ETF-Industrie

ETFs stehen vor einem neuen Wachstumsschub

Die in ETFs angelegten Gelder haben weltweit und in Europa Rekorde erreicht. Die Zuflüsse in die börsennotierten Indexfonds sind hoch. Und alles spricht dafür, dass die ETFs in den kommenden Jahren auf der Überholspur bleiben und dass sich der Boom fortsetzt. Dabei hat vor allem Europa Wachstumspotenzial.

ETFs stehen vor einem neuen Wachstumsschub

ETFs stehen vor einem neuen Wachstumsschub

Hohe Mittelzuflüsse und Rekorde bei den verwalteten Geldern – Produktpalette wächst stetig – Immer mehr Sparpläne

Die in ETFs angelegten Gelder haben weltweit und in Europa neue Rekorde erreicht. Die Zuflüsse in die börsennotierten Indexfonds sind hoch. Und alles spricht dafür, dass die ETFs in den kommenden Jahren auf der Überholspur bleiben und dass sich der Boom fortsetzt. Dabei hat vor allem Europa Wachstumspotenzial.

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Viele junge Leute haben in den vergangenen Jahren das Sparen entdeckt, um für die Zukunft vorzusorgen. Und das ganz einfach über kostengünstige monatliche ETF-Sparpläne auf einen Weltaktienindex oder den Dax, die flugs digital übers Handy oder den Laptop bei einem Online-Broker abgeschlossen werden. So hat die Zahl der ETF-Sparpläne hierzulande nach Angaben von extraETF im Juli bereits 3,9 Millionen erreicht. Doch nicht nur die Jugend setzt auf börsennotierte Indexfonds, die Exchange Traded Funds, kurz ETFs. Auch immer mehr Profis wie institutionelle Anleger, Pensionskassen, Vermögensverwalter oder Multi-Asset-Fondsmanager legen immer mehr Geld in den kostengünstigen „Aldi-Fonds“ an.

Weltweit und in Europa sind ETFs auf der Überholspur und erzielen hohe Mittelzuflüsse. So flossen ihnen in diesem Jahr bis Juli frische Gelder von weltweit 464 Mrd. Dollar und 87 Mrd. Dollar in Europa zu, berichtet das Analysehaus ETFGI. Weltweit ist der Juli der 50. Monat mit anhaltenden Nettomittelzuflüssen gewesen, in Europa war er der zehnte. Gleichzeitig sind vor allem durch die Kursgewinne an den Aktienmärkten in diesem Jahr die von der ETF-Industrie verwalteten Gelder deutlich gewachsen und haben Rekordwerte erreicht. Inzwischen sind weltweit 10,6 Bill. Dollar in ETFs angelegt, in Europa sind es 1,6 Bill. Euro in Ucits-ETFs.

Besonders beeindrucken die Wachstumsraten der börsennotierten Indexfonds. Über zehn Jahre sind die in ETFs angelegten Gelder um satte 16,3% pro Jahr geklettert. In Europa sind es 15,0% pro Jahr. Binnen Jahresfrist haben die „Aldi-Fonds“ sogar noch stärker zugelegt. Und die meisten Beobachter gehen davon aus, dass sich insbesondere in Europa der Boom bei ETFs fortsetzt. In den USA sind ETFs bereits sehr viel weiter verbreitet als in Europa, doch zieht der Alte Kontinent mit ein wenig Verspätung nach.

Diversifiziert und kostengünstig

„Der anhaltende Erfolg von ETFs hat vielfältige Gründe: Anleger können auf eine einfache Weise diversifiziert und kostengünstig in die unterschiedlichsten Anlageklassen investieren“, sagt Chris Hofmann, ETF-Expertin bei Vanguard. „Das schließt die Aktien- und Rentenmärkte genauso mit ein wie Rohstoffe, Geldmarkt und Themeninvestments. Auch Kombinationen aus Aktien und Anleihen in Multi-Asset-Produkten sind möglich.“ Diese Vielfalt ermögliche es Anlegern, sich schon mit wenigen Bausteinen ein globales, effizient strukturiertes und breit diversifiziertes Portfolio zusammenzustellen.

Dass die ETFs so erfolgreich sind, hat in der Tat mehrere Ursachen. So sind die börsennotierten Indexfonds kostengünstig, weisen sie doch deutlich niedrigere laufende Kosten pro Jahr als herkömmliche aktiv gemanagte Fonds auf. Zudem sind ETFs recht transparent, zumindest bei Produkten, die bekannte Aktienindizes abbilden. Hinzu kommt in Europa der bewährte und bekannte Ucits-Fondsmantel.

Um breit gestreut in den Aktienmarkt zu investieren, gibt es wohl kaum eine günstigere und transparentere Möglichkeit als ETFs. Dies nutzen die Anleger, die langfristig in einen ETF-Sparplan investieren. Die Zahl der Sparpläne hierzulande, die im Jahr 2019 noch bei weniger als einer Million lag, ist denn auch stetig und rasant auf inzwischen knapp vier Millionen gewachsen. Nicht zuletzt sorgen hier die kostengünstigen und digitalen Sparplanangebote von Neo- und Online-Brokern für eine wachsende Nachfrage der jungen Generation.

