ASSET MANAGEMENT - IM GESPRÄCH: VINCENT STRAUSS

Comgest sucht nach Perlen für das Portfolio

Französisches Fondshaus wählt nur wenige Aktien mit langfristigen Perspektiven aus - Viele Kunden aus Deutschland und Österreich

Comgest sucht nach Perlen für das Portfolio

Die französische Fondsboutique Comgest möchte als Luxusanbieter wahrgenommen werden. In ihren Fonds sollen nur wenige ausgewählte Perlen liegen. Unternehmen mit starken Marken oder Patenten gehörten ins Portfolio, aber keine Banken, sagt Comgest-Chef Vincent Strauss. Deutschland und Österreich seien zusammen der wichtigste Auslandsmarkt.Von Gesche Wüpper, ParisKlein, aber fein, lautet das Motto von Comgest. Das verwaltete Vermögen der 1985 gegründeten unabhängige Fondsboutique stieg von 15,7 Mrd. Euro Ende März 2012 auf 16,3 Mrd. Euro im Folgejahr. Auch heimst die Gesellschaft regelmäßig Auszeichnungen ein. Allerdings sank das verwaltete Vermögen 2011 um mehr als 10 %, was nach Angaben von Comgest weitestgehend auf die damaligen Marktschwankungen zurückzuführen ist und nicht auf Nettomittelabflüsse. Traum vom Luxus”Wir träumen davon, wie Hermès zu sein”, sagt Comgest-Chef Vincent Strauss in Anspielung auf das für seine exklusiven Lederwaren bekannte Luxusgüterunternehmen aus Paris. “Wir möchten unseren Kunden exzellente Produkte bieten.” Zu den bekanntesten der gerade einmal 15 Fonds gehören Comgest Magellan für Schwellenländer und Comgest Growth Europe für den alten Kontinent.Deshalb sucht die Fondsgesellschaft, die ausschließlich auf Aktien setzt, Unternehmen mit langfristigen Perspektiven, statt ständig das Portfolio zu verändern. “Modephänome sind gefährlich”, meint Strauss. “Nehmen Sie den Begriff der BRIC-Staaten: Der ist total absurd. Denn was haben Länder wie Brasilien, Russland, Indien und China gemeinsam? BRIC, das ist ein reiner Marketingbegriff, der aber bei vielen Leuten gut angekommen ist.” Comgest dagegen biete bewusst keine Marketingprodukte oder Anleihen an. Letztere seien geradezu grotesk überbewertet, findet Strauss. “Fast schon obszön””Wir wollen nicht allen gefallen”, sagt er. “Aber unsere Kunden verstehen das.” Denn diese seien genau wie Comgest an einer langfristigen Strategie interessiert, da sich unter ihnen beispielsweise viele Pensionsfonds befänden. “Wir suchen für sie Unternehmen mit außergewöhnlichen, ja fast schon obszönen zweistelligen Wachstumsraten und versuchen zu verstehen, warum sie diese auch in den kommenden fünf Jahren behalten werden”, erklärt er.Deshalb sei es für die 110 Mitarbeiter, die für Comgest in Paris, Dublin, Düsseldorf, Hongkong, Singapur und Tokio arbeiten, auch wichtig, mit den Konkurrenten der ausgewählten Firmen zu sprechen. “Die von uns ausgewählten Unternehmen haben alle etwas Besonderes: Neben einer langfristigen Perspektive beispielsweise besondere Patente oder Marken wie L’Oréal”, sagt Strauss. Meist schaffen es deshalb gerade einmal 30 bis 40 Titel in die Comgest-Portfolios.In Deutschland beispielsweise gehört Linde dazu. “Es gibt weltweit nur fünf Anbieter von Industriegasen. Linde hat langfristige Partnerschaften, und zudem wird Industriegas stark in Wachstumsmärkten genutzt”, erklärt Strauss. Auch Brillenglashersteller Essilor aus Frankreich befinde sich bereits seit Langem im Portfolio von Comgest. “Das Unternehmen ist sehr gut geführt, und die Mitarbeiter werden am Gewinn beteiligt.”Dagegen sei es immer ein schlechtes Zeichen, wenn die Finanzchefs innerhalb kurzer Zeit mehrmals ausgewechselt würden. “Ein starker Wechsel innerhalb der Führungsmannschaft ist nie gut”, meint er. Für den langfristigen Erfolg sei es wichtig, dass das Management die Mitarbeiter gut behandele – denn nur dann würden diese bleiben und sich entsprechend einsetzen: “Wie ein Unternehmen geführt ist, ist essenziell für uns.” Kreditinstitute wird man deshalb vergeblich in den Portfolios von Comgest suchen. “Banken sind in der Regel schlecht geführt”, meint Strauss. “Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe ja selbst lange für eine Bank gearbeitet.” Wie eine FamilieLangfristigkeit spielt auch bei Comgest selbst eine große Rolle. Die Gründer und Mitarbeiter der Gesellschaft besitzen sämtliche Anteile am Kapital. Die Hierarchien sind bewusst flach gestaltet. “Wir sind wie eine Familie”, sagt Strauss. “Es ist wichtig für uns, unabhängig zu sein, und wir hoffen, dass wir das auch in zehn, ja 20 Jahren noch sind.” Die zur Zeit rund 110 Mitarbeiter stammen aus mehr als 20 verschiedenen Nationen. “Wir sind also nicht allzu französisch, sondern haben eine sehr diversifizierte Kultur”, sagt der Comgest-Chef. “Drei Viertel unserer Kunden kommen von außerhalb Frankreichs. Deutschland und Österreich zusammen sind für uns der zweitwichtigste Markt nach Frankreich, vor dem nordamerikanischen.”Im Verhältnis zu den Kunden setze Comgest ebenfalls auf Langfristigkeit. “Wir betrachten unsere Kunden als Partner”, sagt Strauss. “Wenn sie Informationen von uns haben wollen, versuchen wir, sehr schnell darauf zu antworten. Transparenz ist eines der Leitmotive im Umgang mit unseren Kunden.”Die Aussichten für Europa beurteilt der 57-jährige Schweizer nicht gerade positiv. Denn die Probleme des Finanzsektors seien noch immer nicht gelöst. “Seit Ausbruch der Krise 2007 ist absolut nichts gemacht worden. Wir brauchen einfache Regeln.” So müssten die Bankmanager haftbar gemacht werden, systemische Risiken beseitigt und Derivate verboten werden. “Derivate erlauben Gewinne zu machen, die es gar nicht gibt”, meint Strauss. “Wir machen neue Regeln, aber es wird immer schwieriger, Kredite zu bekommen. Wir töten so die Wirtschaft.” Millionäre unerwünschtIn Frankreich selbst werde die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die inzwischen bei rund 25 % liegt, zu gesellschaftlichen Problemen führen, prophezeit Strauss. “Frankreich ist ein Land der Beamten. Die Franzosen mögen keinen Erfolg. Leute, die Millionen verdienen, gelten als Drecksäcke”, sagt er. Die Werterelation müsse nun wieder zurechtgerückt werden, denn es gebe im Land eine Zweiklassengesellschaft: die der Beamten und die der Privatwirtschaft.”Ich bin aber dennoch optimistisch”, sagt Strauss. “Die Situation in Frankreich ist so unerträglich geworden, dass endlich Reformen gemacht werden müssen. Frankreich bewegt sich nur dann, wenn es richtig weh tut.”