RenditeWarren Buffett

Der Papst und seine Pilger

Warren Buffett ist als Investor und Unternehmer Legende. Der Star steht für einen traditionellen Investmentstil und für Erfolg. Langsam lassen seine Kräfte nach.

Der Papst und seine Pilger

Im Porträt: Warren Buffett

Der Papst und seine Pilger

Warren Buffett ist mehr als ein erfolgreicher Investor und Unternehmer – Für seine Fans verkörpert er eine Philosophie

Warren Buffett ist als Investor und Unternehmer Legende. Auf der Hauptversammlung von Berkshire Hathaway begeistert der greise Milliardär und sein Geschäftspartner Charlie Munger Zehntausende Anleger. Der Star steht für einen traditionellen Investmentstil und für Erfolg. Langsam lassen seine Kräfte nach.

Von Jan Schrader, Frankfurt

Seine scharfsinnigen Analysen und sein irrsinniger Erfolg verleihen dem US-Milliardär Warren Buffett Autorität. Jedes Jahr lockt er zehntausende Menschen nach Omaha.

Von Jan Schrader, Schrader

Der weise Mann spricht. Und rund 40.000 Fans hören zu. War die Rettung der Silicon Valley Bank durch die US-Einlagensicherung FDIC wirklich notwendig? Alles andere „wäre katastrophal gewesen“, sagt Warren Buffett, Chef von Berkshire Hathaway, auf der Hauptversammlung des Unternehmenskonglomerats am Samstag. Befindet sich die gespaltene US-Politik auf gefährlichem Weg? „Die Parteilichkeit scheint sich zum Stammesdenken entwickelt zu haben“, warnt der heutige Milliardär, dessen Vater einst in den 1940er Jahren für die Republikanische Partei im US-Kongress saß. Man höre dem Gegner heute nicht einmal zu. Wie hoch sind heute die Chancen für Value-Investoren, die gezielt unterbewertete Unternehmen aufspüren wollen? Es gebe immer genug Möglichkeiten, sagt der 92-Jährige. „Andere Leute, die dumme Dinge tun, eröffnen dir Chancen.“ Weltpolitik, Finanzsystem, Investmentregeln – Buffett hat alles drauf. Und die Gemeinde lauscht.

Hauptversammlungen von Berkshire Hathaway in Omaha inmitten der USA sind ein Spektakel: Bereits am frühen Morgen am Samstag stehen die Menschen Schlange. Es sind gewöhnliche Familien aus Amerika, aber auch Milliardäre und Menschen aus aller Welt, häufig auch aus China. Sie besuchen eine Kultfigur, die bereits 1962 das Unternehmen erwarb und es zu ungeahnter Größe führte. An der Börse ist Berkshire Hathaway heute rund 721 Mrd. Dollar schwer. Der Konzern fungiert dabei als Konglomerat, das im Versicherungsgeschäft hohe Erträge generiert und sich an zahlreichen Unternehmen beteiligt. 113 Mrd. Dollar wiederum ist allein das Vermögen von Buffett nach Schätzungen des US-Wirtschaftsmagazins „Forbes“ heute wert.

Weil der Konzern mit einem Gewinn von annähernd 36 Mrd. Dollar allein im Startquartal viel Geld abwirft, sind die Aktionäre und Fans in guter Laune. Buffett unterhält seine Gäste mit Charlie Munger (99), seinem langjährigen Vertrauten, der das Unternehmen als stellvertretender Verwaltungsratschef mit kontrolliert. Stunden über Stunden beantworten sie die Fragen der Aktionäre. „Wir haben heute unseren eigenen König Charles hier“, scherzt Buffett über Munger in Anlehnung an die Krönung des britischen Monarchen am selben Tag. „Die altmodische Intelligenz funktioniert ziemlich gut“, witzelt Munger, als er zur künstlichen Intelligenz befragt wird. Altmodisch, aber bewährt eben – so wie Mungers und Buffetts Strategie.

