Logistikkonzern

Hoffnungswert Fedex

Die Aktie des US-Logistikkonzerns Fedex ist nichts für risikoscheue Investoren. Dafür gibt es eine zu große Zahl von Risiken.

Hoffnungswert Fedex

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

Wenn sich der US-Logistikkonzern Fedex am Dienstag anlässlich der Vorlage der Zahlen zum zweiten Quartal im gebrochenen Geschäftsjahr 2022/23 äußert, dann lautet die erste Frage der Investoren nicht, welchen Ausblick die Unternehmensführung gibt – sondern grundsätzlicher, ob sich das Unternehmen überhaupt wieder einen Ausblick über die nächsten drei Monate hinaus zutraut. Mitte September hatte Vorstandschef Ray Subramaniam nicht nur enttäuschende Quartalszahlen präsentiert, sondern zudem nicht gewagt, eine Prognose für das Gesamtjahr aufzustellen. Damit hatte er den Aktienkurs auf den tiefsten Stand seit 2020 geschickt. Um fast ein Viertel rasselte die Notierung damals im Handelsverlauf in den Keller und landete nahe 155 Dollar. Aussagen über sinkende Transportvolumina und am Boden parkende Frachtflugzeuge befeuerten seinerzeit die Sorgen vor extrem schweren Zeiten für Logistiker in einem eingetrübten Konjunkturumfeld.

Erholung nach dem Sturz

Mittlerweile hat sich der Aktienkurs wieder etwas erholt und bewegt sich auf die Marke von 180 Dollar zu. Das bedeutet zwar eine Befestigung, bleibt aber zugleich noch weit unter Notierungen der vergangenen drei Jahre von zeitweise mehr als 300 Dollar zurück. Und selbst diese Stabilisierung könnte bereits nächste Woche ­jäh enden. Denn beispielsweise J.P. Morgan hat arge Zweifel, ob das zurückliegende Jahresviertel für den nach Marktkapitalisierung rund 47 Mrd. Dollar schweren Konzern (der damit deutlich kleiner ist als Konkurrent UPS) nicht sogar noch schlechter verlaufen ist, als im Konsens erwartet wird. Ein Grund für den skeptischen Blick der Investmentbank ist die anhaltend schwierige Lage auf den globalen Frachtmärkten im Herbst, die unter anderem von Mærsk bestätigt wurde.

Dabei hat die Aktie durchaus Aufwärtspotenzial – zumindest kann man dies als risikofreudiger Anleger so sehen. Das Wertpapier ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,9 mit Blick auf die nächsten zwölf Monate alles andere als überteuert. Und auch der Blick auf die Analysteneinschätzungen verheißt eher Zuversicht als Bedenken: 48,5% aller von Bloomberg befragten Marktexperten bewerten den Titel als „Kauf“, und die anderen 51,5% verhalten sich neutral und empfehlen, die Anteilscheine zu halten. Kein einziges der 33 an der Umfrage beteiligten Analystenhäuser rät zum Verkauf.

Kostensenkung kostet Zeit

Nichtsdestotrotz ist die Federal Express Corporation gegenwärtig eher ein Hoffnungswert als ein sicheres Investment. Das liegt erstens an der Fragwürdigkeit der angekündigten milliardenschweren Kostenreduzierung. Deutlich mehr als 2 Mrd. Dollar möchte das Unternehmen einsparen. Doch viele der dafür ins Auge gefassten oder bereits eingeleiteten Maßnahmen sind nicht zwingend von Dauer. So entlastet die geringere Frequenz von Frachtflügen zunächst einmal die Bilanz nur temporär, da das Angebot rasch wieder ausgeweitet werden dürfte, wenn die Nachfrage anzieht. Auch ist die Ausdünnung von Dienstleistungen wie Sonntagszustellungen ebenfalls eine Maßnahme, die schnell wieder zurückgenommen wird, wenn die Kundschaft darauf gereizt reagiert. Die Logistikanalysten von J.P. Morgan weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass von größeren personellen Einsparungen in der Unternehmenszentrale bislang nicht die Rede gewesen sei. Insofern mahnen sie, dass es noch dauern könnte, bis die angekündigten Einsparungen tatsächlich sichtbar werden.

Das wiederum gilt umso mehr, als der Arbeitskräftemangel die Logistikunternehmen zu Lohn­konzessionen gegenüber ihren Be­schäftigten zwingt, wollen sie ein konkurrenzfähiges Angebotsnetz aufrechterhalten – ein Effekt, der Federal Express vor allem im Paketzustellgeschäft (Ground) treffen könnte.

Unsicherheitsfaktor China

Ein zweiter Unsicherheitsfaktor liegt in der besonders starken Bedeutung des asiatisch-pazifischen Aircargo-Gschäfts für Fedex im Vergleich mit ihren Konkurrenten UPS oder DHL. Denn die generellen Aussichten auf eine Lockerung der Covid-Schutzmaßnahmen in China, die ein zentraler Treiber der Aufwärtsbewegung der Aktie seit dem September-Tief gewesen sind, übersetzen sich aus der Per­spektive der Logistikbranche in einem deutlich durchwachseneren Bild. Trotz der jüngsten Aufgabe von Restriktionen ist das Liefer-, Fracht- und Kuriergeschäft in der Volksrepublik schließlich nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Ohnehin hat sich Fedex nach Meinung von Analysten in diesem Jahr etwas schwerer getan als UPS und DHL. Die Deutsche Post läuft gerade auf ein operatives Rekordergebnis zu. Und das Luftfrachtgeschäft steht zudem wegen gesunkener Seetransportgebühren zusätzlich unter Wettbewerbsdruck. Insofern drohen Fedex in der Expresssparte Einbußen bei den Margen.

Belastet wird der Aktienkurs auch durch den schrittweisen Rückzug des aktivistischen Großinvestors D. E. Shaw. Die Investmentgesellschaft hat, obwohl der Logistikriese ihren Wünschen bei der Dividendenpolitik entgegengekommen ist, das Engagement sowohl in der Direktanlage als auch über Optionen erheblich zurückgefahren – ein nicht gerade motivierendes Signal für andere Anleger.

Schließlich gibt es noch manche unbeantwortete Frage, was die Konzernstruktur von Fedex angeht – sei es mit Bezugnahme auf die zentrale Steuerung der einzelnen Sparten oder sei es mit Blick auf die noch nicht vollständig abgeschlossene Integration der übernommenen Rivalin TNT.

Kursziel bei 192 Dollar

In den Jahren 2020 und 2021 war es Fedex noch gelungen, die Wettbewerber in puncto Aktienkursperformance zu übertreffen. Das Konsens-Kursziel für die kommenden zwölf Monate lautet laut Bloomberg auf 192 Dollar, ein Plus von 8 % gegenüber dem aktuellen Kurs. Investoren, die sich auf dieser Basis für die Fedex-Aktie entscheiden, brauchen aber aller Voraussicht nach Langmut und die Fähigkeit, auch Ernüchterungen oder Rückschläge zu verdauen – womöglich bereits am Dienstag nächster Woche.