Immobilien

Lehman will deutsche Immobilien nach London holen

Investmentbank bereitet Börsengänge hiesiger Bestände am britischen Aktienmarkt vor - Gespräch mit Edmund Craston

Lehman will deutsche Immobilien nach London holen

Von Christoph Ruhkamp,Düsseldorf Deutsche Immobilien sind am ausländischen Kapitalmarkt gefragt. In diesem Jahr hat es bereits drei Börsengänge hiesiger Immobilienbestände in London gegeben. Eine Verstärkung des Trends ist bereits absehbar: Nach Angaben der Investmentbank Lehman Brothers ist die eigene Pipeline für weitere solcher IPOs gut gefüllt.Für den Gang nach London gibt es vor allem einen Grund: “Die Nachfrage internationaler Anleger in London nach börsennotierten Immobilien ist derzeit so groß, dass sie allein aus britischen Beständen nicht bedient werden kann”, sagte Edmund Craston, European Head of Real Estate Investment Banking bei Lehman, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Zudem sei das Angebot von in Deutschland börsennotierten Immobiliengesellschaften im Verhältnis zum wirtschaftlichen Gewicht des Landes viel zu klein (s. Grafik). Weiterer Anreiz: Großbritannien führt 2007 die neue, steuerbegünstigte Rechtsform der Real Estate Investment Trusts (Reits) ein. “Finanzierungsvorteil”Nach Angaben Crastons verschafft ein Börsengang den jetzigen Eigentümern auch einen Finanzierungsvorteil: Sie müssen das für Immobilienkäufe eingesetzte Eigenkapital an der Börse niedriger verzinsen als bei anderen Eigenkapitalquellen und können deshalb bei Bieterwettbewerben um Immobilien auch höhere Preise zahlen. Als Beispiel nennt er die Eurocastle, ein Tochterunternehmen des Finanzinvestors Fortress, das Ende des Jahres ein Immobilienportfolio der Dresdner Bank für den erstaunlich hohen Preis von 2 Mrd. Euro erwarb, dieses Portfolio dann über eine komplexe Struktur mit Sitz in Guernsey in Amsterdam an den Markt brachte und dabei eine Rendite von 350 Mill. Euro erlösen konnte.Schon zuvor gab es mehrere Börsengänge, bei denen deutsche Immobilien in London gelistet wurden. So finanzierte die britische Dawnay Day den Erwerb deutscher Einzelhandelsimmobilien, darunter etwa kleinere Warenhäuser von Karstadt über ein IPO ihrer Tochtergesellschaft Treveria mit einem Volumen von 409 Mill. Euro. Fortress als VorreiterDie Fortress-Tochter Eurocastle machte dasselbe mit einem Paket von Filialen der Deutschen Bank – über eine komplexe Struktur mit einer Zwischenholding in Luxemburg. Weitere Beispiele sind die Immobiliengesellschaft Deutsche Land und der Fonds Puma Brandenburg, der in deutsche Wohnungen investieren will. Das Unternehmen Speymill Deutsche Immobilien, das ebenfalls auf hiesige Immobilienbestände setzt, sammelte dafür Mitte März am Londoner Aktienmarkt 170 Mill. Pfund ein. Derweil weitet Lehman Brothers ihr Immobiliengeschäft in Deutschland aus, das bisher überwiegend aus Finanzierungen bestand. So lieh die Investmentbank dem Finanzinvestor Fortress das benötigte Geld für den rund 1,7 Mrd. Euro schweren Kauf der Dresdner städtischen Wohnungsgesellschaft Woba. Als Cerberus die Berliner GSW erwarb, besorgte Lehman das notwendige Mezzanine-Kapital. Auch Pirelli und Tishman Speyer zählen zu den Kunden bei ihren Büroimmobilien-Käufen in Deutschland.Oft nimmt die Bank einen Teil des Kreditrisikos auf die eigene Bilanz oder tritt sogar als Co-Investor auf – wie etwa beim Kauf von Wohnungen in Berlin gemeinsam mit der österreichischen Conwert. Meist jedoch werden die Kredite später syndiziert oder über das CMBS-Vehikel “Windermere” verbrieft. Auch auf fremde Kreditportfolios setzt die Bank: Anfang Oktober verkaufte der zur AMB Generali Holding gehörende Lebens- und Sachversicherer Aachen Münchener zwei Großkredit-Portfolios für gewerbliche Finanzierungen mit einem Nennwert von insgesamt rund 1 Mrd. Euro an Goldman Sachs und Lehman. Mehr M & A geplant”In Zukunft wollen wir in Deutschland noch stärker in das Geschäft mit der Beratung von Fusionen und Übernahmen im Immobiliensektor einsteigen”, sagte Craston. Der erfahrene Immobilien-Banker war im Januar – nach 18 Jahren bei der UBS – zu Lehman gewechselt. Dort steht der Brite zusammen mit Jim Blackmore an der Spitze eines Teams mit europaweit rund 70 Köpfen.Im Frankfurter Büro kommt man derzeit noch mit vier Leuten aus. “Das wird aber bald aufgestockt”, sagte Craston. Der Banker geht davon aus, dass bald auch an den deutschen Börsen zahlreiche Immobilien-IPOS stattfinden werden. Die kürzlich durchgeführte Kapitalaufnahme der Augsburger Wohnungsgesellschaft Patrizia-Immobilien könnte hier Vorbildcharakter haben.”Das liegt schon allein daran, dass sich einige ausländische Finanzinvestoren von ihren Investments trennen wollen”, sagte Craston. Dazu zählt etwa Fortress, die drei Wohnungsunternehmen – Gagfah, Nileg und Woba – mit zusammen 160 000 Wohnungen erworben hat und diese spätestens Anfang 2007 an die Börse bringen will. Auch der zur britischen Terra Firma gehörenden Deutsche Annington werden solche Ambitionen nachgesagt.Nach Ansicht von Craston wird die Einführung deutscher Real Estate Investment Trusts (Reits) für derlei Börsengänge keine entscheidende Rolle spielen. “Sie werden auch dann kommen, wenn es keine Reits gibt.” Denn auch herkömmliche, börsennotierte Immobiliengesellschaften seien bei Investoren sehr gefragt, weil sie liquider, transparenter und spezialisierter seien als die bislang in Deutschland dominierenden offenen und geschlossenen Immobilienfonds.