Asset Management - Staatsfonds

Asiatische Fonds praktizieren den Staatskapitalismus

Engagements bei Barclays und Blackstone erregen Aufmerksamkeit - Singapurs Temasek ist Modell für China - Mangelnde Transparenz

Asiatische Fonds praktizieren den Staatskapitalismus

Von Ernst Herb, Hongkong Staatliche Anlagegesellschaften aus Fernost wollen an den weltweiten Finanzmärkten ein gewichtiges Wort mitreden. Wohin die Reise gehen könnte, haben staatliche chinesische und Singapurer Investitionsagenturen gezeigt, die beim Börsengang des amerikanischen Hedgefonds Blackstone oder bei der geplanten Übernahme des holländischen Finanzinstituts ABN Amro durch die britische Barclays mit Milliardeneinsätzen mitgespielt haben. Der staatliche chinesische Investmentfonds, der mit einem Anfangskapital von 200 Mrd. Dollar ausgestattet wurde, befindet sich im Aufbau. In Asien existieren mit der Singapurer Anlagegesellschaft Temasek und ihrem malaysischen Pendant Khazanah Nasional bereits seit Jahren solche Fonds, die – was Temasek betrifft – das Investitionsklima weit über den Heimmarkt hinaus prägen.Temasek, die nach eigenen Angaben seit ihrem Start vor mehr als dreißig Jahren eine jährliche Rendite von 18 % erwirtschaftet hat, kontrolliert heute zehn der größten an der Börse Singapur notierten Firmen. In den vergangenen Jahren, in denen der Fonds zunehmend auch ins Ausland expandierte, konnte sich etwa Singtel dank tatkräftiger Unterstützung der Mutter durch Zukäufe und Beteiligungen zum bedeutendsten Telekomkonzern Südostasiens aufschwingen. Der ebenfalls von Temasek kontrollierte Halbleiterproduzent Chartered Semiconductor ist führend in seiner Branche. PSA International wiederum ist der größte Betreiber von Containerhäfen. Temasek, die mehr als Risikokapitalgesellschaft denn als einfacher Anlagefonds geführt wird, hat einen gewichtigen Verbündeten: die über 100 Mrd. Dollar schwere Government Investment Corporation (GIC), die einen bedeutenden Teil von Singapurs Währungsreserven im Wert von über 160 Mrd. Dollar bewirtschaftet. Das Engagement liegt seit der Lancierung vor mehr als einem Vierteljahrhundert klar im Ausland, wo der Fonds in Aktien, festverzinsliche Papiere, Rohstoffe, Währungen oder auch Immobilien investiert. Kurspflege im InlandDie Gesellschaft, die in acht internationalen Büros – darunter New York, Shanghai und Frankfurt – über 300 Personen beschäftigt, hat auch einen Private-Equity-Arm und ist in der Beratung tätig. Anders als bei Temasek wird weder offengelegt, wie sich das Portfolio zusammensetzt, noch welche Rendite sie erwirtschaftet. Obwohl der Schwerpunkt von GIC im Ausland liegt, ist es ein offenes Geheimnis, dass GIC in Zeiten erhöhter Volatilität an der heimischen Börse auch schon mal mit größeren Käufen oder Verkäufen in das Marktgeschehen eingegriffen hat. Davon haben auch die von Temasek kontrollierten Unternehmen profitiert. Dritter im Bund der Staatfonds ist die Zentralbank, die Monetary Authority of Singapore (MAS). Sie bestimmt die Geldpolitik und verwaltet die Reserven, die in hochliquide Instrumente wie ausländische Schatzbriefe mit erstklassiger Bonität angelegt sind. Die MAS geht noch geheimnisvoller als die GIC vor. So ist nicht bekannt, mit welcher Summe die Zentralbank ausgestattet ist. Auch schwankt der sing. Dollar gegenüber Fremdwährungen nicht frei. Der Außenwert orientiert sich an einem ganzen Korb