Delisting

Rothschild vor neuem Kapitel

Nach 185 Jahren wollen sie die renommierte Investmentbank von der Börse von Paris nehmen, wo sie seit 1838 mit kleinen Unterbrechungen gelistet war. Der Börsenrückzug passt zur langfristig orientierten Geschäftsstrategie.

Rothschild vor neuem Kapitel

Sie gilt als eine der bekanntesten Bankiersfamilien der Welt. Nun wollen die Rothschilds ein weiteres neues Kapitel in der bewegten Geschichte der nach ihr benannten Bank aufschlagen, nachdem sie bereits zum Jahreswechsel einen Epochenwechsel bei Rothschild & Co vollzogen haben. Nach 185 Jahren wollen sie die renommierte Investmentbank von der Börse von Paris nehmen, wo sie seit 1838 in der ein oder anderen Form gelistet war – zunächst unter ihrem früheren Namen Paris – Orléans. Für die 1811 von Nathan Mayer Rothschild gegründete Gruppe, die nach der Nationalisierung unter dem früheren französischen Präsidenten François Mitterrand 1982 wieder aufgebaut wurde, endet damit eine weitere Ära. Erst zu Beginn des Jahres ist mit Marc-Olivier Laurent erstmals ein Manager Vorsitzender des Aufsichtsrates geworden, der kein Mitglied der berühmten Bankiersfamilie ist. Laurent hat am 1. Januar David de Rothschild abgelöst, der die operative Geschäftsführung bereits vor vier Jahren an seinen Sohn Alexandre übergeben hat.

Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass die Bankiersfamilie ihre Pläne, Rothschild & Co von der Börse zu nehmen, ausgerechnet jetzt bekannt gibt, wo Geschäftsabschlüsse angesichts steigender Zinsen und wirtschaftlicher Unsicherheiten ge­nerell abnehmen. Das Beratungsgeschäft bildet nach wie vor das Herzstück der Aktivitäten – es macht rund zwei Drittel der Aktivitäten von Rothschild & Co aus. Wegen des Rückgangs von Fusionen und Akquisitionen sind einige andere Akteure wie Goldman Sachs in schwierigeres Fahrwasser geraten, so dass sie zahlreiche Mitarbeiter entlassen mussten. Dadurch, dass die Rothschilds ihre familieneigene Bank nun von der Börse nehmen wollen, entziehen sie sich dem Druck von kurzfristig interessierten Investoren. Das können sie sich leisten, da es keine der Sparten der Gruppe nötig hat, sich am Kapitalmarkt frisches Geld zu beschaffen.

Der geplante Börsenrückzug passt zur langfristig orientierten Geschäftsstrategie der Bank, die auch im Assetmanagement und Risikokapital tätig ist. Die Be­ziehungen, die Rothschild & Co mit ihren Kunden pflege, könne man nicht mithilfe von Werbung oder Berichten in der Presse aufbauen, sagte der neue Aufsichtsratschef der Bank einmal. „Sie bauen sie durch eine tägliche Beziehung auf, die sie mit einem Familienoberhaupt, einem Unternehmenschef oder einem großen Vermögensverwalter aufbauen.“ Gleichzeitig kann die Rothschild-Familie durch den Rückzug von Rothschild & Co von der Börse ihren Einfluss bei der Investmentbank zementieren, nachdem sie durch die Fusion der beiden zuvor getrennten französischen und britischen Rothschild-Banken 2012 den Grundstein für die heutige Gruppe gelegt hat. Damit konnte sie auch die über Jahrzehnte anhaltenden Rivalitäten zwischen beiden Zweigen beenden.

Zwar haben andere kleinere Investmentbanken wie Lazard und Evercore in den letzten Jahren den Gang an die Börse gewagt. Und doch befindet sich die Rothschild-Familie mit ihren Plänen in guter Gesellschaft. In den letzten Jahren haben sich bekannte Unternehmen wie der Infrastrukturkonzern Atlantia und der Telekomanbieter Iliad (Free) von der Börse zurückgezogen, um wieder unabhängiger zu sein.

          (Börsen-Zeitung,

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.