INVESTMENTFONDS - IM INTERVIEW: ANDREAS WOSOL, PIONEER INVESTMENTS

"Wir hegen eine Sympathie für Small Caps"

Value-Strategien feiern eine Renaissance - Fondsmanager setzt auf das Sicherheitsmargenkonzept

"Wir hegen eine Sympathie für Small Caps"

Die Turbulenzen an den Aktienmärkten haben zu einem Comeback der Value-Strategien geführt. Anleger suchen verstärkt nach unterbewerteten Unternehmen, um von deren Ertragskraft langfristig zu profitieren. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt Andreas Wosol, Fondsmanager von Pioneer Investments, das von ihm angewendete Sicherheitsmargenprinzip beim Value Investing.- Herr Wosol, Sie managen Ihren Fonds nach Value-Kriterien. Welche Unterschiede gibt es bei den Stilen?Man bezeichnet Value-Investoren gerne als Schnäppchenjäger. Sie wollen weniger für eine Aktie bezahlen, als sie wert ist, und erwarten, dass der Markt die Fehlbewertung korrigiert. So weit die Gemeinsamkeiten. Die Unterschiede bestehen darin, wie die Investoren den inneren Wert ermitteln und wie sie mit der Korrektur der Fehlbewertung umgehen. Viele Value-Investoren orientieren sich bei der Suche nach unterbewerteten Unternehmen allein an Kennzahlen, etwa an einem niedrigen Kurs-Buchwert-Verhältnis, einem niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis, einer hohen Dividendenrendite und anderem mehr. Erreichen diese Kennzahlen bestimmte Werte, gilt die Aktie als interessantes Investment. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine relative Betrachtung, nicht um eine absolute. Eine andere Gruppe, die Contrarian Investors, kauft Aktien, die stark gefallen sind oder sich auch in der jüngsten Vergangenheit deutlich schlechter entwickelt haben als andere vergleichbare Aktien. Beiden Gruppen fehlt es unserer Meinung nach jedoch an zwei Grundprinzipien des Value Investing: der tiefgreifenden Analyse der Einzelwerte und dem Sicherheitsmargenprinzip.- Was machen Sie anders als andere Fondsmanager?Genau die beiden genannten Grundprinzipien stehen bei uns im Vordergrund. Zur Analyse der Einzeltitel sehen wir uns drei Faktoren an, die unserer Überzeugung nach den Wert eines Unternehmens bestimmen. Erstens: schon getätigte Investitionen, also bestehende Vermögenswerte. Zweitens: die erwiesene Ertragskraft dieser Vermögenswerte. Und drittens: Wachstumspotenziale, die aus dem bestehenden Franchise entstehen. Bei der Analyse und Bewertung des Geschäftsmodells ist die Vergangenheit wichtiger als die Zukunft. Wir versuchen, durch die genaue Analyse der zuverlässigsten Informationen – Bilanz, Kapitalflussrechnung – einen Aufschluss über die nachhaltige durchschnittliche Ertragskraft eines Unternehmens zu bekommen. Die Analyse der Wettbewerbssituation und die Qualität des Geschäftsmodells spielen dabei eine wichtige Rolle. Darüber hinaus sollen die nachhaltigen Erträge durch den Wert der Vermögensgegenstände geschützt sein. Wir separieren bei der Bewertung das zukünftige Wachstum, da hier die meisten Fehlbewertungen entstehen und wir dafür auch keine Prämie bezahlen möchten. Auf dieser Grundlage errechnen wir sehr genau den Preis, den wir für die korrekte Bewertung halten. Und nur wenn der Kurs der Aktie deutlich unter diesem Wert liegt, kaufen wir sie. Das nennen wir das Sicherheitsmargenprinzip.