GastbeitragM&A und Aktivismus

Wie Unternehmen sich gegen Aktivisten wappnen können

Wie können börsennotierte Unternehmen unerwünschte Übernahmeversuche abwehren? Immer häufiger erzeugen Kampagnen aktivistischer Aktionäre zusätzlichen Druck. Nur wer Zuständigkeiten, Entscheidungswege und Kommunikationslinien klar definiert, hat die Chance, im Spiel zu bleiben.

Wie Unternehmen sich gegen Aktivisten wappnen können

Wie Unternehmen sich gegen Aktivisten wappnen

Auch Übernahmeofferten erfordern Strategien für den Ernstfall – Vorbereitung und Kommunikation sind entscheidend

Von Martin Gross-Langenhoff
und Matthias Huhn *)

*) Dr. Martin Gross-Langenhoff ist Partner für M&A und Gesellschaftsrecht und Dr. Matthias Huhn ist Senior Associate für M&A und Kapitalmarktrecht bei der Wirtschaftskanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz.

No public company is immune from a hostile bid or activist campaign. If you’re public, you’re in play“. Diese Maxime stammt von dem amerikanischen Anwalt Martin Lipton, der als Vater der sogenannten „Giftpillen“-Verteidigung (Poison Pill Defense) gilt.

Die aktuellen Übernahmepläne der Unicredit für die Commerzbank zeigen, wie schnell selbst Dax40-Unternehmen zum Spielball der Interessen werden können. Aktivistische Fonds nehmen auch deutsche Unternehmen mit ihren öffentlichkeitswirksamen Kampagnen zunehmend ins Visier. Ob Ziel einer Übernahme oder von Aktivismus betroffen: Beide Situationen erfordern auf Seiten der betroffenen Gesellschaft strategisches Geschick und eine durchdachte Reaktion.

Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) regelt nicht nur die formalen Anforderungen an ein Übernahmeangebot, sondern macht auch Vorgaben zu den Handlungsmöglichkeiten der Organe der Zielgesellschaft, die diesen zur Abwehr unerwünschter Offerten zur Verfügung stehen.

Rechtlicher Rahmen

Im Zentrum der gesetzlichen Regelungen steht der Grundsatz, dass über Erfolg oder Scheitern eines Angebots in erster Linie die Aktionäre entscheiden. Nach der offiziellen Ankündigung eines Angebots ist der Vorstand zur Neutralität verpflichtet. Aktive Abwehrmaßnahmen darf er dann nur noch in begrenztem Umfang ergreifen.

Dazu zählt etwa die Suche nach einem alternativen Bieter. Ein solcher „weißer Ritter“ kann dann ein attraktiveres, konkurrierendes Angebot vorlegen. Auch die Einberufung einer Hauptversammlung kann als taktisches Mittel genutzt werden. In diesem Fall verlängern sich gegebenenfalls wichtige Fristen für das Angebot, was den oft eng gesteckten Zeitplan des Bieters ins Wanken bringen kann. Darüber hinaus sind Abwehrmaßnahmen in vielen Fällen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung und auch dann nur unter strikter Beachtung des Unternehmensinteresses möglich. Eine echte Poison Pill-Defense scheitert in Deutschland in aller Regel an diesen regulatorischen Vorgaben.

In der deutschen Übernahmepraxis ist stattdessen die sogenannte Value Defense verbreitet. Sie zielt darauf ab, dem Kapitalmarkt die Wertsteigerungspotenziale der Zielgesellschaft sichtbar zu machen, den Börsenkurs zu steigern und dadurch die vom Bieter angebotene Gegenleistung als inadäquat erscheinen zu lassen. Eine überzeugende Kapitalmarktkommunikation spielt für diese Verteidigungsform eine Schlüsselrolle. Sie kann die Wahrnehmung des Angebots im Aktionariat frühzeitig prägen und strategischen Verhandlungsspielraum gegenüber dem Bieter schaffen.

Verhandlungsspielraum sichern

Damit die Zielgesellschaft in einer solchen Situation schnell handlungsfähig ist, empfiehlt es sich, sich gezielt auf entsprechende Szenarien vorzubereiten. Mitunter erfolgt die Ansprache durch einen interessierten Bieter an einem Freitagabend, verbunden mit der Ankündigung, am darauffolgenden Montag mit einem feindlichen Angebot an die Öffentlichkeit zu gehen, sofern sich die Zielgesellschaft bis dahin nicht auf ernsthafte Verhandlungen einlässt.

Daher kommt insbesondere den ersten 48 Stunden nach Bekanntwerden einer Übernahmeabsicht eine wesentliche Bedeutung zu. In dieser Phase müssen die Verhandlungsstrategie und die begleitende Kommunikationslinie festgelegt, die relevanten Gremien zusammengesetzt und Berater einbezogen werden.

Wenn in einem solchen Fall auf Seiten der Zielgesellschaft Verantwortlichkeiten bereits festgelegt sind, Ablaufpläne für mögliche Handlungsoptionen bestehen und eigene Abwehrmöglichkeiten vorab bereits analysiert worden sind, spart dies wertvolle Zeit und ermöglicht es den Organen, sich auf die eigentlichen strategischen Überlegungen zu konzentrieren. Alle Entscheidungsträger sollten darauf vorbereitet sein, sich in einer solchen Sondersituation in einem Konferenzraum zusammenzufinden, um die Kommunikationswege so kurz wie möglich zu halten.

