Asset Management

Viele Strategien für "das bisschen Geschäft"

Private Wealth Management im Armenhaus Deutschlands Berlin - Etablierte Adressen dominieren - Angst vor Geldwäsche

Viele Strategien für "das bisschen Geschäft"

Von Ulli Gericke, Berlin Keine Großstadt hierzulande ist so arm wie Berlin. Dabei zeichnet sich die Kommune nicht nur durch eine immense Verschuldung von reichlich 60 Mrd. Euro aus. Auch die Arbeitslosigkeit erreicht Rekordwerte, während das Wirtschaftswachstum seit Jahren dem bundesdeutschen Trend hinterherhinkt. Und dennoch ist die Liste der vor Ort präsenten Privatbanken durchaus ansehnlich – angefangen von Sal. Oppenheim über Trinkaus & Burkhardt, Credit Suisse, Merck Finck & Co und UBS bis zu den lokalen Größen Gries & Heissel Bankiers, Bankhaus Löbbecke und Weberbank. Die einstige Tochter der Bankgesellschaft war vor knapp einem Jahr von der WestLB übernommen worden, die mit der Akquisition wieder in das Private Banking zurückkehren wollte – ein Geschäftszweig, der erst wenige Jahre zuvor an Merck Finck verkauft worden war. Eher wohlhabend als reich Hintergrund für diese doch stolze Präsenz der Vermögensverwalter sind Schätzungen, nach denen es in der armen, aber auch großen Metropole rund 150 Familien mit einem freien Vermögen von 30 Mill. Euro und mehr gibt sowie 15 000 bis 20 000 Haushalte mit liquiden Mitteln von mindestens 250 000 Euro. Immerhin – auch wenn diese Zahlen deutlich hinter Vergleichswerten von Hamburg, Düsseldorf oder München zurückbleiben, wo zudem noch ein interessantes Umland lockt. Generell gilt, dass in Berlin die sogenannten “High Networth Individuals” fehlen, weswegen sich die Vermögensverwalter mit den “Affluents”, den lediglich Wohlhabenden, begnügen müssen – ein “Standort mit Potenzial”, wird der Umstand in der Branche umschrieben. Platzhirsche in Grunewald . . . Als Platzhirsche in der verschwiegenen Welt der Private Wealth Manager gelten die Deutsche und Berliner Bank, die Weberbank und UBS. Die gestandenen Häuser haben offensichtlich Vorteile vor den Neuankömmlingen – selbst wenn diese nun auch schon reichlich ein Jahrzehnt in der Stadt vertreten sind. ” Der Kuchen ist verteilt”, meint etwa Guido Mundt, der Vorstandsvorsitzende der seit gut 50 Jahren im Südwesten (West)Berlins ansässigen Weberbank. Diese ist auf ihren Standort nicht wenig stolz, liegt er doch an der zentralen Einfalls straße aus den reichen Stadtteilen Dahlem, Zehlendorf und Wannsee in die Stadt. Ähnlich prominent in einer Villa im Grunewald ist Gries & Heissel beheimatet – gegründet von zwei Bankern wenige Jahre vor dem Mauerfall als Reaktion auf die wachsende Unzufriedenheit vermögender Familien mit den angestammten Großbanken.Alle anderen – nach der “Wende” zugezogenen – Private Banker haben sich für die gegenteilige Strategie entschieden. Statt in den wohlhabenden Wohnvierteln haben sich Trinkaus und UBS am Ku’damm angesiedelt. Die Löbbecke-Mutter, das Bankhaus Warburg, hat für seine neue Repräsentanz ebenso das alte Berliner Zentrum auserkoren wie Merck Finck und Sal. Oppenheim, die beide in historische Bankkontore gezogen sind. Die Münchener nutzen Räume, die die Familie von Finck 1940 von der Schweizer Guyerzeller Bank erworben hatte. Oppenheim zog in das einstige Domizil von Mendelssohn & Co, der vor 100 Jahren größten deutschen Privatbank. . . . Neuankömmlinge in MitteDie Gegend ist nach den Worten von Merck-Niederlassungsleiter Jörg-Guido Kutz ideal, arbeiten doch in unmittelbarer Nachbarschaft viele Rechtsanwälte, Lobbyisten, Wirtschaftsprüfer oder Verbandsvertreter. Die – oft zugereiste – Klientel wohne auch in erstaunlich hohem Maße in der Innenstadt, wohingegen die bürgerlichen Viertel im Südwesten inzwischen in Teilen sehr alt geworden seien. Die dort ansässigen Weberbank sowie Gries und Heissel loben dagegen ihre Standorte als zentral für Gelddinge, die doch lieber in der Freizeit als während der stets gehetzten Arbeit beredet würden. “Wir wohnen dort, wo unsere Kunden wohnen”, betont etwa Klaus Hoffmann, der Vorstandsvorsitzende der Gries und Heissel Bankiers AG.