Recht und KapitalmarktSteuern

Millionärsfonds sind ins Zwielicht geraten

Die steuerliche Rechtsfrage, ob eine Fremdverwaltung Bedingung für die Anwendung des Investmentsteuergesetzes ist, ist bis heute nicht höchstrichterlich geklärt. Nun liegt ein Fall beim Bundesfinanzhof.

Millionärsfonds sind ins Zwielicht geraten

Millionärsfonds sind ins Zwielicht geraten

Mehrere Fahndungswellen von Ermittlungsbehörden – Bundesfinanzhof entscheidet über Inanspruchnahme steuerlicher Privilegierungen

Von Andreas Höpfner*)

Seit dem Jahr 2015 haben sogenannte Millionärsfonds bundesweit mediale Aufmerksamkeit erlangt. Bis 2017 gab es mehrere Fahndungswellen von Ermittlungsbehörden. Den deutschen Anlegern der meist luxemburgischen Spezial-Investmentfonds wurde vorgeworfen, Steuern hinterzogen zu haben. Die Anleger hätten zu Unrecht steuerliche Privilegierungen nach dem Investmentsteuergesetz in Anspruch genommen.

Voraussetzung dafür sei nämlich, dass die Fonds durch einen externen Fondsmanager und nicht durch die Anleger selbst verwaltet würden. Gegen diesen Grundsatz der Fremdverwaltung sollen die Anleger verstoßen haben, da die Verwaltung des Vermögens der Spezialfonds nur auf dem Papier auf einen Fondsmanager übertragen worden sei.

Grundsatz der Fremdverwaltung

Faktisch sei die Verwaltung hingegen bei den Anlegern verblieben. Steuerlich seien solche Vermögensanlagen daher zu behandeln wie eine Direktanlage über ein Depot des Anlegers, mit der Folge, dass alle Erträge direkt mit Zufluss dem Anleger zuzurechnen und von ihm zu versteuern sind. Regelmäßig ergibt sich so eine höhere Steuerlast.

Die meisten Strafverfahren wurden inzwischen eingestellt. Die steuerliche Rechtsfrage, ob eine Fremdverwaltung Bedingung für die Anwendung des Investmentsteuergesetzes ist, ist jedoch bis heute nicht höchstrichterlich geklärt. Der Entwurf eines Schreibens des Bundesfinanzministeriums aus 2016 ist nie offiziell veröffentlicht worden.

Mit einem am 27. Februar 2023 veröffentlichten Urteil hat das Finanzgericht Köln nun entschieden, dass die Fremdverwaltung keine Voraussetzung für die Anwendung des Investmentsteuergesetzes ist. Nach Auffassung des Finanzgerichts steht eine Einflussnahme des (im Streitfall: einzigen) Anlegers eines Spezial-Investmentfonds einer Anwendung des Investmentsteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung nicht entgegen. Damit sind die thesaurierten Gewinne steuerlich privilegiert. Eine direkte Zurechnung der Erträge beim Anleger findet nicht statt.

Soweit ersichtlich, hat damit erstmals ein Finanzgericht zur Frage der Notwendigkeit der Fremdverwaltung derartiger Investmentfonds Stellung bezogen.

Der Kläger zeichnete im Jahr 2007 Anteile an einem luxemburgischen Spezial-Investmentfonds (Fonds commun de placement, FCP). Der Fonds war von einer luxemburgischen Gesellschaft aufgelegt worden, die auch für die Verwaltung und Geschäftsleitung des Fonds verantwortlich war. Fondsmanager war eine luxemburgische Bank.

Tatsächlich konnte aber auch der Kläger Erwerbe oder Verkäufe für den Fonds anregen, wobei der Fondsmanager derartigen „Vorschlägen“ immer nachkam. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 machte der Kläger nach dem Investmentsteuergesetz privilegierte Kapitalerträge geltend und wurde zunächst erklärungsgemäß veranlagt.

Nach Bekanntwerden von Ermittlungsverfahren gegen Anleger von luxemburgischen Spezialfonds legte der Kläger im Jahr 2015 dem Finanzamt vorsorglich seine Einflussnahme auf die Investitionsentscheidungen für den Fonds offen. Ein zunächst gegen ihn eingeleitetes Steuerstrafverfahren wurde eingestellt.

Finanzgericht gibt Kläger recht

Das beklagte Finanzamt erließ allerdings 2018 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2011, in dem die Fondsgewinne steuerlich nicht mehr privilegiert behandelt, sondern wie bei einer Direktanlage unmittelbar dem Kläger zugerechnet wurden. Der Kläger habe durch seine „Anregungen“ die Verwaltung des Fonds faktisch übernommen.