Gerade bei unerwünschten Übernahmeversuchen und einem zu erwartenden hohen Rückhalt des Vorstands im eigenen Aktionariat kann erwogen werden, bereits früh den Weg in die Öffentlichkeit zu suchen und das eigene Narrativ im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Bestenfalls kann so erreicht werden, dass der potenzielle Bieter seine Übernahmeabsicht bereits in einem sehr frühen Stadium aufgibt.

Auch im Umgang mit aktivistischen Aktionären sind eine klare Kommunikationsstrategie und ein gewisses Maß an Vorbereitung unerlässlich. Aktivisten verfolgen in der Regel keine vollständige Übernahme, sondern andere, meist kurzfristig orientierte Ziele. In den letzten Jahren haben sich dabei unterschiedliche Typen von Aktionärsaktivismus herausgebildet.

Ein gängiges Modell richtet sich auf unterbewertete Unternehmen. Besonders im Fokus stehen dabei Konzerne mit mehreren Geschäftsbereichen, die rechtlich eigenständig ausgegliedert werden und in Summe einen höheren Marktwert erzielen könnten als das integrierte Gesamtunternehmen. Ziel der Aktivisten ist häufig die Aufspaltung solcher Unternehmen, um so den Wert ihrer Beteiligung zu steigern.

Eine weitere Spielart ist der Short Seller. Dieser setzt auf fallende Kurse und versucht, durch berechtigte oder unbegründete Vorwürfe, etwa in Form kritischer Reports, einen Kursverfall zu provozieren. Im Fokus stehen häufig Unternehmen mit schwer nachvollziehbaren Geschäftsmodellen oder solche, die bereits durch Compliance-Verstöße aufgefallen sind.

Zunehmend relevant ist auch der sogenannte Sustainable Shareholder Activism. Dieser geht häufig von Nichtregierungsorganisationen oder institutionellen Anlegern aus, die gezielt Aktien erwerben, um ihre politischen Anliegen – etwa im Bereich Umwelt- oder Sozialstandards – über die Ausübung von Aktionärsrechten wie Antrags- oder Fragerechten auf der Hauptversammlung zu verfolgen.

Verschiedene Abwehrstrategien

So vielfältig die Formen des Aktionärsaktivismus sind, so unterschiedlich sind auch die geeigneten Reaktionsstrategien. Von zentraler Bedeutung ist deshalb eine präzise Analyse des jeweiligen aktivistischen Aktionärs. Es gilt, dessen Historie, Fondspolitik, Schlüsselpersonen und eventuelle Allianzen zu kennen. Dies bildet die Grundlage für die Wahl der weiteren Strategie und die passende Kommunikationsform.

Ebenso wichtig wie die Analyse des rechtlichen Rahmens ist dabei die frühzeitige Festlegung auf eine klare Handlungslinie. Eine Möglichkeit besteht darin, Aktivisten in einen konstruktiven Dialog einzubinden und durch verbindliche Absprachen an die Gesellschaft zu binden. Alternativ kann eine konfrontative Reaktion geboten sein, insbesondere wenn sich das Unternehmen des Rückhalts im Aktionariat oder in der Öffentlichkeit sicher ist.

In diesem Fall ist darauf zu achten, dass das Unternehmen mit einer Stimme spricht. Widersprüchliche Aussagen gefährden die Glaubwürdigkeit. Es kann sich zudem anbieten, dem Management gegenüber freundlich gesinnte Ankeraktionäre gezielt anzusprechen, um in der Hauptversammlung ein Gegengewicht zu den Aktivisten zu schaffen.

Im Umgang mit Short Sellern kann neben einer umfassenden Gegenkommunikation auch vorläufiger Rechtsschutz eine mögliche Handlungsoption sein. Diese Maßnahme richtet sich beispielsweise gegen sogenannte Research Reports, also von Analysten oder Leerverkäufern initiierte Veröffentlichungen, die kursbeeinflussend sein können.

Nur in Ausnahmefällen sollte auf eine öffentliche Kampagne gar nicht reagiert werden. Häufig können kurze, sachliche Stellungnahmen den Anwürfen der Aktivisten den Wind aus den Segeln nehmen, sofern es dem betroffenen Unternehmen gelingt, diese möglichst rasch nach Beginn der Kampagne zu veröffentlichen. Mitunter übernehmen sich Unternehmen damit, sämtliche Vorwürfe der Aktivisten in einer umfassenden – teils Wochen in Anspruch nehmenden – Erwiderung ausführlich zurückzuweisen. In Zeiten ultra-kurzer Nachrichtenzyklen kann eine knappe, dafür aber prompte Widerlegung einzelner Kernvorwürfen, notfalls auch per Social Media, entwaffnender und damit effektiver sein.

Deutungshoheit zurückgewinnen

Ob ein Unternehmen einem feindlichen Übernahmeversuch oder dem Druck aktivistischer Aktionäre ausgesetzt ist: In beiden Fällen ist die frühzeitige und strukturierte Vorbereitung der Schlüssel zu einer wirksamen Reaktion. Nur wer Zuständigkeiten, Entscheidungswege und Kommunikationslinien klar definiert, hat die Chance, in der kritischen Phase die Initiative wiederzugewinnen und im Spiel zu bleiben. Und nur wer mitspielt, kann das Blatt noch wenden.

*) Dr. Martin Gross-Langenhoff ist Partner, Dr. Matthias Huhn ist Senior Associate bei SZA Schilling, Zutt & Anschütz