Ähnlich unterschiedlich ist die Wahrnehmung der lokalen Konkurrenten. Die einen sehen wachsende Verunsicherung bei Kunden und Mitarbeitern der Berliner Bank, die von der Deutschen übernommen wird, sowie der Weberbank, die angeblich durch den WestLB-Kauf von einer “elitären Privatbank zu einer Sparkasse” mutiere. Die Betroffenen freilich weisen dies zurück. Ganz im Gegenteil habe die Weberbank im vergangenen Jahr etwa ein Fünftel an verwaltetem Vermögen hinzugewonnen, versichert Mundt. Auch bei der einstigen Bankgesellschafts-Tochter Berliner Bank wird geschworen, dass keine Kunden abwanderten – wobei speziell beim Private Banking das Vermögen oft erst langsam zu anderen Häusern diffundiert, bevor die Kunden im letzten Schritt ihre Bankbeziehung komplett kündigen. Bescheidene LandesbankDass die Berliner dennoch an ihrer Mindestanlagesumme von etwa 500 000 Euro an liquiden Mitteln festhält, während sich fast alle Wettbewerber mit Berlin-bescheidenen 250 000 Euro begnügen, spricht freilich für gesundes und anhaltendes Selbstvertrauen. Übertrifft die Berliner Bank mit den geforderten liquiden Geldern den Branchenschnitt, so unterschreitet die Schwester Landesbank (als Mutter der hauptstädtischen Sparkassen) das Berliner Limit. Hier müssten 100 000 Euro frei für die Anlage zur Verfügung stehen, oder ein Jahresnettoeinkommen von 72 000 Euro pro Person, um Zugang zum Private Banking Center zu erhalten. Dabei wird betont, dass in besagtem Private Center das Angebot weit über die sparkasseninternen Verbundprodukte hinausreiche. Auch Merck Finck, Gries und Heissel oder die Weberbank betonen ihre “offenen Produktarchitekturen”, bei der die Angebote nach der “Best-select-Methode” von unabhängigen Anbietern ausgewählt würden. Als generellen Unterschied zwischen den Wohlhabenden am Berliner Platz zu denen an anderen Orten wird übereinstimmend die höhere Immobilienquote am verwalteten Vermögen beobachtet – eine Folge der industriellen Schwäche sowie eine Konsequenz der jahrzehntelangen staatlichen Förderung des Mietwohnungsbaus. Für diese Anomalie sieht sich Gries und Heissel mit seiner Mutter Delta Lloyd bzw. dem britischen Aviva-Konzern bestens aufgestellt. Da in der Versicherungsgruppe riesige Immobilienbestände existierten, sei hohe Kompetenz bei der Be- und Verwertung im Haus vorhanden – “wir machen Steine zu Liquidität”, erklärt Hoffmann, nicht ohne vom letztjährigen Kundenwachstum von knapp 20 % zu schwärmen. Diese Erfolgsmeldung macht Konkurrenten freilich etwas ratlos – heißt es doch vielfach, dass Gries und Heissel im Markt wenig wahrgenommen werde. Russischer MitarbeiterUmso deutlicher wahrgenommen werden dagegen in Berlin osteuropäische Neureiche. Nicht zuletzt bei den feinen Ku’damm-Adressen wie Hermès, Versace und Yves Saint Laurent, die in unmittelbarer Nachbarschaft der UBS-Niederlassung ihre Ladenlokale haben. Die starke Ost-Präsenz hat die Deutsche Bank veranlasst, einen russischsprachigen Mitarbeiter in der “kleinen, feinen Privatbank im Konzern” anzustellen. Gleichwohl zeigen alle Befragten aus Angst vor Geldwäsche äußerste Zurückhaltung bei osteuropäischen Geldanlagen. “Die Risiken sind höher als die Chancen”, meint etwa Merck-Mann Kutz – was ihn dennoch nicht davon abhält, von Berlin aus das angrenzende Tschechien und Polen zu beackern. Mit Hilfe von befreundeten Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten würden erste Kontakte gen Osten geknüpft – wobei die Geldquellen allerdings grundsätzlich drei- bis fünfmal geprüft würden.Dagegen sind westliche Vermögen stets willkommen. Und da die Hauptstadt eine eigene “Strahlkraft” habe mit reichem Kulturangebot und billigen Mieten und Hotelpreisen, gewinne die Stadt als zweiter Wohnsitz an Reiz. En passant würden dabei oft auch Gelddinge erledigt, weiß David Fankhauser, Niederlassungsleiter der UBS, wobei “ein bisschen Swissness” seinem Haus durchaus helfe. “Keiner gesteht Irrtum ein” Nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche seien die Hauptstädter deutlich “preissensitiver” als anderswo in Deutschland, heißt es einhellig. Gleichwohl betonen alle Befragten, sie würden durchaus Geld in der Metropole verdienen – “wenn es auch deutlich länger dauert als gedacht”, wie Kutz formuliert. Berlin sei sicher der wirtschaftlich schwierigste Ort unter den zehn UBS-Standorten in Deutschland, assistiert Fankhauser – “es gibt eine Überkapazität an Banken für das bisschen Geschäft”. Doch “keiner wird zugeben wollen, dass er sich geirrt hat, im Armenhaus Deutschlands eine Niederlassung eröffnet zu haben”, sagt Hoffmann – “denn in der Hauptstadt muss man einfach sein”.