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Virtuelle Hauptversammlung wirft Fragen zur Teilnahme von Aufsichtsräten auf

Dürfen an einer virtuellen Hauptversammlung auch die Aufsichtsratsmitglieder virtuell teilnehmen oder sollten sie vor Ort sein? Die rechtswissenschaftliche Literatur beurteilt dies uneinheitlich. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm ist ein wichtiger Fingerzeig für die Praxis.

Virtuelle Hauptversammlung wirft Fragen zur Teilnahme von Aufsichtsräten auf

Einschätzungen zur Satzungsgestaltung uneinheitlich – Urteil als Fingerzeig für die Praxis

Virtuelle Hauptversammlung wirft Fragen zur Teilnahme von Aufsichtsräten auf

Zunächst als Notlösung in Covid-Zeiten gestartet, hat sich die virtuelle Hauptversammlung inzwischen neben der Präsenzversammlung als gleichwertiges Hauptversammlungsformat etabliert. Dies gilt insbesondere für die großen Dax-Unternehmen, die durchweg über eine entsprechende Satzungsermächtigung verfügen und auf dieser Basis im Jahr 2025 mit knapp 70% erneut weit überwiegend das virtuelle Format für die Abhaltung der Hauptversammlung gewählt haben.

Dabei verfügt die weit überwiegende Mehrheit der Dax-Unternehmen auch über eine Satzungsregelung, die den Mitgliedern des Aufsichtsrats die virtuelle Teilnahme an der virtuellen Hauptversammlung gestattet. Anders als diese verbreitete Praxis vermuten lässt, wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur bisher allerdings uneinheitlich beurteilt, ob eine solche Satzungsgestaltung zulässig ist. Denn das Aktiengesetz schreibt im Ausgangspunkt die Präsenz der Aufsichtsratsmitglieder vor und erlaubt eine abweichende Satzungsgestaltung in § 118 Abs. 3 Satz 2 AktG nur für „bestimmte Fälle“.

Fraglich ist damit, ob die virtuelle Hauptversammlung als „bestimmter Fall“ im Sinne der Norm verstanden werden kann, sodass eine virtuelle Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder an der virtuellen Hauptversammlung auf Basis einer entsprechenden Satzungsregelung stets zulässig ist.

Entscheidung aus Hamm

Das Oberlandesgericht Hamm hat diese Frage mit Entscheidung vom 26. Februar 2025 (Az.: 8 U 25/24) bejaht und geradezu lehrbuchartig herausgearbeitet, dass die Satzung im Falle einer virtuellen Hauptversammlung die virtuelle Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder im Wege der Bild- und Tonübertragung ermöglichen kann.

Dabei stützt sich das Gericht im Ausgangspunkt darauf, dass die Ausnahmeregelung des § 118 Abs. 3 Satz 2 AktG lange vor den Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung in das Aktiengesetz aufgenommen wurde. Auch wenn die Vorschrift in der Vergangenheit im Schrifttum eher dahin verstanden wurde, dass als „bestimmte Fälle“ in der Person des Aufsichtsratsmitglieds liegende Hinderungsgründe (und nicht verschiedene Hauptversammlungsformate) erfasst werden sollten, müsse dieses enge Normverständnis daher nicht zwingend für den Fall der virtuellen Hauptversammlung übernommen werden.

Geboten sei eine objektive Gesetzesauslegung, wobei nicht ausgeschlossen erscheine, dass dem Satzungsgeber durch die Einführung des virtuellen Hauptversammlungsformats mit Blick auf die Regelung des § 118 Abs. 3 Satz 2 AktG ein neuer Handlungsspielraum eröffnet wurde.

Interessen wahren

Als maßgebliches Entscheidungskriterium erachtet das Gericht sodann, dass aufgrund der Satzungsregelung zur virtuellen Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder an einer virtuellen Hauptversammlung keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Aktionäre oder anderer Organe der Gesellschaft drohe.

Sämtliche Ziele, die der Gesetzgeber angesichts der herausgehobenen Position des Aufsichtsrats und der besonderen Bedeutung der Hauptversammlung mit der Teilnahmepflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats verfolgt, könnten bei der virtuellen Hauptversammlung ebenso gut erreicht werden, wenn die Mitglieder des Aufsichtsrats nicht vor Ort seien. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung eine eher passive Rolle einnehmen.

Revision zugelassen

Da die Satzungsregelung zur virtuellen Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder an der virtuellen Hauptversammlung – wie dargestellt – weit verbreitet ist und sich in der Literatur bisher keine eindeutig herrschende Meinung zur Zulässigkeit der Regelung herausgebildet hat, hat das Oberlandesgericht die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Gleichwohl ist das sorgsam und überzeugend begründete Urteil des Oberlandesgerichts bereits ein wichtiger Fingerzeig für die Praxis. Insbesondere ist zu begrüßen, dass das Oberlandesgericht mit dieser Entscheidung der zunehmenden Bedeutung digitaler Formate auch im Gesellschaftsrecht Rechnung trägt und den Boden bereitet, die virtuelle Hauptversammlung auch mit Blick auf die Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder zeitgemäß auszugestalten.

In der Hauptversammlungssaison 2025 haben die 26 Dax40-Gesellschaften, die eine virtuelle Hauptversammlung durchgeführt haben, die Klausel betreffend die virtuelle Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder – ausweislich der Ausführungen hierzu in den Hauptversammlungseinladungen – noch sehr unterschiedlich genutzt. Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm wird spannend zu beobachten sein, wie sich die Nutzung der betreffenden Satzungsregelungen – ggf. auch in Abhängigkeit von der finalen Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dieser Sache – in den kommenden Jahren entwickeln wird.

*) Dr. Andreas Merkner und Dr. Friedrich Schulenburg sind Partner der Sozietät Glade Michel Wirtz Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB

*) Dr. Andreas Merkner und Dr. Friedrich Schulenburg sind Partner der Sozietät Glade Michel Wirtz Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB

Virtuelle Hauptversammlung wirft Fragen zur Teilnahme von Aufsichtsräten auf

Von Andreas Merkner
und Friedrich Schulenburg *)