Rückzug

Vanguard schwimmt in China gegen den Strom

Für globale Investmentbanken und Fondsgesellschaften gilt die Maxime, den wachstumsträchtigen chinesischen Markt so energisch wie möglich zu beackern – und zwar nach Maßgabe der dort vorgefundenen regulatorischen Möglichkeiten. Das heißt mit anderen...

Vanguard schwimmt in China gegen den Strom

Für globale Investmentbanken und Fondsgesellschaften gilt die Maxime, den wachstumsträchtigen chinesischen Markt so energisch wie möglich zu beackern – und zwar nach Maßgabe der dort vorgefundenen regulatorischen Möglichkeiten. Das heißt mit anderen Worten, es wird nach allen Beteiligungschancen oder Lizenzen zum eigenen Aufbau von Geschäften gegriffen, so wie sie sich im Rahmen der schleichenden Öffnung des Marktes für ausländische Finanzdienstleister bieten. Umso mehr lässt nun die Entscheidung des amerikanischen Fondsmanagement-Giganten Vanguard Group aufhorchen, seine Pläne für den Aufbau eines eigenverantwortlich, ganz ohne Joint-Venture-Partner geführten Publikumsfondsgeschäfts fallen zu lassen und keine großen Gelder in eine China-Expansion zu stecken.

Freiwilliger Verzicht

Wie Vanguard kürzlich bekannt gab, wird der Antrag für eine Lizenz als sogenannte Wholly-Owned Mutual Fund Company wieder zurückgezogen. Damit verzichtet der Fondsbetreiber freiwillig auf die erst vor einem Jahr im Rahmen einer breiteren Lockerungsoffensive der chinesischen Finanzmarktplaner eingeräumte Möglichkeit, sich ohne den bislang üblichen Zwang zur Partnerschaft mit einer heimischen Sektoradresse in das boomende Publikumsfondsgeschäft zu stürzen.

Zwei Gründe

Liegt es an den verschärften Wettbewerbsbedingungen im chinesischen Fondsgeschäft oder eher an einer verschärften Kostendisziplin im Hause Vanguard, dass man plötzlich nicht mehr bereit ist, der Einladung chinesischer Behörden zur Miteroberung des Fondsmarktes zu folgen? Es scheinen beide Faktoren eine Rolle zu spielen. Vanguard, der weltweit zweitgrößte Assetmanager nach BlackRock, gehört zu den Pionieren des Low-Cost-Geschäfts mit Massenpublikumsfonds und den besonders gebührenarmen Investmentprodukten auf Basis von Exchange-Traded Funds (ETF), also passiv gemanagten Vehikeln. Um hierbei etwas zu verdienen, muss man rasch auf hohe Umdrehungen kommen, was Van­guard in der US-Heimat und anderen westlichen Märkten zweifellos ge­lungen ist.

Auch in China finden ETFs und billige Fondsangebote mittlerweile rasch Verbreitung, allerdings ist das Feld mit der Armada von heimischen Banken, Assetmanagern sowie Brokerhäusern und ihren ausufernden Filialnetzen bereits denkbar gut bestückt. Der Aufbau eines eigenverantwortlichen Massenfondsgeschäfts und die dazugehörigen Vertriebsanstrengungen, um die dem breiten chinesischen Publikum gänzlich unbekannte Marke Vanguard nahezubringen, wären alles andere als ein Selbstläufer. Und letztlich dominiert im chinesischen Markt auch eindeutig der spekulativ orientierte Anlegertypus, der sein Heil in schnellen Umschichtungen sucht und sich mit dem Geduldsspiel des passiven, indexbezogenen Investments noch nicht richtig anzufreunden vermag.

Sicherlich dürfte aber auch eine Rolle gespielt habe, dass der vor drei Jahren angetretene Vanguard-Konzernchef Tim Buckley weniger Interesse an dem nicht ganz billigen Expansionstrip im asiatischen Raum zeigt als sein Vorgänger. So hat sich Vanguard im vergangenen Jahr aus reiferen asiatischen Märkten wie Japan und Hongkong weitgehend zurückgezogen und zuletzt auch in China ihre 21 Mrd. Dollar schweren Betreuungsmandate für institutionelle chinesische Kunden freiwillig eingestellt. Zudem bereiten die Spannungen zwischen China und den USA der Führung Kopfschmerzen.

Trotz aller Vorbehalte gegenüber dem chinesischen Markt hat Van­guard ihre Ambitionen nicht ganz aufgegeben, sondern will sich nun erst recht auf eine gemeinsam mit dem chinesischen Fintech-Riesen Ant Group aufgezogene Plattform für Robo-Advising konzentrieren. Es geht also um automatisierte Vermögensberatungsdienste auf Basis von künstlicher Intelligenz. Die im Frühjahr 2020 gestartete Plattform richtet sich an tendenziell wenig vermögende Massenkundschaft, die bereits mit umgerechnet gut 100 Euro mit von der Partie ist, zeigt aber rasche Anlauferfolge.

Allein in den ersten zwei Monaten dieses Jahres hat sich die Zahl der Kunden gegenüber Jahresende 2020 auf nunmehr eine Million verdoppelt. Dabei ist das Vermögensverwaltungsvolumen um 60% auf 6,9 Mrd. Yuan (knapp 900 Mill. Euro) geklettert. Für ein Haus wie Vanguard sind das noch winzig kleine Brötchen, doch ist es auf einem vielversprechenden und weniger mühsamen Weg, doch noch zu einer großen Nummer in China zu avancieren.