Risikokontrolle in volatilen Märkten

Volatilität am Markt ist von Anlegern nicht beeinflussbar - Investoren können aber durch die Struktur der Anlage Schwankungsanfälligkeit im Portfolio begrenzen

Risikokontrolle in volatilen Märkten

Für viele Anleger steht bei ihren Wertpapieranlagen die Risikokontrolle mittlerweile gleichberechtigt neben dem Wunsch nach einer möglichst guten Rendite. Auch weniger kapitalmarktaffinen Investoren ist dabei klar, dass höhere Renditen stets einhergehen mit entsprechend höheren Verlustrisiken.Grundsätzlich ist das Verlustrisiko abhängig von einem vorgegebenen Zeitraum und der individuellen Ertragserwartung. Dabei scheint zunächst einmal eindeutig, dass das Verlustrisiko mit der Ertragserwartung zunimmt. Jedoch wird oft übersehen, dass es keinen linearen Zusammenhang gibt. Vielmehr steigt das Risiko überproportional, bei sehr hohen Risiken ist sogar ein Totalverlust möglich. Gerade am Aktienmarkt spielt auch der Anlagezeitraum eine wichtige Rolle für die Bestimmung des Risikos. Je länger der Anlagezeitraum, desto geringer wird das Risiko eines Verlustes. Für Investoren, die sich 20 Jahre Zeit lassen können mit der Aktienanlage, geht das Verlustrisiko historisch betrachtet nahezu gegen null. Aber selbst geduldige Anleger, die bereit sind, eine sehr langfristige Anlageperspektive einzunehmen, möchten keinen allzu großen kurzfristigen Stress erleiden. Um diesen “Stress” quantitativ zu erfassen, hat sich die Maßzahl der Volatilität etabliert. Die Volatilität gilt mittlerweile als Synonym für das Risiko einer Kapitalanlage schlechthin, obwohl sie lediglich die Schwankungsintensität einer (Aktien-) Anlage misst. Volatilität wird in Prozent ausgedrückt und beschreibt, einfach ausgedrückt, die Schwankung einer Anlage um ihren Mittelwert in einem vorgegebenen Zeitraum. Dabei gilt, je kürzer der Zeitraum, desto höher die Schwankungen. Der Dax hat zum Beispiel zurzeit eine Volatilität von 25 % während eines Jahres. Leider kann man sich darauf nicht verlassen, da auch Volatilität im Zeitverlauf deutlichen Schwankungen unterworfen ist. So lag der niedrigste Wert der Volatilität in den letzten zwölf Monaten bei 14 %, während der höchste Wert bei mehr als 50 % lag. Der Dax erreichte diesen Extremwert, als das Coronavirus über Europa schwappte. Möglichst geringe VolatilitätVerständlicherweise wünschen sich viele Anleger, dass ihr Vermögensverwalter oder ihr Fonds die Volatilität ihrer Anlage in engen Grenzen hält. Unausgesprochen steht der Wunsch dahinter, das Verlustrisiko (auch “Drawdown” genannt) zu begrenzen, ohne dabei die Chancen für eine positive Wertentwicklung allzu stark zu beschneiden. Das ist zwar ein legitimer Wunsch, der aber manchmal leider der Quadratur des Kreises ähnelt.Wie kann ein Vermögensverwalter oder Fondsmanager also aus einem vorgegebenen Risiko möglichst viel Ertrag herausholen? Ein scheinbar einfacher Weg zu Risikokontrolle besteht darin, bei steigender Volatilität so viele Aktien zu verkaufen, bis das Anlagevermögen wieder das angestrebte Risikoprofil erreicht hat. Da allerdings in den meisten Fällen die Volatilität gerade bei fallenden Kursen ansteigt, geraten Aktienmärkte schnell in einen Teufelskreis von Verkaufsdruck und weiter steigender Volatilität. Dies war eindrucksvoll zu Beginn der Coronakrise zu beobachten. Innerhalb weniger Tage stieg die Volatilität des Deutschen Aktienindex auf 50 % und der Index fiel um knapp 40 %. Auch schnelle Verkäufe konnten in dieser Zeit keine zweistelligen Verluste verhindern. Hätte man trotzdem Aktien zur Risikoreduzierung verkauft, wäre es außerdem kaum gelungen, an der anschließenden Kurserholung zu partizipieren.Welche weiteren Möglichkeiten gibt es also, ein vorgegebenes Risikomaß einzuhalten und trotzdem einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen? Die Volatilität am Markt ist vom Anleger nicht beeinflussbar, jedoch