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Immense Schäden durch Hochfrequenzhandel

Börsen-Zeitung, 26.9.2012 High Frequency Trading: Ultraschnelle Computer kaufen und verkaufen eine Aktie in einer Tausendstelsekunde gleich mehrmals. Jedoch ist nicht etwa die genaue Analyse oder der wirtschaftliche Hintergrund einer Aktie...

Immense Schäden durch Hochfrequenzhandel

High Frequency Trading: Ultraschnelle Computer kaufen und verkaufen eine Aktie in einer Tausendstelsekunde gleich mehrmals. Jedoch ist nicht etwa die genaue Analyse oder der wirtschaftliche Hintergrund einer Aktie entscheidend, es geht vielmehr einfach darum, die Meter zum Server des Börsenbetreibers zu minimieren und in einem gigantischen Wettrüsten der Schnellste zu sein. Börsen verkaufen privilegierten Zugang an den Meistbietenden und werfen ihre traditionellen Kunden den High-Frequency-Trading-Haien zum Fraß vor. Wie konnte es zu einer solchen Entwicklung kommen?Einst ging es einmal um den technischen Fortschritt, die Entwicklung der Präsenzbörse zum computergestützten Handel, die Umstellung der Notierungen von Achtel-, Viertel- auf Bruchteile und schließlich auf Preise mit Dezimalstellen. Die gut gemeinte Intention: Deregulierung, Internationalisierung und Technisierung sollten zu fairen Preisen, einer schnellen und effizienten Abwicklung sowie niedrigen Kosten und höherer Liquidität führen. Die Realität: Der “Flash Crash” im Mai 2010 und die jüngsten Ereignisse um Knight Capital (“Knightmare”) sind nur die prominentesten Beispiele einer entglittenen, unwirksamen Kontrolle und erhöhten Risiken durch die nicht mehr beherrschbare Technik und den offensichtlichen Missbrauch.Die unheilvolle Entwicklung der schleichenden Kapitulation der Regulierer beschreibt ein Zitat von SEC-Chefin Mary Schapiro vor dem US-Kongress im Mai 2011: “Die von der SEC zur Datenerfassung und Kontrolle unseres Marktes eingesetzten Instrumente sind der Aufgabe, den größten Aktienmarkt der Welt zu überwachen, schlicht und einfach nicht gewachsen.” Ein Hase-und-Igel-Rennen, bei dem die Aufsichtsbehörden keine Chance haben, technologisch auch nur annähernd mitzuhalten, geschweige denn, effektiv die Märkte zu überwachen.Es sind die altbekannten Spieler, die sich im High Frequency Trading ebenso wie in den Dark Pools tummeln: große Kreditinstitute, globale Investmentbanken, Broker und Hedgefonds-Manager. Sie alle versuchen, mit Algorithmen – im wahrsten Sinn des Wortes – schnelles Geld zu machen, und gemessen an den Millioneninvestitionen in die entsprechende Infrastruktur muss sich das auch irgendwie lohnen. Denn Geschwindigkeit ist der entscheidende Faktor. Sie definiert sich durch die benötigte Rechenleistung, um Informationen blitzartig zu verarbeiten und den ultraschnellen Marktzugang zur Orderplatzierung zu schaffen. Dabei werden in Bruchteilen einer Sekunde massenhaft Aufträge generiert, die aber meistens gar nicht erst zur Ausführung kommen und vom System rechtzeitig gestrichen werden.Hier liegt einer der großen Mythen der Befürworter des High Frequency Trading begründet: Die wieder verschwindende Orderflut suggeriert bloß eine verbesserte Liquidität an den Märkten. Zitat aus einem Bericht der SEC: “Wie die Securities and Exchange Commission und die Commodity Futures Trading Commission in ihrem gemeinsamen Bericht über den éFlash-Crash` vom 6. Mai 2010 festgestellt haben, ist ein hohes Handelsvolumen nicht notwendigerweise ein verlässlicher Indikator der Marktliquidität.” Vielmehr bewegt sich das Ganze schlicht am Rande einer Manipulation, bei der eine Kauf- bzw. Verkaufsabsicht nur vorgetäuscht wird.Eine ganz neue Spielart ist in den USA vor allem bei Aktien-Neuemissionen zu beobachten: Eine einzelne Aktie wird mit Orders geradezu bombardiert und dann zum Absturz gebracht. Den derzeitigen zweifelhaften Rekord hält die Aktie PSS Word Medical, ein US-Pharmagroßhändler mit sage und schreibe 47 000 Orders in einer einzigen Sekunde. Laut SEC gab es seit Mitte 2010 über 100 solcher ungeklärter Kursbewegungen.Die Börsen müssen nun schnellstens Ihren Zielkonflikt lösen: Einerseits droht durch das weitere Zulassen dieser “Kasino-Mentalität” ein drastischer Imageverlust, andererseits könnte eine verschärfte Regulierung und Selbstbeschränkung das Abwandern der lukrativen High-Frequency-Kunden zur Folge haben. Wenn aber der Zusammenhang von Preis und fundamentalen Faktoren gänzlich verloren geht, dann läuft die Börse Gefahr, zum Selbstzweck zu werden. Das kann aber niemand wollen und muss daher unterbunden werden. Eine Rückbesinnung auf die traditionellen Aufgaben eines Handelsplatzes ist dringend zu empfehlen.Nicht nur für einen quantitativen Fondsmanager sind die Kenntnis und die Berechnung seiner realen Transaktionskosten von größter Bedeutung. Als Konsequenz investiert Invesco stark in die Infrastruktur der Handelsplattform seiner Fonds. Die simple Vorgabe: Wo ist Liquidität “fair”, also zum Wohle der Kunden, zu finden? Diese Fragestellung ist essenziell, denn dauerhaften Erfolg hat nur, wer seine Trading-Strategien komplementär zum Investmentansatz entwickelt und effizient umsetzt.