GASTBEITRAG

Neue Impulse zur Stärkung des Fondsstandorts

Börsen-Zeitung, 30.12.2020 Die Bundesregierung hat jüngst einen Gesetzentwurf zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland mit dem erklärten Ziel vorgelegt, vorhandene Barrieren abzubauen und den Fondsstandort Deutschland wettbewerbsfähiger zu...

Neue Impulse zur Stärkung des Fondsstandorts

Die Bundesregierung hat jüngst einen Gesetzentwurf zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland mit dem erklärten Ziel vorgelegt, vorhandene Barrieren abzubauen und den Fondsstandort Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen. Die Absicht des Gesetzgebers ist uneingeschränkt zu begrüßen: Obwohl Deutschland der wichtigste europäische Absatzmarkt für Investmentfonds ist, werden die meisten Fonds im europäischen Nachbarland, allen voran Luxemburg, aufgelegt. Angesichts der volkswirtschaftlichen Folgen insbesondere für Arbeitsplätze und Steueraufkommen war politisches Handeln überfällig. Neue ProdukteKostensparende Effekte und Effizienzgewinne verspricht die Einführung eines elektronischen Kommunikationsverfahrens, das für die Kommunikation unter anderem zwischen Fondsverwaltern, Verwahrstellen, interessierten Anlegern und der BaFin verbindlich eingeführt wird. Dessen technische Voraussetzungen müssen noch geschaffen werden, so dass mit einer Nutzungspflicht im Jahr 2023 zu rechnen ist. Der Gesetzentwurf erweitert darüber hinaus die Produktpalette deutscher Investmentvermögen: Eine Renaissance erleben offene Infrastruktur-Sondervermögen. Dadurch soll Kleinanlegern ermöglicht werden, sich an Infrastrukturprojekten zu beteiligen. Da sich Infrastrukturanlagen, wie auch andere illiquide Assets, nicht von heute auf morgen veräußern lassen, orientieren sich die neuen Vorschriften an denjenigen für Immobilien-Sondervermögen. Mangel an PraxisrelevanzEs bleibt abzuwarten, inwieweit sich Infrastruktur-Sondervermögen dieses Mal im Markt etablieren werden. Sie waren bereits im Investmentgesetz enthalten und wurden im Jahr 2013 mit der Einführung des Kapitalanlagegesetzbuchs mangels Praxisrelevanz gestrichen. Zudem werden Privatanlegern mit geschlossenen Master-Feeder-Strukturen neue Anlagemöglichkeiten eröffnet. Die Regelungen sehen allerdings vor, dass auch der Masterfonds ein Publikumsfonds sein muss. Damit bleibt den Privatanlegern der Zugang zum Beispiel zu den renditestarken Private-Equity-Masterfonds, die mit hohen Einstiegssummen nur qualifizierten Anlegern offenstehen, über einen Investmentfonds verschlossen. Sehr zu begrüßen ist die Erweiterung der Anlagemöglichkeiten für offene Investmentkommanditgesellschaften auf Immobilien und Infrastruktur-Projektgesellschaften. Damit wird ein weiteres gesetzliches Hemmnis beseitigt, die offene Investmentkommanditgesellschaft als ein geeignetes Vehikel für das internationale Pension Asset Pooling in Deutschland zu etablieren. Im Spezialfondsbereich wird die Produktpalette durch die Möglichkeit erweitert, künftig geschlossene Spezialfonds in der Rechtsform eines Sondervermögens aufzuerlegen. Bislang sind die Fondsverwalter auf die Rechtsformen der geschlossenen Investmentkommanditgesellschaft und der Investmentaktiengesellschaft mit fixem Kapital beschränkt. Das Sondervermögen wird als vorteilhaft angesehen, weil administrative Vorgänge wie zum Beispiel Anteilszeichnungen einfacher sind und zwingende gesellschaftsrechtliche Bestimmungen nicht gelten. Den Schritt, geschlossene Publikumsfonds als Sondervermögen