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Basteln am Sommermärchen reloaded

In Berlin hat bereits der Bau der angeblich größten Fanmeile der Welt begonnen. Ob sich diese Millioneninvestitionen für die Fußball-EM auch rentieren, ist offen.

Basteln am Sommermärchen reloaded

Notiert in Berlin

Basteln am Sommermärchen reloaded

Von Andreas Heitker

Es ist zwar noch gut ein Monat bis zum Eröffnungsspiel, im Zentrum Berlins sorgt die nahende Fußball-Europameisterschaft aber jetzt schon für lange Verkehrsstaus. Seit einigen Tagen ist schon der zentrale Abschnitt der „Straße des 17. Juni“ gesperrt. Zwischen dem „Großen Stern“ und dem Brandenburger Tor geht bis Ende Juli gar nichts mehr – weder für Auto- noch für Radfahrer oder die dort üblicherweise fahrenden Busse. Das gilt auch für eine Alternativroute durch den Tiergarten, sodass in den nächsten Wochen auch Kanzleramt und Bundestag schwieriger zu erreichen sind.

Vor dem Brandenburger Tor soll nämlich wieder eine Fanmeile entstehen, natürlich größer und schöner als jemals zuvor. Geplant ist ein 24.000 Quadratmeter großes Gelände, das komplett mit Kunstrasen ausgelegt ist. Die Arbeiten daran haben schon begonnen. Geplant ist ein „Pop-up-Park“ mit Tribünen, Übertragungsleinwänden, den vielen üblichen Essens- und Getränkebuden sowie eigene Sponsorenbauten, wie etwa das „Adidas home of football“. 17,5 Mill. Euro will sich der Berliner Senat das ganze Spektakel kosten lassen. An der fehlenden Infrastruktur für die Fans soll ein Sommermärchen reloaded ja nicht scheitern.

Berlin erwartet 2,5 Millionen Fans zur EM

Die Marketing-Agentur „Visit Berlin“ hofft im Gegenzug auf 2,5 Millionen Fans, die während der EM die sechs Spiele im Olympiastadion sowie „die längste Fanmeile der Welt“ mit dem „größten Fußballtor der Welt“ vor dem Brandenburger Tor besuchen und hier viel Geld ausgeben. Ob dabei das Wetter oder auch die Leistungen der deutschen Mannschaft dazu beitragen, sind natürlich die großen Unbekannten in dieser Rechnung. Mit Blick nicht nur auf die Berliner, sondern die gesamtdeutsche Wirtschaftsentwicklung hat zudem das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bereits vor einigen Wochen gewarnt: „Sportliche Großereignisse sind kein Konjunkturfeuerwerk.“ Dies habe auch schon die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gezeigt.

IW-Konjunkturexperte Michael Grömling verwies darauf, dass viele Verbraucher die EM zwar zum Anlass nähmen, um sich einen neuen Fernseher zu kaufen, zum Public Viewing einzuladen oder beim Mitfiebern ein Bier mehr zu trinken. Dafür sparten sie aber an anderer Stelle. „Die Konsumausgaben steigen folglich nicht unbedingt, sondern verschieben sich.“ Und die vielen ausländischen Fans? Die verdrängten nach Ansicht von Grömling im Zweifel nur andere Touristen. Auch werde nicht in neue Straßen oder andere Infrastruktur investiert.

Maskottchen Albärt präsentiert in Berlin den EM-Pokal (Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow).

Allerdings räumt auch der IW-Experte ein, dass die psychologischen Effekte eines Sommermärchens – „die emotionale Rendite“ – nicht zu unterschätzen sind. Die EM könne die Stimmung aufhellen und das Image des Gastgeberlandes verbessern: „Imagepflege ist gerade vor dem Hintergrund schwacher Direktinvestitionen ein enormer Gewinn“, sagt Grömling. Und das sollten sich dann auch einmal die ganzen Berliner merken, die jetzt über gesperrte Straßen meckern.

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