Nachhaltige Kapitalanlage

ESG-Analysen der Fondsbranche gewinnen an Tiefe

Nachhaltigkeit hat sich heute ohnehin fast jede Fondsadresse auf ihre Fahnen geschrieben. Laut einer Umfrage von Russell Investments hat die Branche im Umgang mit ESG-Kriterien Fortschritte gemacht.

ESG-Analysen der Fondsbranche gewinnen an Tiefe

jsc Frankfurt

Die nachhaltige Kapitalanlage hat sich in der Fondsbranche zunehmend professionalisiert. Nicht nur ist der Anteil der Vermögensverwalter, die ESG-Kriterien in der Kapitalanlage verwenden, binnen zwei Jahren deutlich gestiegen, wie eine Umfrage von Russell Investments unter weltweit 369 Fondsgesellschaften zeigt. Immer mehr Adressen beschäftigen ihren eigenen Angaben nach auf ESG-Angaben spezialisierte Fachleute, verlassen sich zunehmend auf eigene Analysen und ziehen zugleich vermehrt auch die Angaben externer Datenanbieter hinzu, sprechen im Austausch mit Unternehmen Nachhaltigkeitskriterien regelmäßig an und stützen sich auf eine wachsende Zahl an Informationsquellen, wie die diesjährige ESG-Studie der Gesellschaft zeigt.

Konkret geben die allermeisten Adressen heute an, ausdrückliche ESG-Kriterien im Investmentprozess zu berücksichtigen: Die Quote liegt zum Beispiel bei 82% in den USA, wo die meisten der befragten Unternehmen ihren Sitz haben, und bei 99% in Europa einschließlich Großbritannien. Bereits in der ersten Umfrage 2019 hatte jeweils eine breite Mehrheit die Frage bejaht, der Anteil ist aber hier wie dort gestiegen. Eine wachsende Mehrheit nutzt etwa Geschäftsberichte und regulatorische Angaben, die Interaktion mit Unternehmen und die Angaben externer Datendienste als wesentliche Quelle. Auch finden etwa die großen ESG-Ratingagenturen MSCI, Sustainalytics und ISS zunehmend mehr Nutzer in der Fondsbranche. Ferner bietet eine zunehmende Mehrheit ihren Mitarbeitern Fortbildungen rund um Nachhaltigkeit an.

Die Umfrage deutet auch auf unterschiedliche Auffassungen in verschiedenen Ländern hin: Von den drei großen ESG-Themen – Umwelt, Soziales und Governance – wertet weltweit eine breite Mehrheit das letzte Kriterium, die Governance, als wichtigsten Faktor. Während Sozial- und Umweltthemen je nach Branche unterschiedlich wichtig seien, sage die Governance über jedes Unternehmen etwas aus, argumentiert Russell Investments.

Kulturelle Unterschiede

Umweltkriterien einschließlich des Klimas werden aber zunehmend häufiger genannt, und zwar vor allem in Kontinentaleuropa, wo jede dritte Fondsadresse das E vornan stellt, während in den USA nur jedes neunte Haus so denkt. Das häufigste Thema, das wiederum aus der Kundschaft an die Fondsadressen herangetragen wird, sind Klimarisiken, die aber in Kontinentaleuropa mit knapp zwei Drittel der Angaben eine viel größere Rolle spielen als in den USA mit einem Drittel. „Diversität und Inklusion“ hingegen wird in Kontinentaleuropa nach Wahrnehmung der Fondshäuser überhaupt nicht als wichtigstes Thema aus der Kundschaft an sie herangetragen, während­ in den USA, wo etwa die Black-Lives-Matter-Bewegung den Diskurs geprägt hat, knapp ein Viertel das Feld als wichtigsten Thema benennen.

Insgesamt kann der Aufschwung der nachhaltigen Kapitalanlage auch Börsenkurse bewegen, wie Russell Investments glaubt. ESG-Themen haben demnach „wesentliche Auswirkungen auf Kapitalflüsse“, was wiederum die Preise der Vermögenswerte beeinflussen könne. Der nachhaltigen Kapitalanlage schreibt die Gesellschaft eine Bedeutung zu, die über die Fondsbranche hinausreicht – nämlich auch für die Gesellschaft und den Planeten, wie es heißt.

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