Hurrikanschäden

„Ian“ stresst Rückversicherer

Der Hurrikan „Ian“ wird zu einer der teuersten Naturkatastrophen, die die Welt je gesehen hat. Auch zahlreiche Cat Bonds sind von Ausfällen bedroht.

„Ian“ stresst Rückversicherer

Von Antje Kullrich, Köln

Vor gut einer Woche ist Hurrikan „Ian“ an der dicht besiedelten Westküste von Florida mit enormer Wucht auf Land getroffen. Noch immer ist das Ausmaß der Schäden nicht genau klar, doch die Schätzungen der Risikomodellierer engen sich immer weiter ein – am oberen Ende der ursprünglichen Kalkulationen. So hat die US-Agentur RMS die versicherten Schäden durch „Ian“ auf 53 bis 74 Mrd. Dollar geschätzt. Analysten von Stonybrook Capital wiesen jedoch darauf hin, dass einige Aspekte wie die Verluste des staatlichen National Flood Insurance Program, Offshore- und Schiffsschäden darin nicht eingerechnet seien. Stonybrook hält es für möglich, dass die versicherten Schäden sowie die Ausgaben, um die Schäden zu bereinigen, insgesamt 75 Mrd. Dollar deutlich übersteigen könnten.

Nominal wäre es für die Versicherungsbranche die teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten. Zu vergleichbaren Preisen würde „Ian“ nur noch durch Hurrikan „Katrina“ aus dem Jahr 2005 getoppt, der New Orleans zu weiten Teilen zerstört hatte (siehe Grafik).

Bei den großen Rückversicherern wird noch gerechnet. Noch keiner der Big Player hat bislang eine Schätzung gewagt, in welchen Ausmaß „Ian“ die eigene Bilanz belastet. Der Schaden sei groß und komplex, heißt es bei der Munich Re. Die Rückversicherungsaktien gehörten in den vergangenen Tagen zu den Underperformern an den ohnehin schwachen Börsen. Hannover-Rück-Chef Jean-Jacques Henchoz verwies auf einem Investorentag vergangene Woche darauf, dass Florida schon eine Weile ein problematischer Markt gewesen sei, auch durch politische Einmischung. „Unser Marktanteil dort bewegt sich unter unserem sonstigen Marktanteil in den USA.“

Hart getroffen ist auch der Markt für alternatives Rückversicherungskapital. „Florida ist traditionell eine der wichtigsten Regionen für Sturmdeckungen im Markt für Insurance-Linked Securities“, sagt Henning Ludolphs, Cat-Bond-Experte der Hannover Rück. Mit Hurrikan „Ian“ habe nun einer der schwersten Stürme seit langem genau diese Region getroffen.

Preise werden steigen

Zahlreiche Cat Bonds dürften nach Einschätzung von Marktteilnehmern Teil- oder sogar Totalverluste erleiden. Ein Indikator ist der Swiss Re Cat Bond Index, der um 10 % abstürzte und damit den größten Verlust in seiner Geschichte verbuchte. Bei einem Marktvolumen von rund 35 Mrd. Dollar gingen damit etwa 3,5 Mrd. Dollar an Bewertung verloren.

Karsten Bromann vom Cat-Bond-Investmenthaus Solidum in Zürich hält echte Ausfälle im Volumen von 1,5 Mrd Dollar für möglich. „Das ist grundsätzlich ein Ereignis, das den Cat-Bond-Markt erheblich beeinflusst.“ Analog zu den steigenden Preisen für traditionelle Rückversicherung seien die Platzierungen für die Emittenten bereits in der ersten Jahreshälfte 2022 nur mit höheren Kupons möglich gewesen. Jetzt erwartet Bromann weitere Aufschläge: „Cat-Bond-Emissionen werden sicher signifikant teurer für Sponsoren.“

Henning Ludolphs sieht ebenfalls Preisaufschläge, aber auch Chancen: „Einerseits wird das zukünftig zur Verfügung stehende Kapital durch Schadenzahlungen und Besicherungen für mögliche zünftige Schadenzahlungen (‚Trapped Collateral‘) reduziert sein, aber andererseits wird das perspektivisch sehr attraktive Preisniveau – nicht nur bezogen auf Florida – durchaus auch neue Gelder anziehen.“

Die Branchenplattform für Cat Bonds Artemis zählt allein 13 Emittenten auf, die teilweise mit mehreren potenziell betroffenen Katastrophenbonds am Markt sind. Allein die Risikoanleihen, die die US-Katastrophenschutzbehörde FEMA über das National Flood Insurance Program (NFIP) begeben hat, belaufen sich auf ein Volumen von gut 1,4 Mrd. Dollar. Sie könnten sogar komplett ausfallen, sollte sich die Schätzung des Risikomodellierers RMS bewahrheiten, der einen Schaden für das gesamte NFIP von 10 Mrd. Dollar für möglich hält.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.