Damit habe er gegen den Grundsatz der Fremdverwaltung verstoßen. Infolgedessen sei die Privilegierung nach dem Investmentsteuergesetz nicht anwendbar. Gegen diese steuerliche Behandlung wendete sich der Kläger mit der Klage. Das Finanzgericht gab dem Kläger recht. Die Fremdverwaltung des Fonds ist aus Sicht des Gerichts keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Investmentsteuergesetzes. Die Kapitalerträge aus dem Fonds seien zutreffend gemäß den Vorschriften des Investmentsteuergesetzes versteuert worden.

Weite Auslegung

Der Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften des Investmentsteuergesetzes war unstreitig erfüllt. Der Anwendungsbereich des Investmentsteuergesetzes (§ 1 Abs. 1) umfasst auch ausländische Investmentvermögen und ausländische Investmentanteile (§ 2 Abs. 8, Abs. 9 InvG a.F.). Bei dem vom Kläger gezeichneten Fonds handelte es sich um ein dem Recht eines anderen Staates (Luxemburg) unterstehendes Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, das nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen (§ 2 Abs. 4 InvG a.F.) angelegt ist. Hierbei ist aus Sicht des Finanzgerichts unerheblich, ob die Kapitalanlage tatsächlich gemeinschaftlich ist oder – wie im Streitfall – lediglich Strukturen geschaffen wurden, die mehrere Anleger zulassen würden.

Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung ist nach der Entscheidung des Finanzgerichts Köln nicht – über den Gesetzeswortlaut hinaus – erforderlich, dass der Fonds fremdverwaltet wird. Eine derartige einschränkende Auslegung des Anwendungsbereichs für ausländische Investmentvermögen und -anteile hat das Gericht abgelehnt. Etwaige rechtspolitische Defizite in der Gesetzesentstehung zu korrigieren sei allein Aufgabe des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber habe den Begriff des Investmentvermögens jedoch bewusst weit gefasst (s. Bundestagsdrucksache 15/1553, S. 74).

Diverse Verfahren anhängig

Zu diesem Ziel liefe eine eng begrenzte Auffassung konträr, nach der ausländische Fonds nur bei Fremdverwaltung als Investmentvermögen zu betrachten sind. Vielmehr habe der Gesetzgeber luxemburgische Ein-Anleger-Fonds gekannt und dennoch, also ganz bewusst, den Anwendungsbereich des Investmentsteuergesetzes für diese nicht eingeschränkt.

Erst mit dem Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung (Bundestagsdrucksache 18/8045) habe der Gesetzgeber den Fremdverwaltungsgrundsatz willentlich als Voraussetzung für ein Investmentvermögen normiert. Der Fremdverwaltungsgrundsatz gilt somit nach der Entscheidung des Finanzgerichts erst ab dem 1. Januar 2018. Dass eine Korrektur eventuell zuvor bestehender gesetzlicher Defizite im Wege der Gesetzesauslegung ausscheidet, ergebe sich auch aus dem Telos des Gesetzes: Ein Fremdverwaltungsgrundsatz, der dem Anlegerschutz diene, sei bei Ein-Personen-Fonds nicht notwendig, da hier keine dritten, schutzwürdigen Anteilsinhaber existierten.

Die Entscheidung des Finanzgerichts Köln ist zu begrüßen, da bundesweit noch immer diverse Rechtbehelfsverfahren anhängig sind, bei denen um dieselbe Rechtsfrage gestritten wird. Die Entscheidung ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Das Finanzamt hat Revision eingelegt, die beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 18/22 anhängig ist.

Revision zugelassen

Das Finanzgericht hatte die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen, obwohl es sich um auslaufendes Recht handelt. Die Zulassung der Revision hat das Finanzgericht mit der „nicht ganz unerheblichen Zahl noch anhängiger Verfahren“ begründet, in denen sich die Rechtsfrage stellen kann.

Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof der Auffassung des Finanzgerichts folgen wird. Noch anhängige Rechtsbehelfsverfahren können ggf. mit Verweis auf die beim Bundesfinanzhof anhängige Revision ruhend gestellt werden. In geeigneten Fällen kann aber unter Umständen auch erfolgreich aufgezeigt werden, dass selbst bei einem unterstellten Fremdverwaltungsgrundsatz jedenfalls nicht gegen diesen verstoßen wurde.

Nachhaltig oder gelegentlich?

Denn auch nach Auffassung der Finanzverwaltung ist ein Verstoß gegen den Fremdverwaltungsgrundsatz erst anzunehmen, wenn Anleger nachhaltig konkrete Anlageentscheidungen vorgeben. Nur gelegentliche Einzelanweisungen sowie Vorgaben zur Anlagepolitik bzw. von Anlagerichtlinien führen selbst nach der Verwaltungsauffassung nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Fremdverwaltung. Gelingt dieser Nachweis, kann die Rechtsfrage nach dem Erfordernis einer Fremdverwaltung dahinstehen. Ein solches Verfahren kann dann bereits vor der Entscheidung des Bundesfinanzhofs über die Revision in dem Verfahren VIII R 18/22 entscheidungsreif sein.

*) Dr. Andreas Höpfner ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei Flick Gocke Schaumburg.