Kapitalanlage

Wettrennen um neue Therapieformen

Krebsmedizin hat einen hohen Stellenwert bei Pharmaunternehmen - Der Markt wächst rasant

Wettrennen um neue Therapieformen

Von Armin Schmitz, Frankfurt Anfang Juni waren die Augen von Wissenschaftlern und Analysten auf den alljährlich stattfindenden Kongress der American Society of Clinical Oncology (Asco) in Atlanta gerichtet. Mit mehr als 29 000 Teilnehmern war dies die größte Konferenz der klinischen Krebsheilkunde weltweit. Die Forschung und Entwicklung von neuen Krebs-Therapeutika hat bei den Biotechfirmen wie Pharmaunternehmen einen hohen Stellenwert. GlaxoSmithKline prognostiziert, dass sich das Volumen des Krebs-Medikamente-Markt bis 2009 auf 70 Mrd. Dollar verdoppeln wird. Kein Wunder, dass das Meeting auch von den Finanzanalysten aufmerksam verfolgt wurde. Sensationen wurden nicht vorgestellt. Die Entwicklung geht allerdings weg von der bisher bekannten Chemotherapie, die unspezifisch alle sich schnell teilenden Zellen angreift. Im Vordergrund stehen Target-Therapien, die sich zielgerichtet an den spezifischen Eigenarten des Tumors orientieren. Neben einer Verbesserung der Heilungsraten erwarten man davon eine Reduzierung der Nebenwirkungen. Blockbuster gesuchtIm Zentrum vieler Studien standen in Atlanta die Medikamente, die die Blutversorgung der Tumore unterbinden. Noch immer beherrscht Avastin, das 2004 von der Roche-Tochter Genentech eingeführt wurde, die Forschung. Durch die ständige Erweiterung des Tumorspektrums konnte Genentech den Nettoertrag für das erste Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal um fast 50 % auf umgerechnet 336 Mill. Euro steigern. Der Umsatz zog um 55 % an. Obwohl das Biotech-Unternehmen Anfang Juni die Zulassung für die Therapie von fortgeschrittenem Dickdarmkrebs bekommen hat, gehen die Anleger offensichtlich von einem Abflachen der Wachstumsraten aus. Der Kurs befindet sich seit dem Jahreswechsel auf Talfahrt. Auch nach einem Verlust von fast 28 % erscheint der Wert noch nicht kaufenswert. Wesentlich besser sieht die Aktie der Mutter Roche aus. Obwohl der Wert seit Dezember 2005 in einem Seitwärtstrend gefangen ist, verbessern sich die Fundamentaldaten. Die Pharmadivision ist im ersten Quartal um 19 % gewachsen, dreimal so schnell wie der Markt. Vor allem der onkologische Sektor verzeichnete ein Umsatzwachstum von 52 %. Avastin ist das dritterfolgreichste Produkt des Konzerns. Der Konzern sieht selbst für das zweite Halbjahr ähnlich gute Wachstumsraten wie im ersten. Die Aktie empfiehlt sich als konservatives Basisinvestment. Mit VEGF Trap könnte Roche Konkurrenz durch Sanofi-Aventis entstehen. Das Medikament, das in Gemeinschaft mit Regeneration Pharmaceutical entwickelt wird, hat einen ähnlichen Wirkmechanismus wie Avastin. Sanofi ist darüber hinaus mit Taxotere und Eloxatin hervorragend aufgestellt und verzeichnet damit wachsende Umsätze. TumorimpfungImpfung gegen Tumorarten ist ein neuer, wichtiger Trend. Anfang Juni hat die US-Arzneimittelbehörde FDA erstmals den Impfstoff (Gerdasil) von Merck & Co gegen Papilloma-Viren (HPV) zugelassen, die Hauptursache von Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) und Genitalwarzen sind. Die Viren werden fast ausschließlich durch den Mann übertragen. Das Zervixkarzinom ist nach dem Brustkrebs die zweithäufigste Krebsart bei Frauen. Die klinischen Studien zeigen eine Wirksamkeit bei 70 % der Patientinnen. Der Impfstoff (Vakzine) wirkt gegen die Papilloma-Viren jedoch nur, wenn zuvor keine Infektion mit den Viren erfolgt ist. Daher muss die Impfung bei Frauen recht früh erfolgen. Merck & Co. ist von dem finanziellen Erfolg des Medikaments überzeugt. Merck-Chef Richard Clark schätzt, dass ungefähr 250 Millionen Patientinnen in den USA und Europa für die Impfung in Frage kommen, dazu noch etwa 120 Millionen Mädchen und junge Frauen zwischen neun und 26 Jahren. Die dreimalige Impfung kostet in den USA etwa 360 Dollar pro Patientin. Vor dem Hintergrund des Umsatzpotenzials ist die Merck-Aktie mit einem KGV von 15 nicht teuer. Nach dem Einbruch Ende September 2004 befindet sich der Wert in einer längeren Bodenbildung. Ein Einstieg sollte erst nach dem Kurs-Turnaround erfolgen. Nachdem sich die Impfung beim Gebärmutterhalskrebs als erfolgreich erwiesen hat, haben verschiedene Unternehmen angekündigt, Vakzine gegen andere Tumoridentitäten testen zu wollen. Dendreon Corp. und Cell Genesys wollen Vakzine gegen Prostata-Karzinome in Studien testen. Für spezielle Arten des Lymphdrüsenkrebses (Lymphome) führen Genitope und Favrille klinische Tests durch. Positive Testergebnisse würden diese Unternehmen zu potenziellen Übernahmekandidaten machen. Aufsehen erregt haben in Atlanta auch Testergebnisse zum Medikament Sunitinib (Sutent) von Pfizer. Es hält fortgeschrittene Nierenzellkarzinome weitaus länger als bisher in Schach. Die Überlebenszeit ohne das Fortschreiten der Erkrankung verdoppelte sich. Sunitinib ist einer von mehreren Hoffnungsträgern von Pfizer. So erhofft man sich von einem neuen inhalierbaren Insulin, einem Medikament zur Raucherentwöhnung und einem Schlafmittel einen deutlichen Umsatzschub. Die Aktie befindet sich allerdings in einem kräftigen Abwärtstrend und lädt nicht zum Einstieg ein.