aufzulegen, wie dies etwa in Luxemburg und Irland in vergleichbarer Weise möglich ist, wagte der deutsche Gesetzgeber allerdings nicht. Ebenso sind weitere Rechtsformen wie die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) für Investmentfonds anders als in Luxemburg weiterhin nicht verfügbar.Die steuerlichen Vorteile, mit denen Arbeitnehmerbeteiligungen insbesondere an Start-up-Unternehmen gefördert werden sollen, dürften ebenfalls auf Wohlwollen stoßen. Um junge Unternehmen für qualifizierte Arbeitskräfte attraktiver zu machen, werden die steuerfreien Höchstbeträge für Vermögensbeteiligungen von Arbeitnehmern am Unternehmen verdoppelt und der Vermögenszuwachs (“dry income”) nicht bereits im Zeitpunkt der Übertragung der Beteiligung versteuert. Daneben wird die bisherige Umsatzsteuerbefreiung für Verwaltungsleistungen von OGAW und vergleichbaren AIF nun auch auf Wagniskapitalfonds ausgedehnt. Hier gibt es noch Klärungsbedarf hinsichtlich der Reichweite der praxisrelevanten Vergünstigung, insbesondere ob davon Risikokapitalfonds im Sinne der EuVECA-VO sowie andere Formen von Venture-Capital-Fonds (zum Beispiel Spezial-AIF) umfasst sind. In jedem Fall bleibt die Reichweite gegenüber konkurrierenden Fondsstandorten deutlich zurück. Beispielsweise gilt die Umsatzsteuerbefreiung in Luxemburg und Irland prinzipiell für Verwaltungsleistungen von sämtlichen alternativen Investmentfonds. Zumindest eine Ausdehnung auf die als förderungswürdig gesehenen Infrastruktur-Sondervermögen wäre konsequent. Über die geschilderten Neuerungen hinaus setzt der Regierungsentwurf erwartungsgemäß auch die europäischen Vorgaben zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Fondsvertriebs fast wortgleich in nationales Recht um. Nach den neuen Pre-Marketing-Regeln dürfen Fondsverwalter institutionellen Anlegern bestimmte Informationen über ihre Anlagestrategien zur Verfügung stellen, um festzustellen, ob genügend Interesse an einem Fonds besteht. Ein solches Pre-Marketing muss der BaFin künftig innerhalb von zwei Wochen mitgeteilt werden. Stellt der Fondsverwalter ein ausreichend starkes Interesse fest und möchte den Fonds vertreiben, muss er eine Vertriebserlaubnis einholen. Die EU-Vorgaben sind hierbei nicht widerspruchsfrei, weil die Dokumente inhaltlich nicht so konkret sein dürfen, dass sie den Anleger in die Lage versetzen, sich für den Kauf zu entscheiden: Das hilft weder dem Anleger, sich ein fundiertes Bild über die Anlagemöglichkeit zu verschaffen, noch dem Fondsverwalter, eine verlässliche Marktsondierung zu erreichen. Diskrepanzen bleibenDie neuen Vorgaben dürften auch künftig nicht den Fall erfassen, in dem lediglich allgemeine Informationen über den Fondsverwalter und seine Fähigkeiten bereitgestellt werden, sofern die Informationen keinen Fondsbezug haben. Dasselbe sollte gelten, wenn ein Anleger von sich aus und ohne vorherige Einwirkung des Fondsverwalters mit einem konkreten Investmentkonzept an den Fondsverwalter herantritt (reverse solicitation). Freilich liegen solche Fälle in einem Graubereich.Als Fazit ist festzuhalten, dass der Gesetzentwurf wichtige neue Impulse zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland setzt. Angesichts der weiterhin bestehenden Diskrepanzen zu konkurrierenden Fondsjurisdiktionen bleibt zu hoffen, dass dies lediglich der Auftakt zu weiteren gesetzgeberischen Initiativen ist. Conrad Ruppel, Senior Associate Hengeler Mueller und Edgar Wallach, pensionierter Partner Hengeler Mueller