Einfluss bis nach Deutschland

Zu den Bewunderern zählt auch der deutsche Vermögensverwalter Hendrik Leber, der die Frankfurter Fondsgesellschaft Acatis führt. Denn Buffett steht für den Ansatz des „Value Investing“, also die gezielte Auswahl einzelner Unternehmen entlang ihres mutmaßlichen inneren Wertes. Auf lange Sicht, so lautet die Logik, nähert sich der Kurs eines Unternehmens diesem tatsächlichen Wert. Anleger, die eine Aktie lange halten, werden am Ende also profitieren.

„Nach einer Hauptversammlung mit Warren Buffett sind die Value-Batterien wieder aufgeladen“, sagt Leber, der über Buffett und andere Investorenlegenden wie den Finanzanalysten Irving Kahn, den Hedgefondslenker Bill Ackman und den deutschen Fondsmanager Klaus Kaldemorgen den Bildband „The Great Minds of Investing“ herausgegeben hat. Bereits seit 1996 besucht Leber die Hauptversammlung in Omaha. Neue Mitarbeitende der Firma Acatis nimmt er zuweilen zu der Pilgerstätte mit.

Als Kind arbeitete sich Buffett bereits mit sechs Jahren in die höhere Mathematik ein, kaufte mit elf Jahren seine erste Aktie, baute als Jugendlicher mit eigens erworbenen Flipperautomaten ein kleines Unternehmen auf, ehe es ihn im Studium an die Columbia Business School zog, um bei Benjamin Graham zu lernen. Graham ist Schöpfer der Fundamentalanalyse, die nach dem inneren Wert von Unternehmen fragt. Auch er ist eine Kultfigur.

Danach ging es für Buffett weiter steil bergauf: In frühen Berufsjahren stieg er in die Investmentfirma von Graham ein, er ehe kurze Zeit später die Buffett Partnership gründete. Nach einigen riskanten, aber erfolgreichen Investments kaufte er 1962 die damalige Textilfirma Berkshire Hathaway. Im Folgejahr erwarb er Aktien von American Express, die nach einem Betrugsskandal damals zu Ramschpreisen gehandelt wurden, sich später aber erholten. In den folgenden Jahrzehnten war Buffett mit etlichen weiteren Investments erfolgreich, etwa See‘s Candies 1972, Coca-Cola 1988 und Apple 2016. Heute gehört er zu reichsten Menschen der Welt.

Für Buffett-Kenner Leber verkörpert der Milliardär die traditionelle Schule der gezielten Unternehmensauswahl (Stock Picking). Momentum-Strategien, Chartanalyse, passives Investieren und andere Ansätze ignorierten konkrete Unternehmen, kritisiert Leber. „Das Nachdenken über einzelne Firmen ist verloren gegangen.“ Buffett ermutige die Anleger, dem klassischen Ansatz treu zu bleiben. Reichtum sei für Buffett, so betont Leber, aber kein Selbstzweck. Der Milliardär hat erklärt, sein Vermögen zu spenden. Er lebt bis heute in einem zwar großen, aber keinesfalls ungewöhnlichem Haus in Omaha.

Die Kraft lässt nach

Leber verfolgt Buffett bereits seit zweieinhalb Jahrzehnten – und stellt einen Wandel fest. „Als Investor ist er nicht mehr so gut, wie er einmal war.“ Hinter dem Erwerb von Apple-Aktien, der größten Perle im Portfolio von Berkshire Hathaway, stünden vermutlich andere Investmentmanager im Konzern. Auch lasse die Leistung Buffetts, der laut Leber ein begabter Kommunikator ist, allmählich nach. „Buffett hat zwar noch viel Energie, aber er wurde im Laufe des Tages fahriger“, sagt er über die Hauptversammlung. Auch schaffe er nicht mehr so viele Fragen wie früher. Als Nachfolger ist der Konzernmanager Greg Abel bereits gesetzt. Doch die Fans hoffen auch weiterhin auf Buffetts Segen. Für einen Abschied ist es zu früh.