ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Von der Beratung zur Gesamtverantwortung

Börsen-Zeitung, 5.11.2013 Die Lufthansa will ihre Rentenzusagen kappen - mit dieser Schlagzeile wurde einmal mehr deutlich, dass die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken selbst große institutionelle Anleger vor enorme Herausforderungen stellt....

Von der Beratung zur Gesamtverantwortung

Die Lufthansa will ihre Rentenzusagen kappen – mit dieser Schlagzeile wurde einmal mehr deutlich, dass die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken selbst große institutionelle Anleger vor enorme Herausforderungen stellt. Solche drastischen Maßnahmen sind noch die Ausnahme. Das liegt auch daran, dass die Lufthansa ihren Mitarbeitern üppige Renditen von 6 bis 7 % garantiert hatte. Wenn jedoch das Niedrigzinsumfeld weiter andauert, können weitere Beispiele folgen.Wie aktiv institutionelle Anleger dem Zinsdilemma begegnen, ist höchst unterschiedlich. Das Spektrum reicht von Schockstarre bis hin zur Diskussion über umfangreiche Leistungskürzungen. Vor allem kleinere und mittelgroße Institutionelle, deren Anlagefokus und Expertise traditionell stark auf Renteninvestments liegen, tun sich mit den neuen Herausforderungen schwer. Bestehende Personalkapazitäten sind in der Regel nur auf das Tagesgeschäft zugeschnitten und stoßen bereits angesichts wachsender aufsichtsrechtlicher Anforderungen an ihre Grenzen. Den gesamten Kapitalanlageprozess auf den Prüfstand zu stellen und neu auszurichten, was angesichts der Herausforderungen eigentlich notwendig wäre, ist für kleinere und mittelgroße Anleger quasi unmöglich. HerkulesaufgabeFür diese Herkulesaufgabe fehlen vielen Institutionellen die Kapazitäten. So gibt es häufig kein ausreichendes Asset-Liability-Management, oder es fehlt die Expertise, die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Oft ist auch die Gesamtportfolio-Betrachtung unterentwickelt, so dass hochkorrelierten Anlageformen ein zu hohes Gewicht zukommt. Da die Gremien bei vielen institutionellen Anlegern fachfremd besetzt sind, beobachten wir zudem häufig ein zyklisches Verhalten, hektische Eingriffe in die strategische Asset Allocation und eine viel zu späte Reaktion auf Marktveränderungen sowie den Einstieg in bereits heißgelaufene Märkte.Je länger das Zinstief andauert, desto intensiver greifen institutionelle Anleger inzwischen auf externe Expertise zurück. Consultants sind daher auch in Deutschland eine feste Größe, wenn es um die Professionalisierung der institutionellen Kapitalanlage geht. Je drängender die Probleme für die Anleger werden, desto lauter wird auch der Wunsch, dass Consultants nicht nur beratend tätig sind, sondern treuhänderisch als Fiduciary Manager für die Kapitalanlage Verantwortung übernehmen. Ganzheitliche VerwaltungDoch wo genau endet das Consulting, und wo beginnt das Fiduciary Management? Fiduciary Management ist die treuhänderische, ganzheitliche Verwaltung institutioneller Vermögen unter Berücksichtigung rechtlicher, regulatorischer und bilanzieller Anforderungen sowie der Verpflichtungsseite. Während im Consulting der Beratungsfokus häufig auf einzelnen Aspekten des Anlageprozesses liegt, übernimmt der Fiduciary Manager Gesamtverantwortung: Er steuert alle relevanten Aspekte auf aggregierter Ebene und aus einer Hand – von der Durchführung einer Bilanzplanung bzw. der Asset-Liability-Analyse über die strategische und taktische Portfoliokonstruktion bis hin zur Risikosteuerung, Portfolioüberwachung und Gremienbetreuung.Das Ergebnis ist idealtypisch ein Multi-Asset-Ansatz mit Schwerpunkt auf Rentendirektanlage und aktiver Managerauswahl in allen anderen Assetklassen – die systematische und konsistente Portfoliokonstruktion über alle Assetklassen hinweg. Wie groß der Handlungsbedarf beispielsweise bei Versicherern ist, zeigt eine Auswertung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Aufseher haben ermittelt, dass mit der durchschnittlichen Portfoliostruktur von Versicherern beim aktuellen Renditeniveau der einzelnen Anlageklassen ein Jahresergebnis von 2,6 % erzielt werden kann. Viele Institutionelle erfüllen ihre Verpflichtungen also nur, weil sie noch höherrentierliche Papiere im Bestand halten. Je länger die Zinsen aber niedrig bleiben, desto höher wird der Druck, die Kapitalanlage neu aufzustellen.Dabei gibt es nur zwei Möglichkeiten, diesem Problem zu begegnen: Entweder man senkt das Leistungsniveau, oder man erhöht das Risiko, wobei sich natürlich die Frage stellt, wer dieses Risiko tragen kann und will. Auf viele Institutionelle rollt dabei aktuell eine Lawine zu, die viele noch nicht sehen. Der Fiduciary Manager versteht es als seine Aufgabe, über die langfristigen Folgen aufzuklären, um passende Strategien im Asset-Liability-Management und die daraus abgeleiteten Asset-Allocation-Bausteine zu entwickeln. Anlagevolumina bündelnEin ergänzendes Element ist die Optimierung der Kostenstruktur – beispielsweise durch die Bündelung von Anlagevolumina. Erfahrungsgemäß lassen sich hier leicht 20 bis 30 % der Kosten einsparen. Aktuell führen wir eine Benchmark-Studie zur Depotbankvergütung durch. Eine Erkenntnis ist, dass die Preisstruktur von Depotbanken nach wie vor äußerst intransparent und heterogen ist. So kommt es durchaus vor, dass die Kosten für ein vergleichbares Leistungsspektrum verschiedener Anbieter um das Dreifache voneinander abweichen. Dieses nicht unerhebliche Optimierungspotenzial wird von institutionellen Anlegern bislang kaum genutzt, da die Verhandlungen aufgrund des fehlenden Marktüberblicks nur schwer zu führen sind. Großes MarktpotenzialBeauftragt ein institutioneller Investor einen Fiduciary Manager, hat dies zusätzlich den positiven Effekt, dass die Anzahl der Schnittstellen und damit potenzieller Fehlerquellen zwischen Anleger und einer Vielzahl von Dritten – wie z. B. Aktuaren, Asset Managern, Depotbanken etc. – reduziert wird. Interessant sind zudem Studien, denen zufolge Anleger einen Hauptvorteil des Fiduciary Managements darin sehen, dass Entscheidungs- und Anlageprozesse beschleunigt werden.Der Bedarf an Fiduciary-Management-Leistungen ist auch in Deutschland enorm. In Frage kommen als Kunden vor allem kleinere und mittelgroße Altersversorgungseinrichtungen, Unternehmen, Stiftungen und kirchliche Investoren. Insgesamt schätzen Researchhäuser das Marktpotenzial auf ein Anlagevolumen von 250 Mrd. Euro. EigeninteresseAktuell sind in Deutschland große nationale und internationale Asset Manager bzw. deren Konzernmütter als Fiduciary Manager aktiv. Man muss sich jedoch die Frage stellen, ob und in welchem Maße Eigeninteressen z. B. durch Hausprodukte vertreten werden. In Vorreiternationen wie beispielsweise Großbritannien sind vor allem unabhängige Consultants als Fiduciary Manager tätig. Aus Sicht der Institutionellen ist das die bessere Lösung.—-Uwe Rieken, Vorstand der Faros Fiduciary Management AG, Frankfurt