Asset Management

Japans größter Versicherer kämpft mit Niedrigstzinsen

Nippon Life hat Anlagen komplett umgebaut - Einsparungen und Aktienverkäufe sichern operativen Gewinn - Kaum externe Verwalter

Japans größter Versicherer kämpft mit Niedrigstzinsen

Von Birga Böcker, Tokio Japans Lebensversicherer stecken in einer Situation, um die sie kein ausländischer Wettbewerber beneidet: Seit Jahren verdienen sie mit der Anlage der Versichertengelder nicht mehr die Rendite, die sie ihren Kunden einst versprochen hatten. Im vergangenen Jahr haben sie Schätzungen zufolge im Schnitt weniger als 2 % Rendite auf ihr gesamtes Anlagevermögen erzielt – und das, obwohl sie ihren Kunden vor Jahren eine Verzinsung von zum Teil mehr als 6 % versprochen hatten. Schuld daran ist vor allem die jahrelange Nullzinspolitik der japanischen Notenbank. Doch auch ein erst 2003 gebremster 13-jähriger Kursverfall am Tokioter Aktienmarkt brachte die Assekuranz in Schwierigkeiten. Der “negative Spread” – der Abstand zwischen versprochener und realisierbarer Verzinsung – hat in den vergangenen Jahren mehrere japanische Versicherer zur Aufgabe gezwungen. Die übrigen halten sich mit Kostensenkungen, Sterblichkeitsgewinnen und dem Heben stiller Reserven über Wasser.Japans größter Lebensversicherer, Nippon Life, hat dadurch trotz eines negativen Spread von 270 Mrd. Yen (2 Mrd. Euro) im vergangenen Geschäftsjahr einen operativen Gewinn von 357 Mrd. Yen ausgewiesen. Dank niedriger Buchwerte der Aktieninvestments und einer Anlagepolitik, die in den vergangenen Jahren die Risiken stärker den Auszahlungsverpflichtungen angepasst hat, gilt der Versicherer als einer der stabilsten des Landes. Das bestätigen die Ratings: S & P bewertet die Finanzstärke mit “A+”, Fitch mit “AA-“. Elf Millionen private Versicherte und 300 000 Firmenkunden zählen bei ihrer Altersvorsorge auf Nippon Life. Der Konzern kommt auf eine Bilanzsumme von 46 559 Mrd. Yen (340 Mrd. Euro) und ist damit an Japans Anleihe- und Aktienmarkt ein bedeutender Investor. Für viele inländische Wettbewerber ist Nippon Life zudem die Benchmark, an der sie ihre eigene Kapitalallokation ausrichten. Dadurch haben Portfolio-Umschichtungen des Versicherungs-Riesen großen Einfluss auf das Marktgeschehen in Japan.Dieses gestaltete sich in den vergangenen Jahren ereignisreich. Denn die Krise im Versicherungssektor hat der Unternehmensführung die Notwendigkeit eines angemessenen Asset Liability Management vor Augen geführt. Investments in ausländischen Währungen wurden zurückgefahren, japanische Staatsanleihen gekauft und die Laufzeiten der Bonds insgesamt verlängert. “Früher hatten wir auf Fair-Value-Basis rund 30 % unseres gesamten Vermögens in japanische Aktien investiert”, berichtet Sadao Kato, Managing Director des Versicherers. “Heute sind wir etwa bei 17 %.” Kreditgeschäft lässt nachSeit Anfang der neunziger Jahre hat Nippon Life kräftig umgeschichtet. Japanische Anleihen, die einst im Portfolio ein Schattendasein führten, machen inzwischen mehr als 40 % des Vermögens zu Buchwerten aus. Das ebenfalls wichtige, Versicherern in Deutschland verbotene Kreditgeschäft hat einen Anteil von knapp einem Viertel, auch wenn der Bereich aufgrund einer insgesamt geringeren Kreditnachfrage in Japan rückläufig ist. Der Anteil der Problemkredite ist mit 0,6 % der Kreditsumme sehr gering. An dritter und vierter Stelle in der Anlagestrategie stehen inländische Aktien und ausländische