renditeDeutsche Top-Aktien

Nur die wenigsten deutschen Aktien sind echte Gewinnbringer

Flossbach-Studie deckt auf: Nicht Kurssteigerungen, sondern Dividenden sorgen für den größten Wertzuwachs bei Aktien.

Nur die wenigsten deutschen Aktien sind echte Gewinnbringer

Deutsche Top-Aktien

Nur die wenigsten Aktien sind echte Gewinnbringer

Flossbach-Studie: Siemens, SAP und Allianz jeweils für Wertschaffung von über 75 Mrd. Euro verantwortlich – Dividenden sind ein oftmals unterschätzter Faktor

Nur die allerwenigsten deutschen Aktien haben über einen Zeitraum von 20 Jahren wirklich einen Wert geschaffen, wie eine Langzeit-Studie des Flossbach von Storch Research Institute zeigt. Überraschend dürfte für viele Anleger auch sein, wie groß der Anteil von Dividenden an Wertzuwächsen ist.

Von Tobias Möllers, Frankfurt

Noch immer gelten die Deutschen als Aktienmuffel. Erst im Januar zeigte der Global Wealth Report der Boston Consulting Group, dass sich 40% des Vermögens hierzulande in Spareinlagen oder Bargeld befinden. Das sind 10% mehr als der Durchschnitt in Westeuropa. Auf dieses Geld erhalten die Deutschen nur minimale oder sogar gar keine Zinsen. Dabei hätte der Aktienmarkt deutlich bessere Renditen zu bieten.

Quasi von selbst vermehrt sich aber auch dort das Geld natürlich nicht. Eine Langzeit-Studie des Flossbach von Storch Research Institute hat herausgearbeitet, dass nur die allerwenigsten deutschen Aktien über einen Zeitraum von 20 Jahren wirklich einen Wert geschaffen haben. Ganze zwölf Titel kommen bereits für die Hälfte des geschaffenen Werts auf. Für 88% aller in Deutschland investierbaren Unternehmen gilt das hingegen nicht. Sie haben „im Aggregat aller Anleger keinen Beitrag zur Wertschaffung geleistet, da sie genauso viel Wert geschaffen wie vernichtet haben“.

Und noch eine weitere Überraschung dürften die Ergebnisse der Studie für so manchen Anleger bereithalten: Es sind nicht Kurssteigerungen, die für den größten Teil des Wertzuwachses verantwortlich sind. Vielmehr sind ausgezahlte Dividenden für mehr als die Hälfte des geschaffenen Werts verantwortlich (52,2%), erst danach folgen Kurszuwächse, also eine Preissteigerung der Aktien (40,9%). Hinzu kommen noch 7% Zugewinne, die über Aktienrückkäufe an die Anleger ausgezahlt werden.

Wert von 1,7 Bill. Euro geschaffen

Laut der Studie des Flossbach von Storch Research Institute wurde in den vergangenen 20 Jahren – untersucht wurde der Zeitraum von Januar 2003 bis Dezember 2022 – am deutschen Aktienmarkt ein Wert von 1,7 Bill. Euro geschaffen. Das entspricht 3,3% der Wertschöpfung aller Waren und Dienstleistungen in Deutschland. Untersuchungsgegenstand waren alle öffentlich gehandelten Aktien deutscher Unternehmen im Prime oder General Standard – 1.013 Titel an der Zahl.

Wie die Untersuchung, die methodisch auf der Arbeit von Hendrik Bessembinder von der Arizona State University (ASU) basiert, herausarbeitet, wurde die gesamte Wertschaffung über die vergangenen 20 Jahre bereits mit 116 Aktientiteln erreicht. Von den übrigen 897 Aktien trage zwar die eine Hälfte positiv zur Wertschaffung bei, die andere Hälfte egalisiert dies durch ihre Wertvernichtung aber wieder.

Sowohl unter den größten Wertschaffern wie auch unter den größten Wertvernichtern finden sich Blue Chips aus dem Dax. Doch wer sind denn nun die großen Gewinnbringer?

Siemens und SAP ganz vorne

Auf die Aktien der Unternehmen Siemens, SAP, Allianz, Mercedes-Benz Group und Deutsche Telekom entfällt die größte Wertschaffung mit jeweils über 75 Mrd. Euro. Allein Top-Gewinnbringer Siemens schaffte über den gesamten Untersuchungszeitraum einen Wert von 125,9 Mrd. Euro und hatte damit einen Anteil von 7,4% an den geschaffenen 1,7 Bill. Auf dem Treppchen folgen SAP mit 116,9 Mrd. Euro (6,9%) und die Allianz mit einem geschaffenen Wert von 94,9 Mrd. Euro (5,6%). Damit stehen allein Siemens, SAP und die Allianz für 20% der gesamten Wertschaffung.

„Um 40% der gesamten Wertschaffung zu erreichen, benötigt man bereits fünf weitere Titel, und 60% erreicht man mit weiteren neun Titeln“, erklären die Studienautoren vom Flossbach von Storch Research Institute. 17 der Top-20-Unternehmen waren über den gesamten Untersuchungszeitraum von 20 Jahren an der Börse gelistet. Eine Konzentration auf bestimmte Branchen lässt sich bei denGewinnbringern nicht erkennen.

Die Liste der größten Wertvernichter führt die Deutsche Bank an. Allein ihr sei über die vergangenen 20 Jahre eine Wertvernichtung von 24,8 Mrd. Euro zuzuschreiben. Auf den Plätzen folgen die Commerzbank und die Auto1 Group. Allein die Wertvernichtung dieser drei Titel entspricht ungefähr der Wertvernichtung der weiteren 17 aufgelisteten Titel. Auffällig bei den Wertvernichtern ist, dass Banken hier überproportional häufig vertreten sind. Unter ihnen findet sich auch die pleitegegangene und anschließend verstaatlichte – und damit nicht mehr an der Börse gelistete – Hypo Real Estate. Ebenfalls unter den Wertverlierern finden sich einige junge Unternehmen, die erst seit weniger als zweieinhalb Jahren an der Deutschen Börse notiert sind, wie die About You Holding, Siemens Energy, Synlab, Teamviewer und Traton.

