Joachim Wuermeling, Bundesbank

„Ziel ist ein Meldewesen aus einem Guss“

Die Banken und ihre Aufseher diskutieren intensiv über eine Modernisierung des Meldewesens. Die Bundesbank unterstützt die jüngste Initiative der EZB zur besseren Verknüpfung von Daten. Zudem spricht sich die Bundesbank dafür aus, mittelfristig die Meldung von Millionenkrediten einzustellen.

„Ziel ist ein Meldewesen aus einem Guss“

Detlef Fechtner.

Herr Professor Wuermeling, die EZB hat jetzt das Projekt „Agora“ gestartet, um das Meldewesen zu modernisieren. Meldedaten sollen in einem einheitlichen Speicher gepoolt werden. Wie bewertet die Bundesbank die Initiative?

Wir begrüßen die Initiative der EZB ausdrücklich. „Agora“ ist in erster Linie ein internes Vorhaben der Aufsicht im Single Supervisory Mechanism SSM, das aber indirekt auch Auswirkungen auf unser Meldewesen haben könnte. Hier werden gegenwärtig an verschiedenen Stellen Veränderungen diskutiert, zum Beispiel, was die Granularität der Daten an­geht. Wenn wir hierfür neue Analysen nutzen wollen, müssen wir Daten besser verknüpfen. „Agora“ stellt so­mit eine wichtige technische Grundlage dar, um Daten aus dem (künftigen) Meldewesen besser nutzen zu können. Deshalb wirken wir als Bundesbank intensiv mit.

Die Kreditwirtschaft beklagt den Umfang der Meldepflichten, aber auch, dass einzelne Daten doppelt oder in nicht genau gleicher Form von verschiedenen Stellen angefragt werden. Haben Sie Verständnis für die Kritik?

Ja, diese Kritik ist durchaus verständlich. Doppelmeldungen sind dadurch entstanden, dass die verschiedenen Bereiche – Statistik, Bankenaufsicht und Abwicklung – ihre Meldeanforderungen separat entwickelt und umgesetzt haben. Die derzeit laufenden Initiativen des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) gehen dieses Problem an. Ziel ist es, in Zukunft ein Meldewesen aus einem Guss zu haben, das verschiedene Meldezwecke gleichzeitig erfüllt. Es liegt allerdings noch viel Grundlagenarbeit vor uns, wir müssen vor allem ein einheitliches Datenwörterbuch erarbeiten. Aber daran wird intensiv gearbeitet, und wir bringen uns mit viel Engagement und Ressourcen ein.

Welchen Beitrag kann Anacredit leisten?

Mit Anacredit machen wir einen großen Schritt hin zu einem granularen, integrierten Meldewesen. Das System ist mit weniger Kosten für die Institute verbunden, weil es bankaufsichtliche und statistische Anforderungen zusammenführt. Ziel ist, dass durch granulare Meldungen viele bisher bestehende Meldeanforderungen ersetzt werden. So können BaFin und Bundesbank Anacredit zukünftig für Analysen nutzen, die wir derzeit anhand des Millionenkreditmeldewesens durchführen. Deshalb sind wir der Auffassung, dass das Millionenkreditmeldewesen mittelfristig eingestellt werden kann. Für die Banken, aber auch für uns Aufsichtsbehörden würde das eine ganz wesentliche Kostenentlastung bedeuten und ein Beitrag zum Bürokratieabbau sein.

Sie haben in der Vergangenheit signalisiert, eine Vereinfachung des Meldewesens zu unterstützen. Welche Überlegungen haben Sie dabei im Kopf?

BaFin und Bundesbank haben zusammen mit der Kreditwirtschaft eine Machbarkeitsstudie zum Meldewesen durchgeführt. Die Studie zeigt, dass ein granulares Meldewesen sowohl für die Banken als auch für die Aufsicht deutliche Effizienzvorteile bringen kann. Für die Aufsicht ist noch ein weiterer Aspekt sehr wichtig: Ein granulares Meldewesen kann die Analysemöglichkeiten einschließlich automatisierter Risikoerkennungsverfahren deutlich erweitern. Ziel der Änderungen im Meldewesen ist folglich auch, dass wir Aufseher anhand des Datenbestands schnellere und tiefere Analysen durchführen können. Damit fördern wir letztlich auch die Finanzstabi­lität.

Welche Rolle spielt dabei das Bemühen um mehr Proportionalität in der Finanzmarktregulierung, das von Ihnen ausdrücklich unterstützt wird?

Proportionalität ist ein oft postuliertes Ziel, bei dem in der Umsetzung allerdings noch Luft nach oben ist – das Meldewesen ist hier nur ein Element. Einen Einstieg haben wir be­reits: Institute, die als klein und nicht komplex klassifiziert sind, müssen weniger offenlegen und können eine vereinfachte Version der Liquiditätskennzahl NSFR (Net Stable Funding Ratio) nutzen. Aber hier machen wir nicht halt: Auch im Meldewesen setzt sich die Bundesbank für mehr Proportionalität ein, sowohl im aktuellen Regulierungsrahmen als auch bei den europäischen Initiativen zur In­tegration des Meldewesens. In einem integrierten Meldewesen müssen wir Proportionalität künftig jedoch an­ders denken: Bei granularer Datenerhebung können wir nicht einfach auf einzelne Datenpunkte verzichten – hier wird die Bundesbank proportionale Lösungen erarbeiten.

Das Interview führte

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