von Währungen, dessen Zusammensetzung Staatsgeheimnis ist. Zwar gibt es wegen der mangelnden Transparenz keine greifbaren Beweise dafür, doch ist davon auszugehen, dass die MAS mittels ihrer Wechselkurspolitik erheblichen Einfluss auf die Resultate von Temasek und GIC nimmt. Darüber hinaus kann von einer Unabhängigkeit der Zentralbank, so wie sie etwa die Europäische Zentralbank oder Schweizer Nationalbank genießen, keine Rede sein. In ihrem Direktorium sitzen nicht nur der weiter der Regierung angehörende Ex-Premierminister Goh Chok Tong, sondern auch der Minister für Handel und Industrie wie auch ein hochrangiger Vertreter des Finanzministeriums. Doch die personelle wie auch organisatorische Verflechtung zwischen MAS, GIC und Temasek geht noch viel weiter: An der Spitze von GIC sitzt nämlich Lee Kuan Yew, der Gründervater Singapurs und langjährige Ministerpräsident. Sein Sohn wiederum ist der aktuelle Premierminister, Lee Hsien Loong, der in Personalunion auch Finanzminister ist. Dessen Gattin wiederum, Ho Chin, leitet Temasek, die wiederum direkt dem Finanzministerium untersteht. Kontrolle unterbindet Kritik Diese in westlichen Staaten wohl undenkbare Konstellation ist nur möglich, weil Singapurs Presse vom Staat eng an der Leine geführt wird und die Opposition weitgehend mundtot gemacht worden ist. Fragen nach der Performance der staatlichen Fonds oder Unternehmen unterbleiben damit weitgehend. Die Regierung Chinas hat vor der Lancierung ihres eigenen internationalen Fonds das Singapurer Modell eingehend studiert. Vorderhand ist es aber noch zu früh zu sagen, welche Elemente sie übernehmen will oder kann. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass China sehr viel später beginnt als Singapur und damit auch auf international andere Verhältnisse stößt. Temasek wurde 1974 von der Regierung gegründet, als privates Kapital infolge des von der ersten Erdölkrise ausgelösten Tiefs der Weltwirtschaft auch in Singapur knapp war.Der Investitionsgesellschaft kam die Rolle zu, den Aufbau der modernen Industrieunternehmen zu finanzieren. Erst in den neunziger Jahren diversifizierte sie ihre Anlagestrategie und expandierte ins Ausland. Der neue chinesische Staatsfonds hingegen kommt zu einer Zeit, in der die Binnenwirtschaft – angetrieben von einer wahren Liquiditätsflut – boomt. Dank ausländischer Direktinvestitionen, schnell wachsender Exporteinnahmen und in Erwartung einer Aufwertung der Landeswährung Yuan zufließender spekulativer Gelder hat China mittlerweile mit 1,3 Bill. Dollar die weltweit größten Währungsreserven. Yuan-Aufwertung birgt RisikoAllerdings ist ein Großteil in niedrigverzinsliche US-Schatzbriefe angelegt. Da der Yuan gegenüber dem Dollar schätzungsweise 20 bis 40 % unterbewertet ist, muss China damit rechnen, dass es bei gleicher Anlagestrategie bei der erwarteten Abwertung des Greenback große Verluste in Kauf nehmen muss. Die jetzt im Aufbau befindliche staatliche Anlagegesellschaft, der bald schon ähnliche Fonds zur Seite gestellt werden dürften, kann also nicht wie Temasek zuerst zu Hause Erfahrungen sammeln, sondern muss von Anfang an durch eine aggressive Anlagestrategie hohe Renditen erwirtschaften. Das dürfte zumindest am Anfang nicht nur deshalb schwierig werden, weil vieles darauf hinweist, dass die weltweiten Finanzmärkte nach einem langen Höhenflug jetzt in eine ruhigere Phase eintreten. Der