Maschinenbau

Heidelberger Druck entfacht Fantasie

Die Aktie des Druckmaschinen-Weltmarktführers Heidelberger Druck ist ein heißes Thema bei Investoren. Das Papier, das kürzlich noch ein Penny Stock war, entfacht bei spekulationsfreudigen Anlegern plötzlich Fantasie. Innerhalb von gut drei Monaten...

Heidelberger Druck entfacht Fantasie

Von Daniel Schauber, Frankfurt

Die Aktie des Druckmaschinen-Weltmarktführers Heidelberger Druck ist ein heißes Thema bei Investoren. Das Papier, das kürzlich noch ein Penny Stock war, entfacht bei spekulationsfreudigen Anlegern plötzlich Fantasie. Innerhalb von gut drei Monaten hat sich der Aktienkurs ausgehend von 48 Cent rund verdreifacht. Wie kann das sein?

Ende Januar machte der schwer gebeutelte und um vollmundige Ankündigungen selten verlegene Maschinenbauer viel Wind mit positiven Meldungen zu seinem neuen Geschäft mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge (Wallboxen), das mit 15 Mill. Euro Umsatz noch winzig ist und im Geschäftsjahr 2021/22 (31. März) auf 30 Mill. Euro rund verdoppelt werden soll. Das Echo in der Presse dazu war gewaltig. Bei vielen Anlegern verfing die Story, die grob gesagt lautet: Mit dem Kauf von Heidelberger-Druck-Aktien bekommt man ein heißes und profitables E-Mobilitäts-Start-up zum Schnäppchenpreis und den weltgrößten Druckmaschinenhersteller obendrein.

Unterstrichen wurde diese Equity Story mit einer Studie der LBBW, die den positiven Newsflow aus der Kurpfalz flankierte. Analyst Stefan Maichl verwies in der am 20. Januar veröffentlichten Studie darauf, dass Ladesystemanbieter an der Börse hoch gehandelt werden und nannten als Beispiele die norwegische Zaptec, die mit einer Umsatzerwartung für 2020 von 19 Mill. Euro zum Erstellungszeitpunkt der Studie auf eine Marktkapitalisierung von 417 Mill. Euro kam, sowie die deutsche Compelo Charging Solutions (Umsatz 30 Mill. Euro, Marktkapitalisierung 316 Mill. Euro).

E-Mobilität plus Maschinen

Da der aktuelle Aktienkurs von Heidelberger Druck seinerzeit bei 1,12 Euro lag und die Marktkapitalisierung nur 271 Mill. Euro betrug, konnte bei gutgläubigen Marktteilnehmern der Eindruck entstehen, dass die Bewertung des Unternehmens allein schon durch die neuen E-Mobilitätsaktivitäten gedeckt ist und der Maschinenbauer folglich völlig unterbewertet sein muss – erst recht, wenn man bedenkt, dass der Konzern mit einem Marktanteil von 40% Weltmarktführer im Bogenoffset ist und bei einer Erholung des einst hoch profitablen Druckmaschinengeschäfts zusätzlich Potenzial haben könnte.

Das Kursziel, das die LBBW am 20. Januar mit 1,40 Euro ausgegeben hatte, wurde im Handelsverlauf erstmals am 10. Februar erreicht. Am 15. Februar wurden intraday sogar 1,50 Euro geschafft. Das war zwar sicher keine so heiße Zockerei wie bei Gamestop, doch dürfte auch bei Heidelberger Druck so manche Aktie von kühl kalkulierenden institutionellen Investoren, die über die Ausstiegsgelegenheit froh waren, in die Hände argloser Privatanleger gewandert sein.

