Jochen Schenk und Bernd Lönner

Vorsichtige Investoren suchen Wohnimmobilien

Der Immobilienspezialist Real I.S. nimmt verstärkt Wohninvestments in den Blick und reagiert damit auf die Pandemie-Folgen für den Immobilienmarkt. Immer mehr Sparkassen vertreiben den Privatkundenfonds der BayernLB-Tochter. Mittelfristig will der Vorstand das verwaltete Vermögen um ein Drittel erhöhen.

Vorsichtige Investoren suchen Wohnimmobilien

Von Michael Flämig, München

Real I.S. will verstärkt in Wohnungen investieren. „Im Moment sind viele Investoren auf der eher vorsichtigen Seite unterwegs und bereit, in niedriger rentierende Wohnimmobilien zu investieren“, sagte Vorstandsvorsitzender Jochen Schenk der Börsen-Zeitung. Auch Logistik sei gefragt. Der stellvertretende Vorstandschef Bernd Lönner betonte, dies sei eine Anpassung der Investmentstrategie, aber keine grundsätzliche Änderung: „Büro-Investments stellen immer noch einen stabilen Anker dar, wenn sie am richtigen Standort sind.“

Real I.S. managte Ende vergangenen Jahres Immobilien im Verkehrswert von 10,3 Mrd. Euro (11,1 Mrd. inklusive anderen Anlagen), ein Plus von 24% im Vorjahresvergleich. 80% der Gelder haben institutionelle Anleger investiert. Mit 6,4 Mrd. Euro stellen Büros den Löwenanteil, dagegen sind Logistik (0,7 Mrd. Euro) und Wohnen (0,5 Mrd. Euro) unterrepräsentiert. Im laufenden Jahr will die BayernLB-Tochter einen zweiten wohnwirtschaftlichen Fonds unter dem Namen „Modern Living“ aufsetzen. Er ziele auf ein breites Spektrum von Wohnnutzungen, sagte Schenk: vom studentischen Wohnen über klassische Mietshäuser bis zu Pflegeeinrichtungen.

Die Nachfrage für Kapitalanlagen in Wohnungen steigt in der Pandemie, ist Schenk überzeugt. So sei in Deutschland – dort bündelt das Münchner Unternehmen gut die Hälfte seiner Investments – in den ersten neun Monaten 2020 rund ein Drittel des Transaktionsvolumens auf dieses Segment entfallen, während es im Jahr 2019 nur rund ein Viertel war. Weiteres Bevölkerungswachstum und verhaltene Neubautätigkeit sorgten für eine Krisenresilienz der Mietshäuser. Die Kunden akzeptierten dafür niedrigere Renditen, als sie für Büroinvestments üblich seien. Über den Daumen gepeilt betrage die Differenz einen halben Prozentpunkt, sagte Schenk. Zuletzt habe man ein Wohnportfolio mit einer anvisierten Ausschüttung von 2,5% aufgelegt. Im vergangenen November hatte Real I.S. in der größten Einzeltransaktion des Unternehmens vier Objekte in Berlin, Dresden, Frankfurt und Köln erworben.

Neuer Logistik-Fonds

Real I.S. will darüber hinaus im laufenden Jahr erstmals einen eigenständigen Logistik-Fonds auflegen. Die Rendite-Schmerzgrenze der Kunden liege für Top-Lagen bei 3,5% bis 4%, sagte Schenk. Der Fonds signalisiert ebenso wie das Wohnimmobilien-Engagement eine strategische Neuausrichtung, denn zuvor hatte Real I.S. vor allem auf paneuropäische Portfoliofonds gesetzt. „Wir werden zunehmend spezialisierte Produkte auflegen“, so Schenk.

In der Strategie der Büro-Investments sieht Real I.S. sich trotz der neuen Logistik- und Wohnfonds bestätigt. „Die Kernlagen werden nicht spürbar leiden“, erklärte Lönner. Im Schnitt sei sogar das Gegenteil der Fall. Die Gutachten, die jährlich für jedes Objekt von Real I.S. erstellt würden, hätten 2020 im Schnitt eine Wertsteigerung der Büros ergeben. Die Leerstände seien teils auf Tiefständen, dies sei ein Puffer gegen sinkende Mieten. Außerdem bleibe das Büro der Ankerpunkt des Geschäftslebens, insbesondere junge Beschäftigte drängten zurück in die Unternehmen. Klar sei aber auch: „Alte Zell- und Großraumbüros wird es nicht mehr geben.“

