Asset Management - Staatsfonds

Der "Alberta Heritage Fund" ist auf Ölsand gebaut

Die reichste kanadische Provinz spart für schlechte Zeiten - Wertentwicklung von 12 Prozent 2006 - Zuschüsse für die Infrastruktur

Der "Alberta Heritage Fund" ist auf Ölsand gebaut

Von Markus Gärtner, Vancouver In Alberta nennen sie den Heritage Fund schlicht einen “Rainy Day Fund”, einen Kapitalpool für die weniger schönen Tage. Wie die aussehen, weiß in der westkanadischen Boomprovinz aber kaum noch jemand. Denn der Boom in den Ölsanden – mit 173 Mrd. Barrel das zweitgrößte Vorkommen nach Saudi-Arabien – hat Albertas Konjunktur so auf Hochtouren gebracht und den Arbeitsmarkt so leergefegt, dass Energiefirmen einen Teil ihrer Spezialisten schon in den Gefängnissen suchen.Das Wachstum zwischen der Kapitaldrehscheibe der Provinz Calgary und der eigentlichen Ölhauptstadt Edmonton, weiter nördlich in der Provinz, ist doppelt so hoch wie in den meisten anderen Provinzen des Ahornlandes. Und die Immobilienpreise schießen in den Himmel. Alberta verzeichnet fast so viel Zuwanderung wie alle anderen Provinzen des Landes zusammen. Kein Wunder, dass Albertas Finanzminister Lyle Oberg am 21. Juni für das abgelaufene Finanzjahr (31. März 2007) einen Budgetüberschuss von 6,2 Mrd. Euro meldete, mehr als die Bundesregierung in Ottawa. Es sind diese Überschüsse, die das Anlagevermögen des als Regentag-Fonds titulierten “Alberta Heritage Savings and Trust Fund” seit 2003 um 49,5 % auf jetzt 16,6 Mrd. kan. Dollar mit aufgebläht haben, umgerechnet 11,5 Mrd. Euro.Der Heritage Fund, 1976 durch ein Provinzgesetz ins Leben gerufen, ist in Kanada einzigartig. Er soll laut seinem Statut “die Überschüsse aus Albertas nicht erneuerbaren Energien verantwortungsvoll verwalten und durch optimale Verzinsung für künftige Generationen sorgen”. Weil die Ölsandproduktion regelrecht explodiert – sie soll sich bis Mitte des kommenden Jahrzehnts auf 3 Mill. Barrel je Tag verdreifachen – hat die Provinz in den vergangenen beiden Jahren allein 3 Mrd. kan. Dollar an den Heritage Fund überwiesen. Und der geht mit dem Geld offenbar gut um. Im vergangenen Jahr hat er eine Rendite von 12,4 % erwirtschaftet. Seit 2002 kann er eine durchschnittliche jährliche Verzinsung von 8,8 % nachweisen. Ein Viertel lokal investiert Rund ein Viertel seiner kanadischen Aktienanlagen sowie seiner Immobilien- und Private-Equity-Investments hat der Fonds in Unternehmen der Provinz selbst investiert. Insgesamt machen Anlagen in Alberta 9 % des Volumens des Fonds aus. Er speist sich also zu einem guten Teil auch aus der Erfolgsgeschichte Albertas. Auf der Website des Finanzministeriums von Alberta, das den Fonds verwaltet, werden zwei wichtige Anlageprinzipien genannt: Eine starke Diversifizierung, die das Risiko begrenzen soll, und eine langfristige Perspektive, um höhere Erträge zu erzielen. Weil auf lange Sicht Aktien die Nase vorn haben, ist der Heritage Fund etwa zur Hälfte in Dividendenpapieren investiert. Der Fonds bekommt aber nicht nur Überschüsse aus dem Provinzbudget, er zahlt auch aus. Von den Anlageerträgen – umgerechnet 1,15 Mrd. Euro im vergangenen Jahr – wurde so viel einbehalten wie zum Ausgleich der Inflation erforderlich. Das waren 2006/07 umgerechnet 196 