Anleihen. Insgesamt schlummern in diesem Portfolio laut Nippon Life unrealisierte Wertpapiergewinne in Höhe von 3 852 Mrd. Yen. Berechnungen der Ratingagentur Fitch zufolge müsste Japans Nikkei-Index vom aktuellen Niveau um etwa die Hälfte auf 7 100 Yen fallen, bevor sich diese Reserven in Luft auflösen. Bei der Portfolio-Allokation setzt Nippon Life vor allem auf die eigenen Mitarbeiter – fremde Asset Manager kommen fast nie zum Zug. Ein etwa zehn Mitarbeiter umfassendes Team kümmert sich nur um Investments in japanische Aktien, doppelt so viele Mitarbeiter sind für inländische Anleihen zuständig, und mehrere Dutzend managen das Immobilienvermögen des Versicherers. Die ausländischen Aktien- und Bondmärkte behalten etwa 50 Mitarbeiter in Tokio, New York, London und Singapur im Auge. 20 Mrd. Dollar für US-BondsVerantwortlich für die Auslandsinvestments ist General Manager Eiji Arima. Er wacht derzeit über internationale Anleihen mit einem Marktwert von 5 Bill. Yen (36 Mrd. Euro), Aktien im Wert von 600 Mrd. Yen und alternative Investments im Umfang von 200 Mrd. Yen. Von April bis September dieses Jahres haben Arima und sein Team ausländische Bonds im Wert von rund 330 Mrd. Yen hinzugekauft. Wichtige Voraussetzung dafür ist ein Rating von mindestens “A”. Mehr als vier Fünftel des Geldes fließen in Staatsanleihen. “Allein im April und Mai, als der Yen relativ stark war, haben wir Dollar-Anleihen im Wert von 20 Mrd. Dollar gekauft”, berichtet Arima. Beim aktuellen Wechselkurs seien aber keine weiteren Zukäufe geplant, dazu müsste der Dollar schon von aktuell fast 120 Yen auf etwa 110 Yen fallen. Auch der Euro-Kurs ist Arima derzeit bei weitem nicht attraktiv genug. Nippon Life hat weniger als die Hälfte aller ausländischen Bonds gegen Währungsschwankungen abgesichert. Insgesamt besteht das Portfolio zu gut 60 % aus Dollaranleihen, 30 % sind in Euro angelegt. Bei den Aktieninvestments ist der Greenback noch stärker übergewichtet. Wenige Kooperationen Nur einen sehr kleinen Teil ihrer Investments überlässt Nippon Life Vermögensverwaltern außerhalb des Konzerns. In Europa etwa hat der Versicherer eine Kooperation mit der Deutschen Bank. Neben einigen wenigen ausländischen Aktienfonds, die von Dritten und exklusiv für Nippon Life verwaltet werden, gibt der Versicherer nur noch bei Private-Equity-Investments die Zügel aus der Hand. Von insgesamt 100 Mrd. Yen, die für solche Anlagen aktuell vorgesehen sind, wurde mehr als die Hälfte auf 30 bis 40 Private-Equity-Funds verteilt. Der Rest wird, ebenso wie 100 Mrd. Yen an Hedgefondsgeldern, selbst verwaltet. Umschichtungen geplant Nachdem die Performance von Hedgefonds in den vergangenen Jahren eher schwach war, will Arima das Engagement in diesem Bereich künftig eher kürzen, dagegen könnte das Private-Equity-Portfolio “um vielleicht 20 Mrd. Yen” ausgebaut werden. Bei der Zielperformance ist Nippon Life nicht sonderlich streng: “Unsere Benchmark ist die Rendite zehnjähriger japanischer Staatsanleihen (aktuell rund 1,5 %)”, sagt Arima. Die hat er im vergangenen Geschäftsjahr locker geschlagen. Auf alle ausländischen Wertpapiere wurde eine durchschnittliche Rendite einschließlich Kursgewinnen von 2,9 % erzielt. Das war etwas besser als die Performance des Gesamtportfolios von 2,4 %. Doch um das Problem des negativen Spread zu lösen, reicht das nicht. Da kann dem Versicherer wohl nur eine sehnlich erwartete Zinserhöhung der japanischen Notenbank helfen.