Rendite sinkt kaum

Als Vermieter sieht Real I.S. sich durchaus von der Pandemie getroffen. „Es ist kein einfacher Gang“, sagte Schenk. Jedoch spürten die Anleger dies nur begrenzt, weil die Durchmischung der Fonds und das Ausbleiben großer Insolvenzen die Folgen begrenzten. Jedoch gelte: „Wir sind bei der Ausschüttung sehr vorsichtig unterwegs.“ Einige geschlossene Privatkundenfonds, die konstruktionsbedingt in nur einem Objekt investiert seien, hätten aus Vorsichtsgründen die Ausschüttung nicht an die Anleger überwiesen. Die durchschnittliche Ausschüttung 2020 an Privatkunden liegt bei 3,95%. Im Vorjahr hatten die Fonds 3,96% gemeldet. Im gewichteten Durchschnitt erreichten die institutionellen Fonds im Jahr 2020 eine Verzinsung (IRR) von 4,5%, ein Jahr zuvor waren es 4,6% gewesen.

Die Expansion in den Privatkundenmarkt (vgl. BZ vom 26.5.2020) komme gut voran, sagte Schenk. Der offene Fonds Realisinvest Europa habe sein Volumen im vergangenen Jahr von 115 Mill. Euro auf 398 Mill. Euro gesteigert. Mittlerweile seien 60 Sparkassen in den Vertrieb eingebunden, Ende des Jahres solle die Marke von 80 erreicht sein. Es bleibe bei dem Ziel, innerhalb von drei Jahren 1 Mrd. Euro Kapital einzuwerben, wenn das Jahr 2020 als Startjahr verstanden werde.

In den Transaktionszahlen hat die Pandemie deutliche Spuren hinterlassen. Das ursprüngliche Ziel eines Volumens von 2 Mrd. Euro, das schon im vergangenen Frühjahr zurückgenommen wurde, hat Real I.S. klar verfehlt. Es sank um 10% auf 1,6 Mrd. Euro. Die Prognose eines Ankaufvolumens von 1,5 Mrd. Euro sei zwar erreicht worden, betonte der Vorstandsvorsitzende. Aber: „Wir hatten die Verkäufe ausgesetzt.“ Es wurden Immobilien im Wert von nur 56 Mill. Euro abgegeben. Der Grund: Der Käuferkreis wäre, beispielsweise wegen der geltenden Reisebeschränkungen, zu stark eingeschränkt gewesen, erklärte Schenk.

Im laufenden Jahr peilt Real I.S. ein unverändertes Ankaufsvolumen von 1,5 Mrd. Euro an. Mit der Prognose weicht Real I.S. vom bisherigen Usus ab, das Transaktionsvolumen – also inklusive Verkäufe – zu nennen. „Wir haben einiges in der Pipeline, was wir verkaufen wollen, aber nicht verkaufen müssen“, sagte Schenk. Mittelfristig will Real I.S. die Assets under Management, die Ende 2020 inklusive Anlagen jenseits des Immobiliensektors 11,1 Mrd. Euro betrugen, auf 15 Mrd. Euro ausbauen (siehe Grafik). Institutionelle Kunden und Privatanleger sollten hierzu gleichermaßen beitragen, sagte Schenk.

Das Ergebnis vor Steuern, das im vergangenen Jahr um 28% auf 19,3 Mill. Euro und damit überplanmäßig gestiegen war, möchte Schenk in der laufenden Periode auf etwas mehr als 20 Mill. Euro erhöhen. Die Kapitalrendite, die 250 Mitarbeiter (umgerechnet gut 200 Vollzeitstellen nach mehr als 190 im Vorjahr) erwirtschafteten, betrug im vergangenen Jahr 42,3% (i.V. 33,5%). Die Kosten-Ertrags-Relation verbesserte sich von 75,5% auf knapp 73%. Es bleibe das mittelfristige Ziel, unter 70% zu kommen, sagte Lönner. Es wurde Eigenkapital in Höhe von 666 Mill. Euro platziert, ein Minus von 26%.

ESG erhält mehr Gewicht

Real I.S. setzt sich zudem intensiver als bisher mit ESG-Kriterien auseinander. „Wir engagieren uns dort gerade mit dem öffentlich-rechtlichen Hintergrund sehr ernsthaft und wollen einen Beitrag für die Gesellschaft leisten“, sagte Schenk. Das weltweite Immobilienportfolio solle bis zum Jahr 2023 klimaneutral werden (ohne den Verbrauch der Mieter), als Unternehmen ohne sein Immobilienportfolio wolle Real I.S. dieses Ziel bis zum Jahr 2030 erreichen. Schenk wies darauf hin, dass es in der Immobilienwirtschaft schwierig sei, die notwendigen Daten zu erhalten. Es müsse Grundsatzarbeit geleistet werde, darum beteilige sich Real I.S. an Ecore, einer Initiative für ESG-Konformität in Immobilienportfolios. „Es wird nicht so einfach sein, riesige Fortschritte zu machen“, sagte Schenk.