Nach Meinung von Hofmann eignen sich ETFs grundsätzlich für fast jeden Anlegertyp, denn sie seien wie Schweizer Taschenmesser. Welche ETFs konkret zum Einsatz kommen, hängt von den Zielen, dem Zeithorizont und den Präferenzen des individuellen Anlegers ab. „Ein Punkt, der insbesondere für Privatanleger von Bedeutung ist: ETFs sind schon ab einem Stück handelbar, was Investmentbarrieren aufhebt“, erklärt Vanguard-Expertin Hofmann. „Zudem stellen sie als Sparplan auch ein ausgezeichnetes Vehikel für die private Altersvorsorge dar.“ Unabhängig vom ausgewählten Finanzprodukt gelte es immer, die vier Grundprinzipien der Geldanlage zu berücksichtigen: klare und realistische Ziele, Balance durch ein breit gestreutes Portfolio, niedrige Kosten und Disziplin bei der langfristigen Geldanlage.

„ETFs bieten eine breitere Diversifikation als Fonds, sind aber zugleich wie Aktien täglich handelbar. Zudem gewähren sie jederzeit vollen Einblick in die Bestände“, erläutert Olivier Paquier, Global Head of ETF Sales bei Axa IM. „Diese Kostentransparenz und die wettbewerbsfähigen Gebühren sind für Anleger sehr attraktiv. Des Weiteren wurde das Angebot in den letzten Jahren erheblich ausgebaut.“

Denn die Produktbreite hat deutlich zugenommen. ETFs sind inzwischen preiswerte Alleskönner. Es gibt kaum eine Lösung, die es im ETF-Mantel noch nicht gibt. Die Zahl der Produkte hat inzwischen rund 9.900 weltweit und mehr als 2.100 in Europa erreicht. An der Deutschen Börse werden auf Xetra inzwischen mehr als 2.000 ETFs gehandelt, so dass dies der führende Handelsplatz in Europa ist.

Immer mehr grüne ETFs

Neben Standardprodukten auf die großen bekannten Aktienindizes gibt es immer mehr nachhaltig ausgerichtete ESG-ETFs. „Mittlerweile bestehen mehr als 21% des verwalteten Vermögens in Europa aus grünen und nachhaltigen ETFs – Tendenz steigend“, sagt Paquier. Hinzu kommen aktive ETFs, die einen aktiven Managementansatz im kostengünstigen ETF-Gewand kombinieren und die bereits in den Vereinigten Staaten recht erfolgreich sind. „Der Markt für aktive ETFs in Deutschland ist zwar noch klein, doch er wächst stark“, erklärt Scope in einer umfassenden Studie. Die hohe Dynamik des Segments lasse die Anbieter hoffen. Aktuell steckten nur rund 26 Mrd. Euro in Produkten, die aktives Fondsmanagement in einem ETF-Mantel offerieren. Ende Juli des vergangenen Jahres habe das verwaltete Vermögen bei rund 18 Mrd. Euro gelegen, so dass sich ein Plus von 45% errechnet. Gleichzeitig sei die Zahl der aktiven ETFs von 50 auf 62 geklettert.

Darüber hinaus hat sich die ETF-Industrie in den vergangenen Jahren vor allem auch das Segment der Geldmarkt- und Anleihe-ETFs erschlossen. Dies ist gerade in Zeiten steigender und wieder attraktiver Zinsen wichtig und führt zu hohen Mittelzuflüssen auf der Fixed-Income-Seite. So haben Anleihe-ETFs im laufenden Jahr bisher Zuflüsse von 168 Mrd. Dollar weltweit und 42 Mrd. Dollar in Europa erzielt.

Nicht zuletzt zeigen auch neue Produkte wie die zeitlich befristeten iBonds-ETFs der Blackrock-Tochter iShares die Innovationsfähigkeit der ETF-Industrie, vor allem auch auf der Rentenseite. „iBonds-ETFs haben eine Laufzeit wie eine Anleihe, können wie eine Aktie gehandelt werden und sind wie ein Fonds diversifiziert – und das alles in einer kosteneffizienten und transparenten ETF-Verpackung, erklärt David Wenicker, Head of iShares & Wealth bei Blackrock in Deutschland. „Die feste Laufzeit der iBonds-ETFs gibt den Anlegern Klarheit über ihre Ertragserwartungen und ihren Anlagehorizont. Anleihe-ETFs werden zunehmend als Alternative zur Auswahl einzelner Anleihen genutzt, die für Anleger oft kostspielig sind.“

Immer mehr Anbieter

Inzwischen legen immer mehr Fondsgesellschaften ETFs auf und drängen in das Wachstumssegment, darunter auch bekannte aktive Manager wie Fidelity oder J.P. Morgan. Und große Assetmanager wie zum Beispiel die DWS mit ihrer ETF-Marke Xtrackers wollen vor allem bei den börsennotierten Indexfonds zulegen. Vorbild sind Adressen wie Blackrock, Vanguard und State Street, die insbesondere auch in den USA erhebliche Gelder in ETFs verwalten und die auch alle in Europa aktiv sind. Wobei alle diese Adressen in Europa ein besonders großes Wachstumspotenzial sehen. Schließlich ist der Rückstand im Vergleich zu den USA noch groß.

Erhebliches Wachstumspotenzial für ETFs sieht auch Axa-Mann Paquier. Die Vorteile wie Diversifikation, Kostentransparenz, wettbewerbsfähige Gebühren und der erhebliche Ausbau des Angebots in den vergangenen Jahren würden für ETFs sprechen. „Blicken wir auf diese Faktoren, sollten ETFs am Beginn einer neuen Wachstumsphase stehen, vor allem in Europa.“