Allfinanz-Konzern

Bancassurance Reloaded?

Rund 13 Jahre ist es her, dass mit dem Verkauf der Dresdner Bank durch die Allianz der Traum von einem Allfinanz-Konzern in Deutschland endgültig platzte. In der Folge gab es lange Zeit keine großen Anläufe von Banken und Versicherungskonzernen...

Bancassurance Reloaded?

Rund 13 Jahre ist es her, dass mit dem Verkauf der Dresdner Bank durch die Allianz der Traum von einem Allfinanz-Konzern in Deutschland endgültig platzte. In der Folge gab es lange Zeit keine großen Anläufe von Banken und Versicherungskonzernen mehr, die beiden Dienstleistungs- und vor allem Produktwelten zu vereinen.

Doch die Digitalisierung und die dadurch entstandenen zahlreichen Insurtech- und Fintech-Unternehmen machen den digitalen Vertrieb von Versicherungsprodukten über Bankkanäle auf den ersten Blick wieder attraktiver. Digitalisierung ebnet Banken Rückkehr in die Allfinanz“, titelte bereits Ende 2019, also kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, eine Studie der IT-Beratung Sopra Steria und des F.A.Z.-Instituts. Im Jahr 2020 wurden laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) rund 19 % der Lebensversicherungsverträge in Deutschland über Banken abgeschlossen – jedoch zumeist über die stationären Filialen. Bei Krankenversicherungen betrug der Bankanteil gerade einmal 3,6%, im Bereich Schaden/Unfall waren es 4,9%.

Reihe von Kooperationen

Angesichts dieses überschaubaren Anteils reizen die Möglichkeiten großer Produkt- und Finanzdatenbanken viele Kreditinstitute gerade in Zeiten schwindender Margen und Provisionserträge wieder, ihren Kunden auch Versicherungspolicen, vor allem private Lebens- und Rentenversicherungen, anzudienen. Inzwischen ist eine Reihe von Kooperationen im Bancassurance-Bereich entstanden, bei denen zwei und oft sogar drei Partner zusammenkommen: der Versicherer als Produktgeber, die Bank als Vertriebsweg und ein digitaler Anbieter, der die technische Lösung liefert.  

Dabei ermuntern die neuen digitalen Plattformen vor allem kleinere Geldhäuser, den Versicherungsvertrieb wieder aufzuwärmen und zu forcieren. Das Versprechen lautet: Banken können die Versicherungsangelegenheiten ihrer Kundinnen und Kunden digitalisieren und damit zugleich ihre Geschäftsmodelle erweitern. Vielen Banken geht es augenscheinlich vor allem darum, eine zusätzliche Ertragsquelle zu generieren oder eine bisher mehr schlecht als recht ent­wickelte Ertragsquelle zu vergrößern. Zahlreichen Versicherungen machen indessen digitale Vergleichsportale wie Check24 zunehmend zu schaffen.  

Isoliert betrachtet

Es fällt auf, dass auch bei digital gestützter Bancassurance die Bedürfnisse des Kunden nur sehr isoliert und häufig aus der Perspektive des eigenen Geschäftsmodells betrachtet werden. Aber was benötigt der Kunde? Vor allem einen Gesprächspartner für all seine Finanzfragen, die vielfach miteinander zusammenhängen: von der Absicherung mittels Haftpflicht-, Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherung über die Altersvorsorge bis hin zur Geld- und Kapitalanlage und dem etwaigen Erwerb einer Immobilie inklusive Finanzierung. Oft genug geht es zudem bei Selbständigen, Freiberuflern und Unternehmern darum, deren berufliche Sphäre mit einzubeziehen und damit Privat- und Geschäftsvermögen sinnvoll aufeinander abzustimmen.  Eine solche Beratungsaufgabe setzt aber die umfassende Erhebung der finanziellen Bedürfnisse des Kunden mit seiner Einkommens- und Lebenssituation sowie seiner individuellen Zukunftspläne voraus. Rein digital ist eine solche „Exploration“ des Kunden kaum möglich. Vielmehr besteht weiterhin das Problem, das die etablierten, nicht selten exklusiven Kooperationen für Bancassurance seit jeher haben: Eine Bank kann anhand der Kontenbewegungen zwar sehen, dass der Kunde Prämien für eine Versicherung überweist, die nicht bei einem Kooperationspartner liegt. Allerdings kann sie auf dieser Basis noch lange kein zielgerichtetes Alternativangebot unterbreiten. Denn es bleibt der Bank nach wie vor verborgen, wie genau der Kunde versichert ist und welche Policen ihm womöglich fehlen – von persönlichen Eindrücken und Schilderungen des Kunden zu seiner Zukunftsplanung ganz zu schweigen. Auch die EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2, die unter anderem den Austausch und die Verknüpfung von Kontodaten ermöglicht, ändert an diesem Umstand nichts.