Ebenfalls untersucht wurde in der Studie, in welchen Jahren Wert geschaffen und in welchen Wert vernichtet wurde. Demnach wurde in 16 der untersuchten 20 Jahre ein Mehrwert geschaffen. Umgekehrt bedeutet das, lediglich in vier Jahren gab es aggregiert eine Wertvernichtung. Am größten fiel diese 2008, im Jahr der Finanzkrise, mit einem Minus von 561,7 Mrd. Euro aus. Doch auch im abgelaufenen Jahr 2022 gab es, angefeuert von Leitzinserhöhungen und Rezessionssorgen, aggregiert Werteinbußen von 393,9 Mrd. Euro. Eigentlich machte der Kursverfall sogar einen Wertverlust in Höhe von 464,5 Mrd. Euro aus, konnte durch Ausschüttungen in Höhe von 70,5 Mrd. Euro aber abgefedert werden. Ein Sonderfall ist laut der Studie das Jahr der Corona-Pandemie 2020: Zwar kam es im ersten Quartal zu einer Wertvernichtung von 450 Mrd. Euro, doch bereits zur Jahresmitte hatten sich die Aktienkurse erholt, so dass unterm Strich am Jahresende ein Wertzuwachs von 122 Mrd. Euro steht.

Dividenden nicht unterschätzen

Was bedeutet es nun für Anleger, dass statistisch langfristig nur sechs von zehn Aktien wertschaffend sind? Zum einen, dass große Vorsicht bei der Wahl der einzelnen Titel gefragt ist, zum anderen, dass eine breite Streuung hilft, um sicherzustellen, dass ausreichend Titel mit positiver Wertschöpfung im Portfolio liegen.

Berücksichtigen sollten Anleger aber auch die große Bedeutung, die Dividenden für die Performance einer Aktienanlage langfristig haben. Diese wird noch immer oft unterschätzt, was sich gerade erst im letzten Jahr gerächt haben dürfte, denn noch nie haben die Dax-Konzerne so viel verdient wie im Jahr 2022. Die logische Folge war auch eine Rekordsaison bei der Auszahlung von Dividenden. Zudem sind die größten Wertschaffer nicht selten auch die größten Dividendenzahler. Die fünf größten Gewinnbringer Siemens, SAP, Allianz, Mercedes-Benz Group und Deutsche Telekom schütten allesamt Dividenden aus. SAP ist sogar auf dem besten Weg, ein sogenannter Dividenden-Aristokrat zu werden. Als solchen bezeichnet man Aktien, die langfristig, wie zum Beispiel über einen Zeitraum von mindestens 25 Jahren, ihre Dividende regelmäßig angehoben haben. Die Software-Schmiede aus dem baden-württembergischen Walldorf kommt inzwischen immerhin auf 13 Dividendenerhöhungen in Folge.

Doch auch die sorgfältige Auswahl von Aktien, die zuverlässig Dividenden ausschütten und die sich über einen so langen Zeitraum wie die vergangenen 20 Jahre als Gewinnbringer bewährt haben, bewahrt Aktionäre nicht davor, ihre ausgewählten Anlagen regelmäßig zu hinterfragen und zu überprüfen. Denn dass die Reichmacher der Vergangenheit auch die Reichmacher der Zukunft werden, ist noch längst nicht ausgemacht.

Die 20 deutschen Aktien mit dem höchsten geschaffenen Wert seit 2003
  Geschaffener WertÜberrenditeZeitraum
lfd.Namein Mrd. EuroAnteil (%)kumulativ (%)p.a. (%)vonbis
1Siemens125,97,47,410Jan 03Dez 22
2SAP116,96,914,49,3Jan 03Dez 22
3Allianz94,95,62010,1Jan 03Dez 22
4Mercedes-Benz Group89,55,325,39,1Jan 03Dez 22
5Deutsche Telekom75,84,529,87,4Jan 03Dez 22
6BASF67,9433,89,5Jan 03Dez 22
7BMW55,83,337,19,1Jan 03Dez 22
8Volkswagen (Stamm.)51,73,140,110,1Jan 03Dez 22
9Münchener Rück49,92,943,111,1Jan 03Dez 22
10Deutsche Post48,42,945,910,5Jan 03Dez 22
11Bayer45,92,748,79,2Jan 03Dez 22
12Hapag-Lloyd34,6250,739,4Nov 15Dez 22
13Linde AG33,2252,715,2Jan 03Apr 19
14Deutsche Börse33,1254,615,1Jan 03Dez 22
15Infineon30,51,856,49,2Jan 03Dez 22
16Adidas29,41,758,211,5Jan 03Dez 22
17Hannover Rück26,71,659,715,5Jan 03Dez 22
18Volkswagen (Vorzüge)25,81,561,311,2Jan 03Dez 22
19Audi25,21,562,811,9Jan 03Nov 20
20RWE24,61,564,26,7Jan 03Dez 22
Quelle: Flossbach von Storch Research Inst., Refinitiv; Stand: Jan 23; Börsen-Zeitung

Nur die allerwenigsten deutschen Aktien haben über einen Zeitraum von 20 Jahren wirklich einen Wert geschaffen, wie eine Langzeit-Studie des Flossbach von Storch Research Institute zeigt. Überraschend dürfte für viele Anleger auch sein, wie groß der Anteil von Dividenden an Wertzuwächsen ist.