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Der Stern von De Beers sinkt

Dynastie Oppenheimer kehrt Diamanten nach mehr als 100 Jahren den Rücken

Der Stern von De Beers sinkt

Von Kai Johannsen, FrankfurtWer an Diamanten denkt, der denkt an De Beers. Wer an den Diamantminenbetreiber De Beers denkt, der denkt unweigerlich auch an die Familie Oppenheimer, die Dynastie des internationalen Diamantengeschäfts. Seit kurzem sorgt eine Ankündigung von Familie Oppenheimer für Aufsehen und Gesprächsstoff in den weltweit wichtigen Diamantenhandelszentren. Denn die Familie Oppenheimer verabschiedet sich nach mehr als einem Jahrhundert aus dem Diamantengeschäft. Der Einfluss dieser Entscheidung auf den Diamantenmarkt und seine Strukturen wird von Experten zum jetzigen Zeitpunkt als noch nicht eindeutig beurteilt.Im November teilte Nicky Oppenheimer, Chairman von De Beers, mit, dass die Familie schweren Herzens entschieden habe, ihren Anteil an De Beers in Höhe von 40 % an Anglo American zu verkaufen. Der Rohstoffriese Anglo American hält bereits 45 % an De Beers. Der Rest des Diamantenförderers De Beers gehört der Regierung von Botswana, wo De Beers Minen betreibt. Als Kaufpreis wurden 5,1 Mrd. Dollar genannt. Unter Experten gilt der Preis angesichts der sehr guten Aussichten für den Diamantenmarkt und die weltweite Industrie für Diamantschmuck als ausgesprochen fair.Fragen werfen unter Experten sowohl das Verkaufsinteresse der Familie Oppenheimer als auch das Kaufinteresse von Anglo American auf. Zu dem Verkauf könnten Familie Oppenheimer laut Experten folgende Faktoren bewogen haben: divergierende Interessen innerhalb der Familie, Kapitalbedarf, denn schließlich betreiben die Oppenheimers noch die beiden Investmentfirmen Stockdale Street Capital und Tana Africa Capital, oder einfach nur die Gelegenheit zum Verkauf, die die Familie nutzte. Hinsichtlich des Kaufs durch Anglo American hatten Analysten zuvor ohnehin nur zwei Möglichkeiten gesehen: Entweder sollte Anglo den Anteil aufstocken oder die 45 % verkaufen. Denn verständlicherweise konnte Anglo nur mit einer Mehrheit bei De Beers die eigenen Geschäftsinteressen durchsetzen und die Unternehmenspolitik vorantreiben. Cynthia Carroll, CEO von Anglo American, sah in dem Kauf des De-Beers-Anteils ein Commitment für eine hochattraktive Industrie mit sehr starken langfristigen Angebot-Nachfrage-Strukturen.Für Experten wirft der Kauf durch Anglo auch jetzt Fragen auf. Denn es ist bekannt, dass De Beers seit Jahren ein sinkender Stern am Diamantenhimmel ist. Es begann mit Ernest Oppenheimer, der 1902 nach Südafrika kam und 15 Jahre später seine eigene Minengesellschaft gründete: Anglo American. Ein paar Jahre später übernahm er die Kontrolle bei der 1880 gegründeten De Beers. Anfang des 20. Jahrhunderts kontrollierte De Beers rund 90 % der weltweiten Diamantenproduktion. De Beers war Monopolist. Das Ziel von De Beers bestand darin, über längere Zeiträume von Jahren oder Jahrzehnten die Preise für die edlen Steine kontrolliert steigen zu lassen. Steine wurden in Schwächephasen gekauft, in Zeiten anziehender Preise auf den Markt gegeben. Das Geschäft lief Jahrzehnte. Noch in den neunziger Jahren produzierte De Beers rund die Hälfte aller Steine in ihren Minen und kontrollierte 80 % des weltweiten Umsatzes. Marktanteil nimmt stetig abZu schaffen machten De Beers dann aber die Konflikt- bzw. Blutdiamanten, über die sich Käufer Gedanken machten. De Beers reagierte und verkaufte fortan nur noch Steine aus den eigenen Minen. Experten werfen De Beers aber auch vor, dass das Unternehmen als Diamantenförderer wichtige Entwicklungen und Explorationen auf anderen Kontinenten als in Afrika schlichtweg unterschätzt und später damit einfach verschlafen hat. Damit sank der Marktanteil immer weiter. In rund zehn Jahren ging er auf ca. 40 % zurück. Ein Übriges tat die Vermarktungsstrategie Supplier of Choice (SoC), bei der die Direktbezieher (Sightholder von Diamanten) auf eine neue Absatzpolitik verpflichtet werden sollten, um unter anderem mit eigenen Marken den Luxusmarkt (Schmuck etc.) zu erschließen. Derzeit liegt der Marktanteil noch bei rund 35 % aller weltweit verkauften Steine. Konkurrenz bekam De Beers durch Alrosa, einen Diamantminenbetreiber aus Russland, hinter dem der russische Staat steht. Anglo American muss sich nun auch noch auf den Konkurrenzkampf mit anderen Minenbetreibern einstellen. Genannt wurden von Analysten in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit BHP Billiton und Rio Tinto. Hinzu kommen darüber hinaus auch noch kleinere Diamantminenbetreiber wie etwa Petra Diamonds.Bekannt ist auch, dass viele Diamantminen an ihren Kapazitätsgrenzen arbeiten. Die Entdeckung neuer ergiebiger Vorkommen lässt auf sich warten. Zudem ist das Geschäft der Diamantenförderung besonders zeit- und kostenintensiv. Von der Entdeckung einer Mine mit Steinen bis zum Zeitpunkt, zu dem die Steine erstmals auf den Markt gelangen, vergeht laut Experten ein Zeitraum von fünf bis zehn Jahren.Auch aus einer anderen Sicht heraus wird das Diamantengeschäft für De Beers bzw. Anglo American nicht gerade leichter. Die Staaten bzw. Regierungen halten oftmals die Rechte an den Diamantminen. Allein 80 % der Profite aus dem Joint Venture mit De Beers sollen an Botswana gehen. Anglo American operiert zudem in schwierigen Regionen, darunter im nicht gerade stabilen Angola und in Südafrika, wo es durchaus politische Bestrebungen gibt, die Minen zu verstaatlichen. Kontrovers diskutiert wird der Oppenheimer/Anglo-Deal in der Diamantenhandelsszene aber noch aus einem anderen Grund: Ende November gab BHP Billiton bekannt, dass im Rahmen einer Überarbeitung der Geschäftsstrategie eine teilweise oder sogar komplette Abgabe des Diamantenbereichs erwogen wird. Der Bereich trägt nur 2 % zu den Erlösen und auch nur 2 % zur Marktkapitalisierung von BHP Billiton bei. Experten warten gespannt darauf, wie sich der Einstieg von Anglo und der mögliche Ausstieg von BHP auf die Preise auswirken werden.