chinesische Staatsfonds kann sich auch – anders als Temasek und GIC – nicht mehr oder weniger unbemerkt von der Weltöffentlichkeit einen Platz auf dem globalen Finanzmarkt schaffen. Singapur ist zwar reich, doch hat es eine Bevölkerung von lediglich 6 Millionen Menschen und ist damit machtpolitisch unbedeutend. China hingegen ist eine aufstrebende Großmacht. Wo immer staatliche Fonds oder Unternehmen im Ausland Akquisitionen tätigen, wird – anders als bei Singapur in der Vergangenheit – genau hingeschaut. Spektakulär gescheitertSo musste etwa der chinesische Erdölkonzern CNOOC die Übernahmen des US-Konkurrenten Unocal 2005 wegen politischen Widerstands in Washington aufgeben. Selbst Temasek musste kürzlich erfahren, dass allmählich gewichtiger werdende staatliche Fonds kleiner Länder, die im Ausland auf Einkaufstour gehen, auf Ablehnung stoßen. Die Anfang 2006 erfolgte, 1,9 Mrd. Dollar schwere Übernahme des thailändischen Telekom- und Medienkonzerns Shin Corp löste in der Öffentlichkeit einen Schrei der Empörung aus und führte zum Sturz des thailändischen Ministerpräsidenten. Die Aktie verlor mehr als die Hälfte ihres Wertes. Die Anlagestrategie von Temasek im Ausland könnte auch dann zu einem sehr teuren Geschäft werden, wenn wirtschaftlich nötige, doch unpopuläre Investitionsentscheide zu diplomatischen Spannungen führen. Meist sind zwar ausländische Geldgeber willkommen, wenn sich schwache Unternehmen durch kräftige Finanzspritzen und Umstrukturierungen retten. Doch sollte der Fall auftreten, dass sie sich in einem schwieriger werdenden Umfeld zurückziehen, Personal entlassen und als Steuerzahler wegfallen, werden für Singapur gerade auch in den umliegenden Staaten außenpolitische Probleme entstehen. Politische VerwicklungenDas bisher durchaus erfolgreiche Singapurer Modell ist aber auch deshalb für China nur beschränkt kopierbar, weil es wohl nur in einem gut überschaubaren Stadtstaat, der von einer autokratisch regierenden Familie wie ein Unternehmen geführt wird, machbar war und ist. Investitionsentscheidungen können hier leicht getroffen werden. China hingegen ist zwar auch keine Demokratie, doch ist der politische Apparat ein komplexes Gebilde mit vielen rivalisierenden Gruppen. Enge personelle Verflechtungen zwischen staatlichen Fonds und Zentralbank, die es erlaubten, Probleme praktisch am Sonntag beim gemeinsamen Mittagessen zu besprechen, sind im Falle Chinas nicht praktikabel. China fällt auf China wird anders als Singapur auch allein wegen seiner Größe kaum fähig sein, durch eine von anderen Investoren unbemerkte Intervention am Devisenmarkt seinen Fonds unter die Arme zu greifen. Wie und wo der Staat seine Gelder anlegt, dürfte hingegen zumindest bei der nächsten größeren wirtschaftlichen Krise zum Politikum werden. Das vor allem, wenn Verluste, die verheimlicht werden können, in Kauf genommen werden müssen. Vieles weist darauf hin, dass auch im politisch langsam sich öffnenden Singapur von einer kritischen Öffentlichkeit mehr Transparenz in Sachen Staatsfinanzen verlangt wird. Dann könnte sich herausstellen, dass die Renditen von Temasek weit tiefer sind oder dank kräftiger Mithilfe von GIC und der Zentralbank teurer erkauft sind, als bisher angegeben. Damit könnten hier die Tage des Staatskapitalismus gezählt sein. China setzt mit seinen staatlichen Anlagefonds vielleicht auf ein Auslauf- und kein Zukunftsmodell.