- Was ist das Besondere daran?Das Sicherheitsmargenprinzip beschreibt die Differenz zwischen Preis und Wert, also dem von uns ermittelten nachhaltigen Unternehmenswert. Nur wenn die Sicherheitsmarge groß genug ist – ab 30 % – investieren wir. Wir wollen damit Werteinbußen abfedern, die auch ein gut aufgestelltes Unternehmen vorübergehend erleiden kann – etwa aufgrund einer ungünstigen Konjunktur oder von Verwerfungen in der Branche. Gleichzeitig sind wir der Überzeugung, dass solche Kursverluste bei gesunden Unternehmen vorübergehender Natur sind. Unser Anlagehorizont ist entsprechend lang. Die durchschnittliche Haltedauer beträgt etwa drei Jahre.- Wann verkaufen Sie Positionen?Der Verkaufsprozess ist einer der wichtigsten Schritte im Investmentprozess eines Value-Investors. Es gibt grundsätzlich zwei Kriterien, die einen Verkaufsprozess auslösen können. Das angenehmere ist, wenn ein Investment den von uns ermittelten inneren Wert erreicht hat. Er wird aber auch verkauft, wenn tro tz sorgfältiger Analyse das Sicherheitsmargenprinzip verletzt wurde, es also keine Differenz zwischen Preis und Wert gibt.- Berücksichtigen Sie auch Small und Mid Caps in Ihrem Portfolio?Marktkapitalisierung, Sektor- und Benchmarkgewichtungen sind keine Investmentkriterien. Aus praktischen Gründen – etwa der Liquidität eines Wertes – sehen wir jedoch von Anlagen in Titel mit weniger als 500 Mill. Euro Marktkapitalisierung ab. Wir hegen durchaus eine gewisse Sympathie für Small Caps, denn sie haben oft ein einfaches, klares Geschäftsmodell mit vorhersehbaren Erträgen. Dies kommt dem Naturell des Value-Investors entgegen. Insgesamt wollen wir ein konzentriertes, aber dennoch diversifiziertes Portfolio konstruieren mit Wertpapieren, von denen wir in hohem Maße überzeugt sind. Aktuell halten wir 38 Titel.- Benutzen Sie ein Risikomodell zur Reduzierung von Abwärtsrisiken?Kursverluste können grundsätzlich einen permanenten Rückgang der inneren Werte ausdrücken oder einfach ihren Ursprung in kurzfristigen gewinnbezogenen Ängsten oder Enttäuschungen haben. In beiden Fällen kommt es zu Verlusten, dennoch unterscheiden sich beide Situationen wesentlich voneinander. Der Kurs finanziell gesunder Unternehmen, der lediglich unter kurzfristigen, gewinnbezogenen Enttäuschungen gelitten hat, wird sich in aller Regel im Laufe der Zeit vollständig erholen. Bei einem permanenten Wertrückgang ist dies nicht der Fall. Faktoren, die einen solchen dauerhaften Verlust begünstigen, sind eine hohe Verschuldung, ein schwaches Geschäftsmodell und aggressives Managementverhalten. Ein stark verschuldetes Unternehmen läuft in unruhigen Zeiten Gefahr, einen Kapitalverlust nicht mehr wettzumachen. Unternehmen mit einem schwachen Geschäftsmodell – mit niedrigen Eintrittsbarrieren – haben keine Marktmacht und sind anfällig für nachhaltige Umsatz- und Profitabilitätseinbußen.- Und das Management?Aggressives Managementverhalten macht sich meistens in wertvernichtenden Übernahmen sichtbar. Wir meiden daher aggressive Managementteams. Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Vermeidung des permanenten Kapitalverlustes durch das Sicherheitsmargenprinzip, Diversifikation und Umgehung von übermäßigem finanziellen Leverage. Darüber hinaus arbeiten wir mit unserem Risikomanagementteam zusammen, um weitere kurzfristige Risikoquellen, die durch die Einzeltitelallokation entstehen, sichtbar und steuerbar zu machen.- Wie sehr orientieren Sie sich an der Benchmark des Fonds?Die Benchmark gibt grundsätzlich ein bestimmtes Risiko- und Ertragsprofil vor, von dem wir aktiv abweichen. Unsere Anlageentscheidungen sind davon unberührt, und wir haben alle Freiheiten, im Interesse unserer Anteilsinhaber zu investieren.—-Das Interview führte Armin Schmitz.