Projektfinanzierung erlebt Renaissance in Deutschland
Herr Stenz, Sie beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit der Projektfinanzierung. Worum handelt es sich hierbei genau?Projektfinanzierung ist eine besondere Form der Fremdfinanzierung auf Non-Recourse-Basis, also ohne Rückgriff auf den oder die hinter dem Projekt stehenden Investoren. Das Projekt finanziert sich sozusagen aus sich selbst heraus, d. h. mit dem Ertrag, den es etwa durch den Betrieb einer Straße erwirtschaftet und zur Rückzahlung des Kredites verwenden kann. – Warum ist die Projektfinanzierung neuerdings wieder in aller Munde?In den vergangenen Jahren erlebte die Projektfinanzierung in Deutschland eine Art Dornröschenschlaf. Das lag meines Erachtens zum einen daran, dass sich die deutschen Geschäftsbanken teilweise bewusst aus diesem Gebiet zurückzogen, es andererseits in den klassischen Gebieten, in denen sich projektfinanzierte Strukturen realisieren lassen, wenig oder gar keine Investitionsimpulse in Deutschland gab. Eine Ausnahme waren hier vielleicht die zahlreichen Windkraftanlagen, die häufig im Wege der Projektfinanzierung finanziert worden sind. – Wo stellen Sie jetzt das verstärkte Interesse fest?Insbesondere bei Public Private Partnerships und zunehmend bei Energieprojekten. Bei einem PPP handelt es sich um eine Form der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand auf Projektfinanzierungsbasis – ein relativ neues Beschaffungskonzept der öffentlichen Hand. Ziel ist es, für geplante öffentliche Projekte ein – wegen des erhöhten Wettbewerbs der Privaten – besonders günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis für die öffentliche Hand zu erzielen. Dies erreicht man dadurch, dass man bereits in der Ausschreibungsphase auf hohe Transparenz bei Preisen und Kosten achtet und feste Leistungsparameter für einen – so weit wie möglich – festen Gesamtpreis vereinbart. Straßenbau ist hier zurzeit das bestimmende Thema, aber auch im öffentlichen Hochbau gibt es erste Projekte. Denken Sie an die 100 Schulen in Offenbach, ein Pilotprojekt, bei dem der Kreis Offenbach die Renovierung und anschließende Verwaltung der Schulgebäude des Kreises in private Hände gegeben hat. – Und Energieprojekte?Auch hier gibt es eine Belebung in Deutschland. Der Kraftwerkspark ist überaltert. Hinzu kommt der Ausstieg aus der Atomkraft. In den nächsten Jahren kommt auf Versorger ein erheblicher Investitionsbedarf zu, so dass sich insbesondere kleinere Versorger Gedanken darüber machen müssen, wie neue Kraftwerke zu finanzieren sind. Diese gehören weltweit zu den typischerweise projektfinanzierten Vorhaben. In Deutschland ist das aus historischen Gründen nicht so. Das könnte sich ändern, und das jüngst von Trianel initiierte Gemeinschaftskraftwerk in Hamm-Uentrop, bei dem sich Stadtwerke zusammengetan haben, um gemeinsam in einen Kraftwerksneubau zu investieren, könnte eine Trendwende darstellen. – Welche anderen Gebiete sind aus Ihrer Sicht geeignet?Grundsätzlich die gleichen Gebiete wie in unseren Nachbarländern. Also öffentlicher Hochbau, dazu gehören neben Schulen auch Verwaltungsbauten, Krankenhäuser und Gefängnisse, und Infrastruktur, also die Straßen und Autobahnen, und mittelfristig auch die Schiene. Wir haben erst kürzlich ein Projekt begleitet, bei dem es um militärisch genutzte Flugsimulatoren geht. Das zeigt, dass es eine Fülle von PPP-Projekten geben kann, vorausgesetzt, die Beteiligten sind offen, über solche Alternativen nachzudenken. – Wo sehen Sie die rechtlichen Probleme bei der Umsetzung von PPP-Projekten? Die Probleme liegen hauptsächlich darin, dass die wirtschaftlichen Risiken vertraglich so verteilt werden müssen, dass sie von dem getragen werden, der sie am besten kontrollieren und steuern kann. Bei der Risikoanalyse helfen die Erfahrungswerte, die die Anwälte in unseren ausländischen Büros bei vergleichbaren Projekten gesammelt haben. Auch wenn das Recht verschieden ist, so sind doch die kommerziellen und risikotechnischen Fragestellungen fast immer identisch. Darüber hinaus verlangen Banken die “Bankability” als Voraussetzung für die Finanzierung – also die adäquate Verteilung der projektimmanenten Risiken zwischen öffentlicher Hand, Investor und Bank. Das kann sich bei den Vertragsverhandlungen je nach Vorgaben der öffentlichen Hand zu einem schwierigen Balanceakt zwischen Investor und Bank entwickeln. – Glauben Sie, dass solche Finanzierungsformen eine Zukunft in Deutschland haben?Ich erwarte eine zunehmende Akzeptanz und bin zuversichtlich, dass sich solche Finanzierungsformen auch hier dauerhaft etablieren. Die jüngsten Entwicklungen machen Mut. Dr. Peter Stenz ist Partner der internationalen Anwaltsgesellschaft Allen & Overy LLP. Die Fragen stellte Walther Becker.