Der deutsche Beleihungswert hat sich bewährt

Digitale Öffnung und internationale Weiterentwicklung sind die Säulen, damit das Konzept auch künftig Bestand hat und international Anerkennung erfährt

Der deutsche Beleihungswert hat sich bewährt

Die Ermittlung von Beleihungswerten ist so alt wie der Pfandbrief. Ursprünglich nur ein reiner Abschlagswert vom bestehenden Verkehrs- oder Marktwert, hat der Beleihungswert bis heute verschiedene Anpassungen erfahren. Seit der Beleihungswertverordnung (BelWertV) aus dem Jahr 2006 ist endgültig geregelt, wie er für die Zwecke der Pfandbriefdeckung zu ermitteln ist. Aktuell entzünden sich aber Diskussionen über die Zukunft des Beleihungswertes wegen der beschränkten Anwendung auf die Pfandbriefdeckung und die sehr genaue Ausformulierung von Bewertungsparametern in der BelWertV.Der eigentliche Zweck der Beleihungswertermittlung ist die Bewertung einer Immobilie hinsichtlich langfristig nachhaltiger Aspekte, die als Sicherheit für einen Kredit gelten soll. Dieser ermittelte Beleihungswert ist die Grundlage für die Besicherung von Pfandbriefen, wobei nur 60 % dieses nachhaltigen Wertes für die Sicherung des Wertpapieres eingestellt werden dürfen. Wegen der sehr guten Sicherheitenposition akzeptieren Investoren geringere Renditen für dieses Wertpapier – mit entsprechend positivem Effekt auf die Refinanzierungskosten der kreditgebenden Banken und die Finanzierungskosten der Kreditnehmer.Übersteigen dagegen die Beleihungsausläufe die Grenze von 60 % des Beleihungswertes, steigen die Refinanzierungskosten deutlich. Damit verteuern sich die Finanzierungskonditionen und machen den Einsatz von Eigenkapital attraktiv. Folge ist, dass so der Immobilienfinanzierungsmarkt automatisch geregelt wird. Bei einem langfristigen internationalen Vergleich haben wir in Deutschland daher die geringsten Wertschwankungen bei den Immobilienpreisen. Jahrelang haben angelsächsische Investoren den deutschen Mark auch als “boring” market bezeichnet, weil man hier keine spekulativen Gewinne aufgrund kurz- oder mittelfristiger Marktschwankungen erzielen konnte.Der Beleihungswert ist inzwischen nicht nur ein reiner Basiswert für die Pfandbriefdeckung, sondern er entwickelte sich zunehmend weiter zu einem Sicherheitenwert mit Steuerungsfunktion für den Immobilien- und Finanzmarkt. Wie groß die Sicherheit des Wertpapiers Pfandbrief mit der zugrunde liegenden Regelung der Beleihungswertermittlungsverordnung ist, konnte man zuletzt in der Finanzmarktkrise beobachten. Das einzige liquide Refinanzierungsinstrument im Bankenbereich war der Pfandbrief, dem die Investoren trotz der großen Vertrauenskrise in Banken immer noch trauten. Die Sicherheit des Pfandbriefes stellte damit eine dringend benötigte Mindestliquidität für den Immobilienfinanzierungsmarkt in den Krisenjahren 2009 und 2010 sicher. In begrenztem Umfang galt das auch international, da viele deutsche Pfandbriefbanken Immobilien in Europa oder den USA finanzieren. Zu beachtende AspekteAllerdings stellt sich die Frage, ob der Beleihungswert eine Funktion als Sicherheitenwert international wahrnehmen kann und in seiner jetzigen Form zukunftsfähig ist. Hierzu sind zwei wesentliche Aspekte zu betrachten: erstens die Wertermittlungssystematik und zweitens die festgeschriebenen Parameter. Die Wertermittlungssystematik beruht rein auf deutschen Bewertungsmethodiken. Diese sind international nicht verbreitet und entsprechend wenig akzeptiert. Hinzu kommen die jeweiligen Markterfahrungen und -besonderheiten sowie Datengrundlagen, die in den verschiedenen internationalen Märkten naturgemäß stark variieren. Eine erforderliche Normierung der internationalen Bewertungsdaten zur Anwendung der deutschen Bewertungsmethode führt zu Ergebnissen, die nicht mehr direkt aus den vorhandenen Marktdaten nachvollzogen werden können. Besser ist es, hier gleich mit Daten aus dem relevanten Immobilienmarkt und den damit abgestimmten Bewertungsverfahren zu