Unterm StrichGrüner Stahl

Transformation in den Köpfen

Energiewende und Dekarbonisierung bedeuten früher oder später das Ende des Stahlstandorts Deutschland. Statt mit Milliarden-Subventionen alte Industriestrukturen zu erhalten, sollte der Staat lieber Geld zur Förderung von Digitalisierung und KI in die Hand nehmen.

Transformation in den Köpfen

Transformation
in den Köpfen

Von Claus Döring

Energiewende und Dekarbonisierung bedeuten das Ende des Stahlstandorts Deutschland. Statt mit Milliarden-Subventionen alte Industriestrukturen zu erhalten, sollte der Staat lieber Geld zur Förderung von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz in die Hand nehmen.  

Das Bekenntnis zur Marktwirtschaft reduziert sich hierzulande zunehmend auf Sonntagsreden und Gedenkfeiern. In der Politik, in Verbänden und großen Konzernen setzt man bei einem so wichtigen Vorhaben wie der ökologischen Transformation und Dekarbonisierung lieber auf den Staat und das Geld der Steuerzahler anstatt auf den Markt. Mit vielen Milliarden subventioniert der Staat die Investitionen der Industrie in CO2-ärmere Produktionen. Beispiel Stahlindustrie: Deutschland ist der größte Stahlproduzent in Europa, Deutschlands Regierung gefällt sich als Vorreiter der grünen Transformation. Doch das erste grüne Stahlwerk der Welt wird nicht an Ruhr oder Saar gebaut, sondern in Schweden.

Produzent des dort dank Wasserstoff nahezu emissionsfrei erzeugten Stahls wird nicht einer der traditionsreichen Stahlkonzerne sein, sondern ein 2020 gegründetes schwedisches Start-up. Und finanziert wird das Projekt nicht durch Subventionen, sondern über den Markt mit Eigen- und Fremdkapital. Die Investitionssumme in Höhe von fast 6,5 Mrd. Euro für das Stahlwerk, das 2025 in Betrieb gehen soll und bereits Bestellungen von Mercedes, BMW und Porsche in den Büchern hat, konnte der Branchenneuling H2 Green Steel über Eigenkapital und Privatplatzierungen von 2,1 Mrd. Euro darstellen, außerdem sammelte er bei mehr als 20 internationalen Banken und Fonds Fremdkapital in Höhe von 4,2 Mrd. Euro ein. Das ist zusammen so viel, wie die Bundesregierung den deutschen Stahlwerken von Thyssenkrupp, Salzgitter, Stahl-Holding-Saar (SHS) und Arcelor an Subventionen zahlen will, um die Transformation von „grauem“ Stahl aus Koks-Hochöfen mit hohem CO2-Ausstoß zu „grünem“ Stahl aus Direktreduktionsanlagen mit Stromgewinnung zunächst aus Gas und später Wasserstoff zu fördern. Fast 7 Mrd. Euro an Subventionen hat die EU-Kommission der Bundesregierung erlaubt, deren Vertreter sich seither von den Stahlkochern für diese unglaubliche Verschwendung von Steuergeldern feiern lassen.

Staatliche Förderung für Digitalisierung und KI

Das Beispiel der Grünstahl-Fabrik auf der grünen Wiese in Nordschweden legt nahe, dass es sich bei den Milliarden für die deutsche Stahlindustrie weitgehend um Mitnahmeeffekte handelt. Denn auch ohne Subventionen wären die deutschen Stahlwerke über kurz oder lang gezwungen, ihre zwar effizienten, aber extrem klimaschädlichen Hochöfen nicht nur zu modernisieren, sondern abzuschalten und durch elektrische Lichtbogenöfen zu ersetzen. Und zwar, weil erstens steigende Preise für CO2-Zertifikate die Wettbewerbsfähigkeit von grauem Stahl sukzessive verschlechtern und zweitens die Nachfrage nach Grün-Stahl noch auf Jahre bei weitem das Angebot übertreffen wird.   

Die Krux für deutsche Stahlwerke: Mit dem Wechsel von der grauen zur grünen Technologie wird sich der Anteil der Energiekosten an den gesamten Produktionskosten von 5 auf 45 bis 50% beinahe verzehnfachen. Der Strompreis wird damit zum K.-o.-Kriterium für den Stahlstandort Deutschland. Die Energiepolitik der Ampel-Koalition wird deshalb zur Folge haben, dass Stahlproduktion in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig ist und Subventionen ihren unvermeidlichen Exodus nur hinauszögern.

Wäre das ein Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland? Nein! Denn am Stahl-Weltmarkt gibt es riesige Überkapazitäten. Sie werden auf 600 Mill. t jährlich geschätzt. Zum Vergleich: Die Jahresproduktion in Europa liegt bei 150 Mill. t, davon 40 Mill. in Deutschland. Was im vorigen Jahrhundert der Stahl für die wirtschaftliche Entwicklung war, sind heute und morgen Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Hier sollte die finanzielle Förderung durch den Staat ansetzen, nicht am Erhalt alter Industriestrukturen. Transformation muss deshalb auch in den Köpfen stattfinden.

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