungen angestrebten Kostenvorteil gegenüber traditionellen Finanzierungsformen zuwiderläuft.

Nach den neuen WpHG-Vorschriften haften die Verantwortlichen im obigen Sinne für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Entscheidend ist, dass die Haftung bereits bei leichter Fahrlässigkeit bestehen soll und damit von sonstigen spezialgesetzlichen Prospekthaftungsmaßstäben (z.B. des WpPG, VermAnlG oder KAGB) abweicht, nach denen eine entsprechende Haftung bei Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts oder der Unrichtigkeit der wesentlichen Anlegerinformationen nur besteht, sofern diese Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. Im Rahmen der neuen WpHG-Vorschriften hingegen wird den Haftungsverpflichteten die Exkulpationsmöglichkeit bei bloß auf leichter Fahrlässigkeit beruhender Unkenntnis genommen.

Durch die Neuregelung wird das Haftungsrisiko damit erheblich gesteigert, was auf Kritik stößt. Zwar stammt das Anlagebasisinformationsblatt aus der Sphäre der jeweiligen Haftungsverpflichteten, was unterstützend für den strengeren Maßstab sprechen und zudem zu einem verbesserten Anlegerschutz führen könnte. Dass dem bisher anerkannten kapitalmarktrechtlichen Haftungsmaßstab zur Prospekthaftung widersprochen wird, bringt jedoch erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich.

Gesteigertes Risiko

Es wird deutlich, dass die strengen Haftungsregelungen des WpHG Rechtsunsicherheiten und ein erheblich gesteigertes Haftungsrisiko mit sich bringen, was die Nutzung von Schwarmfinanzierungen im deutschen Raum unattraktiv werden lassen könnte und damit dem ursprünglichen Zweck der ECSP-VO nicht hinreichend entspricht. Der Reaktion des Bundesfinanzministeriums auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion ist zu entnehmen, dass eine Angleichung der Haftungsregelung dort derzeit in Prüfung ist. Ein mögliches Vorbild könnten die aufgezeigten Prospekthaftungsvorschriften darstellen. Es bleibt abzuwarten, ob und welche Änderungen letztendlich umgesetzt werden.

*) Dr. Simon G. Grieser ist Partner, Dr. Anselm Reinertshofer Rechtsanwalt bei der Kanzlei Reed Smith.

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