arbeiten.Damit muss sich auch der deutsche Beleihungswert ein Stück weit öffnen. Aus diesem Grunde hat der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) eine Initiative für einen internationalen Beleihungswert (Long-Term Sustainable Value) gegründet. In einer Runde unter Beteiligung von Experten aus sieben europäischen Ländern wird seit mehr als zwei Jahren eine international anwendbare generelle Methodik erarbeitet. Sie soll es ermöglichen, einen nachhaltigen Wert unter Einbeziehung der länderspezifischen Besonderheiten zu ermitteln.Diese Expertenrunde beschäftigt sich auch mit der Zukunftsfähigkeit des Beleihungswertes ob der festgeschriebenen Parameter. Als Grundlage sollen große Datenbestände mit digitalen Mitteln ausgewertet werden, um nachhaltige Bewertungsparameter zu ermitteln und im Sinne von “Long-Term Sustainable” anzuwenden. Zum einen sind mit diesen Auswertungen die schon funktionierenden Automated Valuation Models (AVM) – also automatisierte Bewertungsverfahren im Bereich des Wohnungs- und Einfamilienhausmarktes – mit entsprechenden Grundparametern zu belegen, damit das Ergebnis auch ein nachhaltiger Wert ist. Dies würde gleichzeitig den Fehler eliminieren, der bei der Anwendung solcher AVM in den USA im Häusermarkt vor der Immobilienkrise 2009 zu Überhitzungserscheinungen geführt hat.Zum anderen sollen möglichst granular Grundparameter für die Bewertung des volatilen und komplexen gewerblichen Immobiliengeschäfts ermittelt werden, die die Nachhaltigkeit in der Immobilie und dem zugrunde liegenden relevanten Markt darstellen. Hier sind inzwischen verschiedene Vorschläge vorhanden, die dann jeweils mit den vorliegenden Daten abgestimmt werden müssen. Mit fortschreitender Digitalisierung ist dann in einem weiteren Schritt auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) denkbar, die dann auch die komplizierteren Verfahren bei der gewerblichen Immobilienwertermittlung automatisieren kann.Eine umfassende, auch von Bankaufsichten anerkannte Datenbank für die Auswertung der erforderlichen Grunddaten bildet die wesentliche Grundlage. Daher erweitern die Banken im vdp derzeit die vorhandene umfangreiche Transaktionsdatenbank. Durch diese Erweiterung werden die langfristig nachhaltigen Immobilienmarktdaten verfügbar ermittelt werden, die für die Ermittlung eines modernen “Long-Term-Sustainable Value” erforderlich sind.Viele Länder haben nach der Finanzkrise 2009/2010 Maßnahmen zur Bankenregulierung erarbeitet. Sie beschränken überwiegend allein das Geschäftsmodell der Banken. Der Long-Term Sustainable Value greift dagegen direkt in den Immobilienmarkt ein und stellt sicher, dass die Volatilität direkt im Investment- beziehungsweise Kreditmarkt eingedämmt wird. Er ist sowohl Grundlage für die kreditwirtschaftliche Immobilienwertermittlung als auch ein Instrument für mehr Nachhaltigkeit in den Bilanzen der Immobilienunternehmen. Hohe Wertzuschreibungen in Boomzeiten und hohe Abschreibungen in den Krisen bewirken volatile Bilanzen von Immobilienunternehmen. Mit Hilfe eines nachhaltigen Wertes wäre es möglich, auch eine Immobiliensubstanz des Unternehmens darzustellen und damit im Sinne der Anleger eine höhere Transparenz über die Güte des Portfolios herzustellen. Reduzierte VolatilitätAuch die neuen Regelungen in Basel III+ stellen für die dort zugrundeliegenden Loan-to-Value-Ratios auf einen so definierten nachhaltigen Wert ab. Das zeigt, dass die internationale Bankenaufsicht ebenfalls ein hohes Interesse daran hat, Volatilität aus dem Immobilienmarkt zu nehmen.Fazit – Der deutsche Beleihungswert hat sich bewährt. Die digitale Öffnung und die internationale Weiterentwicklung des Beleihungswertes sind die beiden Säulen, damit das erfolgreiche deutsche Konzept eines Beleihungswertes auch zukünftig Bestand hat und eine Anerkennung im internationalen Immobilienfinanzierungsmarkt erhält. Jörg Quentin, Head of Property Analysis & Valuation der pbb Deutsche Pfandbriefbank AG