Listingregeln

Hongkong schielt nach neuen Emittenten

Die Hongkonger Börse will sich im Wettbewerb um Aktienneuemissionen stärker positionieren. Neue Vorschläge laufen auf eine wesentliche Lockerung von Listing-Voraussetzungen hinaus.

Hongkong schielt nach neuen Emittenten

nh Schanghai

Der Hongkonger Börsenbetreiber Hong Kong Exchanges & Clearing (HKEX) will mit einer umfassenden Reform der Listingregularien neue Emittentenkreise erschließen und dabei vor allem auf der Welle von Zweitlistings bereits an US-Börsen notierter chinesischer Unternehmen besser mitschwimmen. Während man es bislang vor allem auf die überschaubare Zahl von großen chinesischen Technologiefirmen mit Börsenpräsenz in den USA abgesehen hatte, geht es nun darum, ein wesentlich breiteres potenzielles Emittentenspektrum anzusprechen, zu dem auch nichtchinesische Unternehmen gehören sollen. Dazu bedarf es allerdings einer grundlegenden Entschlackung von Listingregularien und der Lockerung von bislang strengen Zugangs­voraussetzungen.

Das Board der HKEX hat nun ein strammes, 240 Seiten umfassendes Konsultationspapier vom Stapel gelassen, mit der die Marktteilnehmer und Regulatoren auf das Zukunftsprogramm im Listinggeschäft eingeschworen werden sollen. Für die HKEX als eine der größten weltweiten Börsenplätze für Initial Public Offering (IPO) gilt es, die Schlagzahl im steten Wettbewerb mit den New Yorker Börsen zu er­höhen und sich gleichzeitig noch stärker von den Börsen auf dem chinesischen Festland abzugrenzen. Dort ist beispielsweise mit dem relativ neuen Shanghai Star Market eine starke Konkurrenz entstanden, wenn es darum geht, chinesische Start-ups in Hightech-Bereichen anzuziehen. Gleichzeitig wurde auch an der Börse Shenzhen das Listingregime für den Wachstumswertemarkt Chinext re­formiert.

Kapitalschwelle sinkt

Wie aus dem neuen Papier hervorgeht, soll es als wichtiges Lockmittel für kleinere Emissionskandidaten zu einer drastischen Senkung der bislang erforderlichen Mindestmarktkapitalanforderung für Zweitlistings von 40 Mrd. HK-Dollar (rd. 4,4 Mrd. Euro) auf dann nur noch 3 Mrd. Dollar kommen. Dazu gesellt sich eine ganze Reihe von Lockerungen anderer Zugangsvoraussetzung, darunter auch Governance-Bestimmungen und Stimmrechtsregeln.

In einer Mitteilung der HKEX heißt es, das neue „Streamlining“ der Listingregularien werde eine signifikante Anziehungskraft auf chinesische und ausländische Firmen ausüben, die von Hongkongs liquidem Finanzmarkt profitieren wollen. Dabei würden die hohen Anlegerschutzstandards, für die sich der Hongkonger Finanzplatz rühmt, in keiner Weise aufgeweicht. Die nun vorgestellten Pläne unterliegen einer zweimonatigen Konsultationsfrist bis zum 31. Mai und bedürfen eines regulatorischen Plazets der Hongkonger Finanzaufsichtsbehörde Securities and Futures Commission (SFC).

Während eine erste große Listingreform an der HKEX im Jahr 2018 grundsätzlich den Boden dafür bereitete, dass die zuvor sehr stark der „Old Economy“ verhafteten Hongkonger einen kräftigen Schwung von IPO chinesischer Tech-Sektorriesen wie Xiaomi, Meituan Dianping oder zuletzt Kuaishou Technology generierte, geht es nun vor allem darum, das Feld der bereits in den USA gelisteten chinesischen Unternehmen abzugrasen. Dies natürlich vor allem vor dem Hintergrund der immer intensiveren Streitigkeiten zwischen China und den USA, die sich stark auf den Technologiebereich kaprizieren und die Gefahr einer kategorischen Verbannung chinesischer Tech-Werte von der Wall Street, sprich ein sogenanntes Delisting, immer drohender erscheinen lassen.

Für eine Vielzahl von chinesischen Tech-Firmen, die in der vergangenen Dekade bevorzugt die US-Börsen angesteuert hatten, gilt nun die Maxime, dass man mit einem Zweitlisting in Hongkong enger auf Tuchfühlung mit techhungrigen chinesischen Anlegerkreisen gehen und auf diese Weise reichlich frisches Kapital einsammeln kann. Gleichzeitig aber geht es auch um eine Art Existenzsicherung der Börsenpräsenz mit Blick auf die Delisting-Gefahren in den USA. Die HKEX trägt dem explizit damit Rechnung, dass die neuen Regularien nicht nur ein flankierendes Zweitlisting ermöglichen, sondern im Ernstfall dual notierten Gesellschaften auch die Möglichkeit eröffnen, ihr Primärlisting von New York nach Hongkong zu verpflanzen, ohne die Aktionärsstruktur komplett umkrempeln zu müssen.

Flotter Jahresstart

Für die HKEX ist die Listingreform auch ein wichtiger Aspekt der Sicherung von künftigen Ertragsquellen. Jüngst hatte die Hongkonger Regierung aus Budgetnöten heraus be­schlossen, die Börsenumsatzsteuer kräftig zu erhöhen. Damit könnte es zu einer Dämpfung der Handelsaktivität und damit auch entsprechender Gebühreneinnahmen für die HKEX kommen, die es mit flotteren Erträgen aus dem Listinggeschäft zu kompensieren gilt. Im bisherigen Jahresverlauf kann man sich freilich nicht beklagen, das erste Quartal hat ein massives IPO- und Zweitlistingvolumen mit einer Kapitalaufnahme von 17 Mrd. Dollar gebracht, während man im Vorjahr zur gleichen Zeit wegen der beginnenden Corona-Epidemie totale Ebbe vorfand (siehe Grafik).