Mill. Euro. Öffentliche AufgabenDer Rest wurde an den “General Revenue Fund” überwiesen, der öffentliche Aufgaben von hoher Bedeutung oder Dringlichkeit finanziert, vor allem Infrastrukturprojekte, Investitionen in Krankenhäuser und andere Medizineinrichtungen und Hochschulprogramme. Investiert wurden die Überschüsse aber auch in Holzwerke, Weizenspeicher und die Ölsande selbst, zum Beispiel in das Syncrude-Projekt. Manager sind FinanzbeamteSeit es den Heritage Fund gibt, hat er dem Fiskus der Provinz 30 Mrd. kan. Dollar erwirtschaftet und damit nicht nur einen wesentlichen Teil zur Verbesserung der Infrastruktur beigetragen, sondern auch maßgeblich dazu, dass Alberta inzwischen schuldenfrei ist. Auch die Verwaltung und Kontrolle des Fonds sind ziemlich einzigartig. Gemanagt wird er von einer Gruppe hoch spezialisierter Finanzbeamter. Der Finanzminister muss jedes Quartal über die Performance berichten. Das Standing Committee, das den Geschäftsplan und den Jahresbericht prüft, ähnelt den Rundfunkräten der ARD. Ihm gehören Mitglieder aller im Parlament vertretenen Parteien an. Der Geschäftsplan des Heritage Fund wird zusammen mit dem Provinzbudget im Parlament präsentiert. Zu kritisieren haben die Aufseher derzeit aber kaum etwas. Die eigene Zielmarke, einen Realzins von 4,5 % zu erwirtschaften, hat der Fonds im vergangenen Jahr um 4,6 Prozentpunkte übertroffen. Das Anlagegebaren wird nicht nur der kritischen Prüfung unabhängiger Finanzprofis in der freien Wirtschaft unterzogen, auch die Ziele und der Charakter des Fonds werden durch öffentliche Zustimmung legitimiert. Das letzte Mal wurden vor vier Jahren 77 000 Bürger der Provinz befragt, wie die Zukunft des Fonds aussehen soll. 61 % der Befragten wollten den Heritage Fund auf jeden Fall als Stiftungsfonds weitergeführt sehen. Eine Umfrage des Marktforschers Leger Marketing Survey vor wenigen Wochen ergab, dass 46 % der Bevölkerung in der Provinz der Meinung sind, die Regierung könne noch mehr von den Überschüssen aus dem florierenden Energiesektor auf die hohe Heritage-Kante legen. “Nebelbank von Geld”Einer der Kritiker ist der Oppositionsführer der Liberalen im Provinzparlament, Kevin Taft. Er hält den Heritage Fund für “underfunded”. Im Klartext: “Meine große Angst als Bürger dieser Provinz ist, dass die Regierung keine Strategie hat. Die fragt sich nicht, wie die Welt in zehn Jahren aussieht. Wir stolpern durch eine Nebelbank von Geld, und das reicht nicht aus.” Letzte Reserve: ÖlsandGemeint ist eine Wirtschaftsstrategie für die Zeit nach dem Ölboom. Doch der hat nach Meinung vieler Insider gerade erst richtig begonnen. Nach dem Scheitern der Gespräche mit dem Präsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, haben die Ölriesen ExxonMobil und ConocoPhillips ihren Rückzug aus Venezuela bekannt gegeben. Die Ölsande in Alberta stellen nun die letzte große Reserve auf dem Globus dar, in der keine Verstaatlichung der führenden Player droht und gleichzeitig attraktive Übernahmemöglichkeiten bestehen. Die “Rainy Days” lassen hier anscheinend noch eine Weile auf sich warten.Zuletzt erschienen: – 7.8.: Russland sitzt auf 500 Mrd. Dollar Reserven – 24.7.: Australischer Future Fund muss 30 Mrd. Euro anlegen – 31.7.: Asiatische Fonds praktizieren Staatskapitalismus