kann er durch die Struktur seiner Anlagen diese zumindest in seinem Portfolio in entsprechenden Grenzen halten. Diversifikation wichtigDie wichtigste Maßnahme, die zum Handwerkszeug jedes professionellen Anlegers gehören sollte, ist dabei die Diversifikation, also die Streuung der Anlagen.Die Risikokomfortzone vieler Anleger liegt typischerweise im einstelligen Volatilitätsbereich, also etwa bei einem Drittel des gegenwärtigen Aktienrisikos. Damit lässt sich eine Aktienquote von etwa 30 % im Anlagevermögen darstellen. Durch einen geeigneten Mix von anderen Anlageklassen lässt sich diese Aktienquote allerdings auf 40 bis 50 % ausdehnen. Vor allem Gold, langlaufende US-Staatsanleihen und der Dollar eignen sich gut, um das Risiko einer Aktienanlage zu diversifizieren. Dies liegt daran, dass alle drei Anlageklassen oft dann die beste Performance zeigen, wenn es an den Aktienmärkten stürmisch wird. Deshalb nennt man das Anlagetrio aus Gold, Dollar und US-Staatsanleihen auch gerne “sichere Häfen”. Zumindest die Staatsanleihen und Gold haben dieses Jahr ihre Funktion als sicherer Hafen auch vorbildlich erfüllt. Es ist allerdings fraglich, ob dies in Zukunft weiter der Fall sein wird, da aufgrund der extrem niedrigen Zinsen kaum noch Renditepotenzial von diesen Anlagen zu erwarten sein dürfte. Aktien alternativlosAktien sind in einem Nullzinsumfeld, das möglicherweise noch Jahre andauern wird, hinsichtlich der Renditechancen alternativlos. Durch das Coronavirus hat sich aber das Aktienrisiko deutlich erhöht. Betrug das Risiko einer Anlage im Dax am Anfang des Jahres gemessen an der Volatilität 18 %, so ist dieses bis Ende Oktober auf 30 % gestiegen. Um dieses Risiko zu senken, ist eine intelligente Diversifizierung auf der Aktienseite erforderlich, die sich über vier Ebenen erstreckt. Die erste Ebene bilden die unternehmensspezifischen Risiken. Sie lassen sich reduzieren, indem man das Kapital über viele verschiedene Aktien streut. Die Anlage in nur einer Region oder sogar in nur einem Land ist unter Risikoaspekten keine gute Idee. Deshalb sollte auf einer zweiten Ebene eine Aktienanlage global gestreut werden. Dadurch lässt sich zum Beispiel das Risiko gegenüber einer rein deutschen Aktienanlage um gut ein Drittel reduzieren. Die dritte Ebene zur besseren Diversifikation bilden die Sektoren. Hier zeigen sich typischerweise die größten Unterschiede in der Wertentwicklung. So haben Technologieaktien in diesem Jahr bis Ende Oktober 21 % zugelegt, während zum Beispiel Finanzaktien 22 % eingebüßt haben. Die Tatsache, dass der Technologiesektor in diesem Jahr lange Zeit der einzige Sektor mit einer positiven Wertentwicklung war, ist kein Argument gegen eine solche Diversifizierung. Anfang November konnte der Finanzsektor gut 7 % zulegen, während Technologieaktien Kursverluste erlitten. Während das Coronavirus lange Zeit die Technologieaktien begünstigt hat, trug die Nachricht von einem Impfstoff zu einem beispiellosen Kursanstieg von zyklischen Aktien bei, womit die vierte Ebene einer Diversifikation von Risiken sichtbar wird. Wachstumsaktien (Technologie, digitale Ökonomie) sollten in einem angemessenen Verhältnis zu sogenannten defensiven Aktien (Versorger, Nahrungsmittel, Immobilien, Telekommunikation) und zyklischen Aktien (Autos, Chemie, Rohstoffe, Finanzwerte) stehen. Langfristtrends beachtenAbschließend sollte neben den quantitativ erfassbaren Risiken eine qualitative Betrachtung nicht zu kurz kommen. Längerfristig bieten all jene Anlagen das beste Chance-Risiko-Verhältnis, welche durch längerfristige Trends begünstigt werden. Dazu gehören vor allem die Digitalisierung sowie Nachhaltigkeit im unternehmerischen Handeln. Die größte Chance für Aktien liegt in dem niedrigen Zinsniveau, das größte Risiko ist entsprechend eine starke Veränderung dieses Zinsniveaus nach oben. Klaus Kaldemorgen, Fondsmanager, DWS