Geld oder Brief? Ob das Heidelberger-Druck-Papier sein Geld tatsächlich wert ist, kann angesichts der fulminanten Kursentwicklung als fragwürdig gelten. Denn ob mit oder ohne E-Mobilitäts-Start-up, der Maschinenbauer steht seit Jahren mit dem Rücken zur Wand und verbrennt per saldo mit jeder verkauften Druckmaschine Geld. Ein Sanierungsprogramm jagt das nächste, doch die ehemalige Maschinenbau-Perle, die in einem brutalen Preiskampf mit dem Branchenzweiten Koenig&Bauer in einem von Überkapazitäten geprägten Markt gefangen ist, erlangt ihren Glanz einfach nicht zurück. Im Jahr 2019/20 wurden bei Erlösen von 2,4 Mrd. Euro unterm Strich 1,13 Euro je Aktie verloren. Im laufenden Jahr erwarten die Analysten der LBBW bei Erlösen von 1,9 Mrd. Euro erneut einen Verlust je Aktie von 4 Cent. Fürs Jahr 2021/22 wird ein Gewinn pro Aktie von immerhin 1 Cent prognostiziert – ein Hoffnungswert, der das Kurs-Gewinn-Verhältnis in der LBBW-Studie für 2021/22 auf den astronomischen Wert von 102 schraubt und klar erkennen lässt, dass die Aktie alles andere als ein Schnäppchen ist.

Kaum noch Eigenkapital

Andererseits: Das Kurs-Buchwert-Verhältnis, das die LBBW in der Studie für 2020/21 auf 1,4 taxiert, sieht auf den ersten Blick gar nicht schlecht aus. Substanz ist in der Tat noch da, doch der genaue Blick in die jüngste Quartalsbilanz zeigt, dass diese schmilzt wie Eis in der Sonne. Per 31.12.2020 stand bei einer Bilanzsumme von 2,25 Mrd. Euro ein Eigenkapital von gerade noch 57 Mill. Euro zu Buche nach 202 Mill. Euro per 31.3.2020. Das heißt, die Eigenkapitalquote ist im Konzern auf schauerliche 2,5% abgesackt – ein Wert, der Schlimmes befürchten lässt. Faktisch gehört der Druckmaschinenbauer kaum noch seinen Aktionären, sondern vor allem seinen Pensionären: Die Rückstellungen für Pensionen stehen mit 1,04 Mrd. Euro für annähernd die Hälfte der Bilanzsumme. Andere große Posten auf der Passivseite sind weitere Rückstellungen, Finanzschulden sowie Schulden bei Lieferanten. Mit anderen Worten: Den Aktionären gehört von Heidelberger Druck praktisch nichts mehr. Wer nach einem Blick in die Bilanz noch an die Story glaubt, man bekomme mit dem Kauf einer Heidelberger-Druck-Aktie ein hippes und solide finanziertes E-Mobilitäts-Start-up zum Schnäppchenpreis und den bald wieder profitablen weltgrößten Druckmaschinenhersteller als Dreingabe, der ist gelinde gesagt sehr gutgläubig.

Kaufen, Verkaufen, Halten

Die LBBW bekräftigte am 20. Januar ihre Einschätzung und rief unverändert zum Kauf der Aktie auf. DZ-Bank-Analyst Thorsten Reigber kam am 10. Februar zu einem anderen Urteil und riet nach Veröffentlichung der Quartalszahlen unverändert zum Verkauf, wobei die DZ Bank den fairen Wert von 0,80 auf 1 Euro anhob. Ebenfalls am 10. Februar hat das Analysehaus Warburg Research die Einstufung für Heidelberger Druck auf „Hold“ mit einem Kursziel von 0,90 Euro belassen. Das dritte Geschäftsquartal sei stark ausgefallen, schrieb Analyst Eggert Kuls. Das vierte dürfte aber schwach werden.

Fazit: Kaufen, verkaufen, halten – auch die Investmentprofis sind ganz verschiedener Meinung. Tatsache ist: Das Papier von Heidelberger Druck ist ein hoch spekulatives Investment, das davon abhängt, ob die Heidelberger mit ihrem Kerngeschäft Druckmaschinen endlich wieder in die Spur kommen. Ob das winzige Zusatzgeschäft mit den Elektroauto-Ladestationen nun floriert oder nicht, bleibt angesichts der enormen bilanziellen und operativen Risiken für den sicherheitsbewussten Investor zweitrangig.