 Natürlich lässt sich die immer noch eingeschränkte digitale Datenerhebung mit einem   persönlichen Gespräch kombinieren. Wie nun aber gerade das angesichts des anhaltenden Filialsterbens inklusive Abbau von Kundenberatern in vielen Banken geleistet werden soll, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Und in gewisser Weise steht ein solcher Ansatz auch im Widerspruch zum prägenden, von den Produkten und ihrer Vermittlung ausgehenden „Push“-Gedanken einer digitalen Bancassurance.

Beim persönlichen Gespräch in besonderem Maße bedeutsam ist für den Kunden die Qualifikation seines Gegenübers. Manche Banken überlassen die Schulung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Versicherungsthemen am liebsten den jeweiligen Produktgebern. Das muss nicht per se schlecht sein, ist aber zwangsläufig vom Produkt her gedacht und kann von daher die komplexen Kundensituationen nicht in den Blick nehmen. Besonders unvorteilhaft kann es für den Kunden laufen, wenn zudem mit klaren Vertriebsvorgaben zu einzelnen Produkten oder gar Angeboten wie dem „Produkt der Woche“ gearbeitet wird.

Kulturelle Gräben

Zweifelhaft ist auch das sogenannte „Regalgeld“ im Rahmen einer Bancassurance. Dabei bezahlt der Versicherer seinen Bankpartner dafür, dass er diesen als Vertriebskanal nutzen darf. Eindeutig besser im Kundensinne wäre eine Partner- und Produktauswahl unter Qualitätsgesichtspunkten.

 Bancassurance im digitalen Zeitalter löst ebenfalls nicht die seit Jahrzehnten bestehende Herausforderung, die mitunter tiefen kulturellen Gräben zwischen den beiden Welten Bank und Versicherung zu schließen. Diese werden gerne unterschätzt, selbst wenn sich die Vertriebswelten im Zuge der Digitalisierung annähern mögen. Einem Bankmitarbeiter das Versicherungswesen nahezubringen – und umgekehrt – bleibt eine Herausforderung.

Den Siegeszug der Digitalisierung haben die Insur- und Fintechs zweifellos befördert, und das werden sie weiterhin tun. Die Kundenanforderungen an die Finanzberatung haben sich aber nicht grundsätzlich verändert. Statt „Bancassurance Reloaded“ braucht es mehr denn je Ansätze, bei denen die Berater zuerst vom Kunden und seiner Lebenssituation her  denken, gerade wenn es um die langlaufende Absicherung von Risiken wie Berufsunfähigkeit oder auch die finanzielle Absicherung im Ruhestand geht. Das setzt eine umfassende Qualifizierung voraus, die bis zum höchsten international anerkannten Abschluss, dem Certified Financial Planner (CFP), reichen kann. In dem Sinne bleibt eine ganzheitliche Finanzberatung eine Profession und kein digital optimiertes Vertriebskonzept. Natürlich vermitteln auch solche Berater ihren Kunden in der Folge Produkte und Lösungen und verdienen damit Geld. Der Ausgangspunkt, die Haltung und die entsprechende Dienstleistung sind aber grundlegend anders als in der digitalen Banc­assurance.

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