GastbeitragKleinanlegerstrategie

Retail-Investment-Paket der EU sorgt für Diskussionsstoff

Als zentrales Element der Kapitalmarktunion will die EU-Kommission auch die Investitionen von Kleinanlegern fördern. Das lange erwartete Retail-Investment-Paket liegt vor. Es war schon vorher heiß diskutiert worden.

Retail-Investment-Paket der EU sorgt für Diskussionsstoff

EU legt Entwurf des Retail-Investment-Pakets vor

Brüssel um Stärkung der Rechte von Kleinanlegern bemüht

Bernd Geier *)

Am 24. Mai 2023 hat die EU-Kommission ihr seit langem erwartetes und bereits im Vorfeld heiß diskutiertes Retail-Investment-Paket veröffentlicht. Es bringt Anpassungen u.a. in den Bereichen Mifid, PRIIPs-Verordnung und im Investmentrecht. Als Mittel der Wahl nennt die Kommission vor allem eine erweiterte Offenlegung und zusätzliche Anforderungen an die Mitigation von Interessenkonflikten.

Im Bereich Interessenkonflikte verbietet der Entwurf erstmals Zuwendungen aus der Sphäre des Emittenten im beratungsfreien Geschäft, inklusive Execution-Only-Ausführung. Ausgenommen sind nicht-monetären Zuwendungen bis zu maximal 100 Euro pro Jahr. Das Verbot ist als möglicher erster Schritt hin zu einem vollständigen Zuwendungsverbot zu verstehen. Es adressiert in Deutschland vor allem den provisionsbasierten Vertrieb von Investmentfonds und Zertifikaten. Auch die jüngst häufig diskutierten Neo-Broker werden partiell erfasst, zum Beispiel beim Verkauf von ETF, wenn sie Zuwendungen des Asset Managers erhalten. Ein vollständiges Verbot für Payment for Order Flow, zum Beispiel auch in Bezug auf Zuwendungen durch Handelsplätze, ist dem Entwurf hingegen nicht zu entnehmen. Insofern verbleibt es bei den bereits geltenden Anforderungen an das Management von Interessenkonflikten (und die kundengünstigste Ausführung).

Offenlegung von Kosten

Auch Product Governance Vorschriften werden nachgeschärft, u.a. ein Verfahren zur Bestimmung des Preis-Leistungsverhältnisses (Value for Money) ergänzt. Schon die Mifid II enthielt Anforderungen an die ex ante und ex post Kostenoffenlegung, die darauf abzielen, Kosten und Leistung vergleichbar zu machen. Die aktuelle Umsetzung ermöglicht häufig jedoch keinen direkten Produktvergleich. Dies soll nun nachjustiert werden. So mandatiert der Entwurf ESMA und EIOPA u.a. für PRIIPs und Investmentfonds, Kostenbenchmarks einzuführen. Hersteller und Vertrieb sind dann gehalten, Produkte anhand dieser Benchmarks zu beurteilen. Hersteller werden ferner verpflichtet, eine objektive Preisbestimmung durchzuführen und Produktkosten an zuständige Aufsichtsbehörden zu übermitteln. Damit greift der Vorschlag erneut die Thematik im Preis enthaltener Kosten auf und verschärft die Anforderungen an die Kostenoffenlegung. Für PRIIPs-BIB wird ferner eine neue Form der digitalen Darstellung eingeführt, mit Dashboards und ergänzenden ESG-Informationen.

Der Entwurf justiert auch die Regelungen zur Anlageberatung nach, zum Beipiel im Bereich Qualifikationsanforderungen an Berater oder der Berücksichtigung der Portfoliozusammensetzung. Anlageberater, die keine Honorar-Anlageberater sind, werden künftig verpflichtet, nur auf Basis einer ausreichenden Palette (appropriate range) auf dem Markt befindlicher Finanzinstrumente zu beraten. Zu empfehlen ist das kosteneffizienteste Finanzinstrument ohne Zusatzkosten für nicht erforderliche Elemente. Dies kann gegebenenfalls Einfluss auf die aktuelle Retail-Beratungspraxis haben, die beratene Produktpalette auf Fonds und Zertifikat zu begrenzen.

Im Übrigen wird die Honorar-Anlageberatung attraktiver ausgestaltet. So gelten für Honorar-Anlageberater künftig geringere Anforderungen an die Inhalte der Geeignetheitserklärung. Auch dürfen sie ohne Rücksicht auf Kenntnisse, Erfahrungen und das Kundenportfolio in gut diversifizierten, kosteneffizienten und nicht komplexen Instrumenten beraten.

Standards für Werbung

Ergänzt werden auch Regeln zur Verantwortlichkeit für das Marketing über Social Media und Dritte, inklusive „Finfluencers“. So soll sichergestellt werden, dass Werbemaßnahmen durch Dritte ebenfalls den Standards der Finanzindustrie genügen. Heute zieht insoweit vor allem das Wettbewerbsrecht Grenzen, zum Beispiel die Lauterbarkeitsrechtsprechung zum Greenwashing.

Der Entwurf trägt auch dem Umstand Rechnung, dass nicht alle Privatkunden gleichermaßen schutzbedürftig sind, und ermöglicht eine vereinfachte Hochstufung in die Gruppe der gekorenen professionellen Kunden. Damit soll erfahrenen Privatkunden ein angemessener Anlegerschutz bei gleichzeitig erweiterten Handlungsoptionen eröffnet werden.

Insgesamt verstehen sich die Vorschläge als Weiterentwicklung bestehender Regelwerke. Der Entwurf greift von der Kommission identifizierte Defizite mit dem Ziel auf, bereits geltende Vorschriften nachzuschärfen und produktübergreifend zu harmonisieren. Primäres Werkzeug ist die Offenlegung. Umfang und Granularität der offengelegten Informationen dürfen jedoch keine Überflutungswirkung entfalten. Auch Datenpunkte haben einen Grenznutzen. Ein Meer von Informationen – wie es zum Beispiel in der aktuellen ESG-Regulierung entsteht – kann auch abschreckende Wirkungen entfalten.

Der Kommissionsentwurf markiert den Anfang des Gesetzgebungsprozesses. Er soll 12 Monate nach Inkrafttreten von den Mitgliedstaaten umgesetzt und 18 Monate nach Inkrafttreten anwendbar sein.

Prof. Dr. Bernd Geier ist Partner der Kanzlei Rimon Falkenfort in Frankfurt.

*) Prof. Dr. Bernd Geier ist Partner der Kanzlei Rimon Falkenfort in Frankfurt.
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