Asset Management

Neue Runde im Wettstreit Mensch gegen Computer

Studie: Quantitative Fondsmanager in der Krise unterlegen - Allianz-Aktienchef Utermann erwartet stärkeres Zusammenwachsen

Neue Runde im Wettstreit Mensch gegen Computer

Von Stefanie Schulte, Frankfurt Die Finanzmarktkrise hat der Diskussion neuen Stoff geliefert, ob Computer oder Menschen besser Wertpapiere auswählen können. Auf der einen Seite stehen klassische Fondsmanager, die sich jedes einzelne Unternehmen genau anschauen, bevor sie investieren, und die sich dabei auch auf ihren subjektiven Eindruck (“Bauchgefühl”) verlassen. Ihnen gegenüber stehen quantitative Asset Manager (“Quants”), die statistische Modelle und Computer nutzen, um auf Basis von Bilanz-, Kurs-, Konjunktur- und sonstigen Daten die vermutlich aussichtsreichsten Papiere aus einer großen Zahl von Aktien oder Anleihen zu selektieren. “Traditionalisten” liegen vornEine Zeit lang schnitten die “Quants”, die in den vergangenen Jahren starken Kundenzuspruch verzeichnet hatten, besser ab. Die “Traditionalisten”, die immer noch die Mehrheit der Vermögensverwalter stellen, konnten sich jedoch 2007 und 2008 bestätigt fühlen. Im Durchschnitt hätten fundamentale Vermögensverwalter 2007 eine Überrendite von 2,2 Prozentpunkten und 2008 von knapp 1 Prozentpunkt gegenüber Quant-Managern erzielt. Dies berichtete Jochen Kleeberg, Geschäftsführer des Investment-Consulting-Unternehmens Alpha Portfolio Advisors, auf der Jahrestagung Portfoliomanagement des Uhlenbruch-Verlags in Frankfurt.Dies decke sich mit der Erfahrung der Jahre 1999 und 2000, die vom Börsenboom rund um Internet- und Technologieaktien geprägt waren. Auch diesen Trend hätten die Fundamental-Manager besser zu nutzen verstanden. In den eher ruhigen Jahren nach dem Crash hätten “Quants” dagegen einen Vorsprung von 0,75 bis 3,7 Prozentpunkten gehabt.In weniger rationalen Märkten seien fundamentale Aktienmanager überlegen, argumentierte Andreas Utermann, Aktienchef und Vorstandsmitglied von Allianz Global Investors. So seien sie gleich zu Beginn der Finanzmarktkrise zu dem Schluss gekommen, dass das Bankensystem im Grunde komplett pleite gewesen sei. Deswegen hätten sie gar nicht in Banken-Aktien investiert oder höchstens kleine Positionen aufgebaut.Dagegen hätten Modelle von Quant-Managern auf Basis der offiziellen Daten die Empfehlung ausgegeben, die Hälfte des Portfolios in diese Branche zu investieren. Die Quant-Manager hätten dies zwar nach eigenem Ermessen korrigiert, weil auch sie Anlageentscheidungen des Computers noch einmal anhand von subjektiven Kriterien kontrollierten. Herausgekommen sei jedoch ein Wert “zwischen 0 und 50” und damit angesichts der weiteren verheerenden Kursentwicklung oft ein zu hoher Anteil. Schneeball-VorwurfGar Kennzeichen eines Schneeballsystems bei Quant-Fonds vermutet Jürgen Meyer, Leiter Aktien Euroland und Deutschland bei SEB Asset Management. In optimistischen Marktphasen hätten viele Quant-Fonds Mittelzuflüsse verzeichnet. Da deren Datenbanken oft die gleichen Aktien empfohlen hätten, hätten die Fonds durch umfangreiche Käufe deren Kurse in die Höhe getrieben. In der Finanzmarktkrise seien die “Quants” gezwungen gewesen, diese Aktien in großen Mengen abzustoßen, um Mittelabflüsse aufzufangen oder die Fremdfinanzierungsquote (Leverage) zu senken. Damit hätten sie die Kurse dieser Papiere besonders stark gedrückt. Modelle unter der Lupe”Dies ist Teil des Problems, aber nicht das Hauptproblem”, entgegnete Utermann. Strukturbrüche am Kapitalmarkt wie in der jüngsten Vergangenheit seien “für jeden Quant-Prozess eine Herausforderung”, betonte Peter Oertmann, Gründer und Vorsitzender der Geschäftsleitung des Quant-Vermögensverwalters Vescore. Jedes Modell sei limitiert, und daher sollten sich Quant-Manager verstärkt mit Prognosefehlern und -schwächen auseinandersetzen.Dass sich die Realität des Kapitalmarkts tatsächlich mit Quant-Methoden komplett abbilden lässt, bezweifelt Meyer. “Zahlen gaukeln eine Genauigkeit vor, die in Wirklichkeit nicht existiert. Dort wo die Mathematik die Natur beschreibt, ist sie nicht korrekt. Dort, wo sie korrekt ist, beschreibt sie nicht die Natur”, meinte der promovierte Physiker. Mit dieser Ausbildung ist er unter den traditionellen Fondsmanagern eine Ausnahme, während Physiker häufig als Quant-Manager beschäftigt werden. Komplexe WeltDie Quant-Befürworter argumentieren dagegen, dass die Zahl der Wertpapiere in den vergangenen Jahren so stark gestiegen sei, dass es kaum noch möglich sei, ohne statistische und computerbasierte Methoden einen vollständigen Überblick zu gewinnen. “Wenn ich aus 2 000 Titeln auswählen muss, kann ich täglich eine Entscheidung treffen. Dazu brauche ich eine Systematik, die vernünftig und logisch klingt und sich bewährt hat”, argumentiert Andreas Sauer, Chief Investment Officer der Quoniam Asset Management (früher Union Panagora), einer Tochter der genossenschaftlichen Union Asset Management. Neben dem rasanten Anstieg der Anzahl der Wertpapiere hätten auch die verbesserte IT-Technologie und die bessere Verfügbarkeit von Daten dazu beigetragen, dass das quantitative Asset Management sich in den vergangenen Jahren stark verbreitet habe.Utermann von der Allianz prognostizierte daher, dass beide Welten in Zukunft stärker zusammenwachsen werden. Auch traditionelle Fondsmanager dürften Quant-Methoden zur Unterstützung heranziehen. Quant-Manager würden dagegen mehr subjektive Kriterien anlegen, um in möglichen künftigen Kapitalmarktkrisen besser reagieren zu können. Ohne Navi genauso schnellQuant-Management sei vergleichbar mit einem elektronischen Navigationssystem, argumentierte Oertmann. Die meisten Menschen benutzten eines, obwohl sie sich in ihrer eigenen Stadt gut auskennen würden. “Eine Studie hat aber ergeben, dass Menschen ohne Navigationssystem fast genauso schnell ankommen”, konterte Allianz-Aktienchef Utermann – und entschied damit den rhetorischen Schlagabtausch für sich. Der Ausgang des Wettbewerbs zwischen “Quants” und “Traditionalisten” ist dagegen noch offen. Er hängt unter anderem von der Frage ab, ob sich in den kommenden Jahren die Kapitalmärkte wieder beruhigen – und ob die “Quants” dann wieder die besseren Ergebnisse erzielen.