Nico Baader

„Für die klassischen Börsen verloren“

Mit Hilfe von Neobrokern wird derzeit eine neue Generation an jungen Kunden an die Börse geführt. Nico Baader führt dies im Interview insbesondere darauf zurück, dass die neuen Anbieter den Handel von seiner Komplexität befreit haben. Das Gros dieser Anleger dürfte für die klassischen Börsen verloren sein, schätzt der CEO der Baader Bank, die auf Gettex, ein elektronisches Handelssystem der Börse München, als Market-Maker tätig ist.

„Für die klassischen Börsen verloren“

Thomas Spengler.

Herr Baader, börsliche Plattformen wie Gettex, LS Exchange, aber auch Tradegate und Quotrix, die an klassische Börsen angedockt sind, erfreuen sich derzeit reger Handelsvolumina. Wie kommt das?

Die Grundlage dafür hat bereits die Finanzmarktrichtlinie Mifid II mit der darin geforderten Best Execution Policy im Jahr 2007 gelegt. Das war mit einer gewissen Verzögerung die Voraussetzung für den Höhenflug der börslichen Plattformen ohne Transaktionsgebühren. Und damit hat eine junge, neue Generation den Aktienmarkt für sich entdeckt.

Sehen Sie bereits Parallelen zum Neuen Markt?

Nein, auf keinen Fall, das Anlegerverhalten ist völlig anders, als es damals war. Das Gros der Anleger verfolgt keinen kurzfristigen Zockeransatz. Das ist daran erkennbar, dass viele Sparpläne angelegt werden, die eindeutig am Prinzip der Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Es werden zwar ebenso Depots mit vergleichsweise kleinen Beträgen eröffnet, doch hierin zeigt sich durchaus ein Aufblühen einer neuen Börsenkultur in Deutschland.

Also machen diesmal Privatanleger alles richtig?

Tatsächlich wird zum einen die derzeitige Nachfrage nach Aktien nahezu ausschließlich von Privatanlegern getragen. Nicht zuletzt durch den Lockdown haben die Anleger Zeit, sich mit ihrer Geldanlage zu befassen. Zum anderen werden von den Neobrokern Angebote gemacht, die von Einfachheit und Schnelligkeit geprägt sind. Das kommt einer jungen, internetaffinen Generation, die auch gerne übers Smartphone handelt, sehr entgegen. Diese neue Börsenkultur wird sich auch über die ersten Trends hinaus in Deutschland weiter entwickeln.

Umgekehrt bedeutet das aber eine Umsonstkultur, an die sich die junge Generation rasch gewöhnen dürfte.

Das Gros junger Anleger, die zu den Kunden der Neobroker gehören, dürfte für die klassischen Börsen verloren sein. Wenn diese sich nicht bewegen, könnten die dortigen Umsätze unter Druck geraten. Aber es ist ja nicht nur eine Frage des Preises. Die Neobroker haben vielmehr die Komplexität aus dem Wertpapierhandel genommen – und das können sie den Kunden auch noch billig anbieten. Das macht deren Erfolgsmodell aus. Vergleichbare Angebote wurden von den arrivierten Direktbanken weitgehend verpasst.

Wie sehen Sie die Rolle der Baader Bank als Market-Maker auf Gettex? Immerhin müssen Sie dem Neobroker für jede Order eine Rückvergütung bezahlen, aber eben selbst auch noch Geld verdienen.

Wir stellen auf Gettex von 8 bis 22 Uhr permanent Quotes zur Verfügung. Dabei handelt es sich um keine Mondpreise, sondern um ein markttaugliches Angebot. Schließlich unterliegen unsere Quotes der Kontrolle durch die börsliche Handelsüberwachung. Die hohe Kunst des Market-Makers besteht darin, ein adäquates Risiko einzupreisen – besonders wenn die entsprechenden Referenzmärkte geschlossen sind – und unterm Strich noch etwas zu verdienen. Das ist ein Handwerk, das die Baader Bank seit nunmehr fast 40 Jahren mit Hilfe hervorragender Händler und leistungsfähiger IT-Systeme recht erfolgreich betreibt.

Welche Erwartungen haben Sie an den weiteren Verlauf der Aktienbörsen und das Verhalten der Anleger?

Ich glaube, wir werden weiterhin Handelsvolumina auf hohem Niveau sehen, und zwar über die kommenden Jahre hinweg. Natürlich wird es Kursrücksetzer geben, das ist ganz normal. Aber diese werden nicht so heftig ausfallen wie etwa im Jahr 2009 oder zu Zeiten des Neuen Markts. Es ist eben viel Geld am Markt vorhanden. Und so simpel es klingt: Wenn die Leute wegen des Lockdowns nicht verreisen können, geben zumindest manche ihr Geld für Aktien aus. Erst recht, wenn die Zinsen so niedrig bleiben wie bisher.

Das Interview führte

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