Bei der Zielrente klemmt es

Neue betriebliche Altersvorsorge harrt des Praxistests - Versicherer preschen oft gemeinsam vor

Bei der Zielrente klemmt es

Immer mehr Anbieter kommen auf den Markt, um am Geschäft mit der Zielrente partizipieren zu können. Diese reine Beitragszusage ohne Leistungsgarantie kann seit Jahresbeginn nach dem Betriebsrentenstärkungsgesetz von den Sozialpartnern vereinbart werden. Umgesetzt wurde dies bisher aber noch nicht.Von Thomas List, FrankfurtDas “Rentenwerk”, die “Deutsche Betriebsrente” und die “Initiative Vorsorge”, von Einzelgesellschaften wie Allianz und namenlosen Zusammenschlüssen wie im Sparkassensektor sowie zwischen Zurich und Talanx ganz zu schweigen – immer mehr Unternehmen positionieren sich auf dem Markt für die sogenannte Zielrente in der betrieblichen Altersvorsorge (bAV). Seit Jahresbeginn gilt das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG). Seither können Tarifpartner auf Garantien verzichten und lediglich die Beiträge festschreiben. Die Zielrente ergänzt die bisherige betriebliche Altersvorsorge und kann eingeführt werden, wenn sich die Sozialpartner, also tarifgebundene Unternehmen und Gewerkschaften, in einem Tarifvertrag darauf einigen. Auch andere Unternehmen können sich anschließen. Neu ist, dass sich der Arbeitgeber nur noch verpflichtet, einen bestimmten Beitrag einzuzahlen (“Pay and Forget”). Garantien sind bei dieser reinen Beitragszusage nicht vorgesehen. Neues GeschäftDie Finanzbranche sieht Chancen. Fondsgesellschaften hoffen, in einer renditeorientierten Kapitalanlage mit ihrer Expertise zum Zug zu kommen, während Versicherer passende Modelle entwickeln. So heißt es bei Allianz Deutschland in Stuttgart: “Durch das BRSG erwarten wir Impulse für die Betriebsrente, auch bei kleinen und mittleren Unternehmen.” Allianz Leben und die Konzernschwester Allianz Global Investors arbeiten gemeinsam an einem modularen Angebot. Die Initiative Vorsorge wiederum will den Vertrieb ihrer Mitglieder Alte Leipziger, Lebensversicherung von 1871 München, Neue Bayerische Beamten und Volkswohl Bund nutzen und an Ausschreibungen teilnehmen, wie der Zusammenschluss am Donnerstag mitteilte. “Wir haben zusammen über 200 Jahre bAV-Erfahrung und damit viel Expertise für diesen speziellen Markt”, erklärte ein Sprecher.Das Rentenwerk aus Barmenia, Debeka, Gothaer, HUK-Coburg und Stuttgarter hat schon im März, nach Sondierungen mit den Sozialpartnern, eine fondsgebundene Direktversicherung vorgestellt. Als besondere Vorteile wurden der Verzicht auf versteckte Kosten wie Kick-backs bei Kapitalanlagen, die hohe Transparenz, also die Vergleichbarkeit mit anderen Produkten durch Übernahme neutraler Standards, und die Sicherheit der Anlage genannt. Grundsätzlich gelte aber, dass auch andere Lösungen als das vorgestellte Produkt möglich seien. Auf große Flexibilität bei der Abstimmung mit den Sozialpartnern legen auch die R+V Versicherung und Union Investment Wert. Für jede Branche könne individuell ein Zielrenten-Produkt erstellt werden, hieß es Anfang März bei der Produktvorstellung. Anbieter ist in diesem Fall die R+V Pensionsfonds AG. Auch bei Zurich und Talanx wird die Basis des im Laufe dieses Jahres auf den Markt kommenden Produkts ein kapitalmarktbasierter Pensionsfonds sein. Auch hier könnten durch das modulare Prinzip branchenspezifische Anforderungen leicht berücksichtigt werden, heißt es bei Zurich. So wie R+V und Union Investment richten sich Zurich und Talanx nach Renditezielen der jeweiligen Branchen. Bislang kein DurchbruchDoch ein Erfolgsmodell ist die Zielrente bislang nicht. “Die Arbeitgeber zeigen kein großes Interesse, in die neue bAV-Welt zu gehen”, sagt Norbert Reuter, Leiter der tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, und gibt dabei auch die Beobachtung anderer Gewerkschaften wie der IG Metall wieder. Reuter zeigt sich verwundert: Die Belastungen durch Garantien in der bisherigen Altersvorsorge seien für die Arbeitgeber allen Anschein nach kein großes Problem, sagt er. Die Gewerkschaften wiederum tun sich schwer damit, in der Kapitalanlage mitzuentscheiden. So hat etwa die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) laut Reuter beschlossen, in diesem Bereich gar nichts zu unternehmen. Die IG Metall wiederum bewertet in internen Debatten die Chancen und Risiken des BRSG. “Mit den Arbeitgebern haben wir im Rahmen der letzten Tarifrunde verabredet, zu den Möglichkeiten des BRSG Gespräche aufzunehmen”, so eine Sprecherin. Dies bestätigt der Arbeitgeberverband Gesamtmetall und spricht bei der reinen Beitragszusage von einer Win-win-Situation. Und auch bei den Versicherern wird nur von Gesprächen mit “interessierten Sozialpartnern” (R+V) berichtet. Mit konkreten Abschlüssen rechnet zum Beispiel das Rentenwerk “im Laufe des Jahres 2019”.