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Griechenland erhebt nun auch "Parkgebühr" am Geldmarkt

Von Kai Johannsen, Frankfurt Börsen-Zeitung, 18.10.2019 Nun ist auch Griechenland als letzter Staat in den Reihen der mehr oder minder regelmäßigen Eurozone-Emittenten im Bereich der negativen Renditen angekommen. Das gilt zwar noch nicht für den...

Griechenland erhebt nun auch "Parkgebühr" am Geldmarkt

Von Kai Johannsen, FrankfurtNun ist auch Griechenland als letzter Staat in den Reihen der mehr oder minder regelmäßigen Eurozone-Emittenten im Bereich der negativen Renditen angekommen. Das gilt zwar noch nicht für den Anleihemarkt, aber immerhin für einen Auftritt am Geldmarkt. In der vorigen Woche brachten die Hellenen dreimonatige Geldmarktpapiere und konnten sie zu einer Rendite von minus 0,02 % unterbringen nach einem positiven Satz von 0,095 % bei der vorigen Auktion derartiger Titel Anfang August dieses Jahres. Griechenland nahm über die Titel fast 500 Mill. Euro auf. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Landes, dass Griechenland Schuldpapiere am Markt zu einer negativen Rendite absetzen konnte. Richtig gelesen: Es handelt sich um den ehemaligen Rettungsstaat, der von der Staatengemeinschaft vor dem Bankrott bewahrt werden musste und der selbst nicht mehr in der Lage war, sich über einen eigenständigen Kapitalmarktzugang mit Fremdkapital zu versorgen.Nun sind die internationalen Bondinvestoren offenkundig bereit, diesem Land nicht nur Geld zu leihen, sondern Athen für die Kapitalüberlassung auch noch eine Parkgebühr zu bezahlen. Das ist wahrlich neu und zeigt den nächsten Meilenstein. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis Griechenland auch bei den Bondrenditen wie andere Staaten auch im negativen Bereich ankommt. Lange wird das vermutlich nicht mehr dauern.Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis zeigte sich über diese Marktentwicklung sehr erfreut und sah darin ein Signal, dass die griechische Wirtschaft ein starkes Comeback feiert und sich immer weiter von der Schuldenkrise erholen kann, deren Ausbruch rund ein Jahrzehnt her ist. Verständlich, dass dies aus Politiksicht so eingeordnet wird. Sprung ins MinusMan darf in diesem Zusammenhang aber auch nicht die Marktentwicklung übersehen. Die Jagd der Anleger nach Rendite, die seit Jahren zu beobachten ist, hält weiter an. Anleger gehen die Laufzeitenkurven immer weiter herauf, und sie gehen in schlechtere Bonitäten, d. h., sie nehmen mehr Risiken auf ihre Anlagebücher. Das Ergebnis ist, dass die Renditen in langen Laufzeiten und bei schlechteren Bonitäten immer weiter nach unten gedrückt werden. Schließlich gehen die kurzen Laufzeiten dann in Richtung Nulllinie, und letzten Endes erfolgt dann auch der Sprung in den negativen Bereich. Das wurde schon häufiger bei anderen Adressen beobachtet. Griechenland reiht sich in diese Liste von Adressen nun ein, auch wenn nicht von der Hand zu weisen ist, dass das Land eben auch in fundamentaler Hinsicht Fortschritte gemacht hat.Hinzu kommt noch ein anderer Aspekt. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ab kommendem Monat wieder Nettoneukäufe von Staatsanleihen vornehmen. Weite Anlegerkreise positionieren sich für diese anlaufenden Käufe. Sie können die Bonds später an die EZB weiterreichen. Das verspricht Gewinne, und dann werden auch griechische Papiere vor genau diesem Hintergrund gekauft. Diese Käufe tragen dazu bei, dass auch die griechischen Bondrenditen immer weiter zurückfallen. Wohlgemerkt, dies bezieht sich auf die Bondseite. Hier war zum Beispiel bei einer Aufstockung einer griechischen Staatsanleihe – nur einen Tag vor der Geldmarktauktion mit negativer Rendite – eine starke Nachfrage zu beobachten. Eine zehnjährige Anleihe wurde zum Satz von 1,5 % aufgestockt, und zwar um 1,5 Mrd. Euro. Es wurde zunächst von Orders von mehr als 5,4 Mrd. Euro berichtet. Später wurde das auf einen Wert von mehr als 7,6 Mrd. Euro nach oben korrigiert.Allerdings muss man auch konstatieren, dass sich am Anleihemarkt so einiges zusammenbraut mit Blick auf die größer werdenden Volumina ausstehender Anleihen. Emittenten wie Staaten und Unternehmen nutzen seit Jahren die immer weiter rückläufigen Renditen, um sich verstärkt Mittel zu besorgen. Es mag ja manchem auch rational erscheinen, immer mehr Schulden zu machen, wenn man dafür auch noch etwas bekommt und als Schuldner nichts mehr bezahlen muss. Doch damit baut sich auch eine Drohkulisse auf, nämlich die einer immer größer werdenden Verschuldung bei Staaten und anderen Emittenten. Diese Institutionen wie Staaten nutzen das niedrige Renditeniveau, Null- oder Negativzinsen eben nicht dafür, Verschuldung abzubauen und verstärkt Strukturreformen durchzuführen, sondern nutzen die Zeit für immer mehr Emissionen zu günstigen Konditionen. Noch hat der Kapitalmarkt dieses Verschuldungsproblem, das immer größer wird, nicht als klare Bedrohung erkannt, sondern lebt offenkundig recht gut damit. Wenn alle zugleich flüchtenEs ist derzeit an den internationalen Kapitalmärkten kein Faktor, der spürbare Verunsicherung auslöst. Doch genau das könnte irgendwann der Fall sein, wenn dieser Verschuldungsaspekt in großem Umfang von großen Marktteilnehmern einmal thematisiert wird. Man denke an einen großen Staatsfonds oder einen global agierenden Assetmanager mit entsprechendem Markteinfluss, der ankündigt, sich zu Teilen aus europäischen Staatsanleihen zurückgezogen zu haben und sich weiter zurückziehen zu wollen. Dann könnte schnell die Situation entstehen, dass viele andere Marktteilnehmer es dieser Adresse gleichtun wollen. Es entsteht die Flucht aller durch dieselbe Tür zum selben Zeitpunkt. Welche Folgen das hat, ist gemeinhin gut bekannt.